Originaltitel: Whatever Happened To Mr. Garibaldi?
Episodennummer: 4x02
Bewertung:
Erstausstrahlung USA: 11. November 1996
Erstausstrahlung D: 30. Mai 1998
Drehbuch: J. Michael Straczynski
Regie: Kevin Dobson
Hauptdarsteller: Bruce Boxleitner als Captain John Sheridan, Claudia Christian als Commander Susan Ivanova, Jerry Doyle als Security Chief Michael Garibaldi, Mira Furlan als Delenn, Richard Biggs als Doctor Stephen Franklin, Bill Mumy als Lennier, Stephen Furst als Vir Cotto, Jason Carter als Marcus Cole, Jeff Conaway als Zack Allan, Patricia Tallman als Lyta Alexander, Peter Jurasik als Londo, Andreas Katsulas als G'Kar.
Gastdarsteller:
Wayne Alexander als Lorien,
Wortham Krimmer als Emperor Cartagia,
Lenny Citrano als Isaac,
Anthona DeLongis als Harry,
Damian London als Minister u.a.
Kurzinhalt:
Während die meisten auf der Station nach wie vor versuchen, die letzten Verluste – insbesondere Sheridans vermeintlichen Tod auf Z'ha'dum – zu verdauen, hat G'Kar die Station verlassen, um nach Mr. Garibaldi zu suchen. Seine Nachforschungen führen ihn in eine Bar voller zwielichtiger Personen auf einem abgelegenen Planeten. Als er in eine Schlägerei gerät, erhält er unerwartet Hilfe von Marcus, der beschlossen hat, ihn zu verfolgen. Als sie eine erste Spur auf Garibaldis Aufenthaltsort finden, kehrt Marcus nach Babylon 5 zurück, um diese weiterzuverfolgen. Kurz darauf wird G'Kar in seinem Quartier überfallen und von Centauri-Wachen gefangen genommen. Wenig später macht Cartagia Londo dann schließlich den gefangenen G'Kar zum Geschenk. Dieser ist zu Beginn in erster Linie erschüttert, ihn – selbst wenn es sich bei G'Kar um einen langjährigen Feind handelt – in Ketten zu sehen. Dann erkennt er jedoch darin, dass ihm Cartagia möglicherweise gerade den Schlüssel für den von ihm geplanten Tyrannenmord auf dem Silbertablett serviert hat. Doch G'Kars Hilfe hat ihren Preis. Währenddessen gewinnt Delenn dank der Unterstützung von Dr. Franklin ihren Lebenswillen zurück. In sieben Tagen möchte sie mit einer Flotte Weißer Stern-Schiffe aufbrechen, um Z'ha'dum anzugreifen. Auf dem Schattenplanten trifft Sheridan derweil auf Lorien – den Allerersten. Gefangen zwischen Tick und Tack, zwischen Leben und Tod, wird sich Sheridans Schicksal – und mit ihm vielleicht auch das der gesamten Galaxis – entscheiden…
Denkwürdige Zitate:
"The first obligation of a prisoner is to escape."
"Ah. So if one is a prisoner of love, one must escape to solitude? If one is a prisoner to joy, must one escape to sadness?"
(Lorien drängt Sheridan eine philosophische Diskussion auf.)
"The universe began with a word, you know. But which came first, the word, or the thought behind the word? You can't create language without thought, and you can't conceive a thought without language. So which created the other, and thus created the universe?"
(Und ich dachte, das Henne-Ei-Paradoxon wäre schon verzwickt!)
"It's a dangerous question, you know. There's never a good answer to it."
(Lorien über die Frage der Vorlonen: "Wer bist du?".)
"I should have loved him less and trusted him more."
(Delenn über Sheridan.)
"If you're going to be worried every time the universe doesn't make sense, you're going to be worried every moment of every day for the rest of your natural life."
(Da hat G'Kar absolut recht.)
"You're not embracing life, you're fleeing death."
(Loriens Analyse über Sheridan.)
"It's easy to find something worth dying for. Have you got something worth living for?"
(Die zentrale Frage, die über Sheridans Schicksal entscheiden wird.)
Review:
Bei "Die Stunde des Wolfs" ließ und JMS praktisch bis zur letzten Minute warten, ehe wir endlich einen Blick auf Sheridan erhaschen und über sein Schicksal aufgeklärt wurden. Und obwohl sich sowohl der deutsche (G'Kar) als auch der englische Titel (Garibaldi) auf andere Personen beziehen, rückt Sheridan hier nun stärker ins Zentrum. Seine Handlung auf Z'ha'dum dient dabei – von Franklins kurzem Logbucheintrag zu Beginn abgesehen – quasi als Buchstützen der Episode, sind sie doch zu Beginn und am Ende der Folge positioniert. In Sheridans Gesprächen mit Lorien wird eine von JMS' Stärken als Drehbuchautor offensichtlich, die er zuvor in erster Linie bei Kosh ausleben konnte: Er versteht es, mysteriöse Figuren zu schreiben, ihnen etwas Rätselhaftes zu geben, bzw. sie generell eine gewisse Faszination ausstrahlen zu lassen. Loriens philosophische Gedanken, die ganze Idee rund um Tick und Tack und dem Gefangen sein zwischen zwei Momenten, seine wahre Gestalt, die Offenbarung rund um Kosh der in Sheridan steckt… all dies verleiht "Babylon 5" einen herrlichen "sense of wonder" – und das, wenn man nach der deutschen Erstausstrahlung geht, just zu einer Zeit, wo sich der Vorreiter "Star Trek" zunehmend von diesem Element verabschiedete.
Doch es ist nicht nur JMS' Drehbuch, auch die Inszenierung weiß in diesen Momenten zu gefallen, fängt sie doch die Düsternis und die Stimmung dieser Szenen sehr schön ein. Und auch Christopher Frankes wieder einmal großartige Musik trägt viel dazu bei, den mysteriös-faszinierenden Eindruck der Lorien-Szenen zu verstärken. Am besten hat mir aber der Ausgang des Geschehens gefallen – wobei ich mir durchaus vorstellen kann, dass mir hier nicht jeder zustimmen wird, und Sheridans Antwort auf Loriens Frage "Hast du etwas, wofür es sich lohnt, zu leben?" zu kitschig. Aber ich bin nun mal ein unverbesserlicher Romantiker, und wenn Sheridan quasi ein weiteres Mal den Schacht hinabstürzt, wir Bilder von Delenn sehen und er schließlich ihren Namen ruft, bekomme ich selbst heute immer noch eine Gänsehaut. Vom Einstieg und dem Finale abgesehen gehört die Episode aber in erster Linie G'Kar. Seine Suche nach Mr. Garibaldi verläuft dabei ganz anders, als ich das bei der Erstsichtung erwartet hätte. Ich hatte nicht unbedingt damit gerechnet, dass er damit Erfolg haben und ihn gleich in dieser Folge noch aufspüren würde – aber nie im Leben hätte ich gedacht, dass er gefangen genommen und nach Centauri Prime gebracht werden würde. Das war schon eine düstere Wendung. Wunderbar finde ich auch immer wieder Londos Reaktion, als G'Kar ihm vorgeführt wird. Er versucht es sich nicht ansehen zu lassen, aber sein Horror, sein Schock und seine Ablehnung stehen ihm ins Gesicht geschrieben. Und das bei G'Kar, der lange Zeit sein Erzfeind war. Doch den sonst so stolzen Narn derart gebrochen und in Ketten zu sehen, scheint selbst Londo das Herz zu brechen. Seine Reaktion auf Cartagias Geschenk ist somit ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Pfad der Wiedergutmachung.
Einen weiteren macht er dann, als er G'Kar in dessen Zelle besucht, und seinen (früheren?) Erzfeind um Hilfe bittet. In diesem Moment scheinen ihre früheren Differenzen wenn schon nicht vergessen so doch wenigstens hintangestellt. Natürlich sieht Londo in G'Kar in erster Linie ein Mittel zum Zweck. Seine Worte über das Grauen, dass ihn erwartet – und dass er dies nicht einmal G'Kar wünscht; heute schon gar nicht mehr, aber selbst nicht früher – macht aber dennoch deutlich, dass er für G'Kar durchaus auch Mitleid empfindet. Auch dies ist für ihn ein wichtiger Schritt, und sollte ihn im Auge des Zuschauers hoffentlich wieder sympathischer machen. Aber auch G'Kar ist sichtlich geläutert. Jener aus "Ragesh 3" oder "Bombenterror" hätte Londo ins Gesicht gelacht, und gesagt, er solle sich zum Teufel scheren. Doch auch G'Kar ist gewachsen und hat gelernt, über seine persönlichen Animositäten hinwegzusehen und das Wohl seines Volkes voranzustellen. Und so ist auch eben dies – die Freiheit der Narn – der Preis, den er von Londo für seine Hilfe verlangt. Zu sehen, wie just diese beiden Personen, die sich zuvor auf den Tod nicht ausstehen konnten, hier nun ihre Differenzen zumindest kurzzeitig überwinden, um zusammenzuarbeiten, macht deutlich, wie weit beide seit dem Serienstart sowohl individuell als auch in ihrer Beziehung zueinander gekommen sind.
Die anderen Figuren treten nur vergleichsweise kurz in Erscheinung. Marcus darf kurz mal G'Kar helfen, ehe er kurz vor seiner Gefangennahme (die übrigens super inszeniert war, mit der kurzen Zeitlupe vor dem Angriff) von ihm weggeschickt wird. Franklin spricht den Anfangsmonolog und macht bei Delenn Hausbesuch. Und diese wiederum setzt zuerst ihren Hungerstreik fort, ehe ihr Sheridans Logbucheintrag ihren Lebenswillen wieder zurückgibt, woraufhin sie die Ranger auf Babylon 5 versammelt, um die vermeintlich an Boden liegenden Schatten auf Z'ha'dum anzugreifen. Die mit Abstand interessanteste Szene abseits von Sheridan, G'Kar und Londo ist aber natürlich der kurze Moment, in dem die im Original titelspendende Frage "Was ist mit Mr. Garibaldi passiert?" zumindest ansatzweise beantwortet. Wobei die Szene zugegebenermaßen für jede Frage die sie beantwortet gleich wieder drei neue stellt. Jedenfalls ist es zweifellos einer jener Momente, der abseits von Sheridan, G'Kar und Londo noch am deutlichsten hervorsticht – nicht zuletzt dank der Inszenierung, oder besser gesagt dem Schnitt, der den Zuschauer Garibaldis wilden, unbändigen Zorn – sowie die Surrealität dieses Moments – visuell vermittelt. Sehr interessant ist dann natürlich auch die Offenbarung rund um den Psi-Cop. Nun wissen wir zwar wenigstens in etwa, was mit Garibaldi passiert ist, bzw. wer für seine Entführung verantwortlich ist – aber nicht, zu welchem Zweck, und was sie mit ihm vorhaben. Insofern ist die Szene wieder mal ein netter und sehr effektiver Angelhaken, der einen die Auflösung des Geschehens – und damit die nächste(n) Episoden – schon wieder sehnsüchtig erwarten lässt.
Fazit:
Nach dem sehr guten Staffeleinstieg geht es mit "Der Letzte des Kha'Ri" packend weiter. G'Kars Suche nach Garibaldi entwickelte sich ganz anders, als ich das bei der Erstsichtung vermutet hätte, und nimmt mit seiner Gefangennahme eine tragische Wendung. Die Szene, als er Londo als Geschenk von Cartagia überreicht wird, zählt zu den ganz großen Höhepunkten der Episode – wie auch ihre nachfolgende Szene in G'Kars Zelle, wo die beiden Erzfeinde ihre Differenzen vorläufig zum Wohle ihres Volkes überwinden. Die entsprechende Szene war wunderbar geschrieben und von beiden auch phantastisch gespielt. Inszenatorisch stachen in erster Linie der kurze Blick auf Garibaldi sowie die sehr düster-stimmungsvollen Szenen auf Z'ha'dum hervor. Letztere waren zudem sehr mysteriös, und brachten wieder einen netten "sense of wonder" in die Serie. Der mit Abstand beste Moment der Folge war aber das Finale. Einigen mag es zu kitschig sein, aber mir verschafft Sheridans "Delenn!"-Aufschrei jedes Mal aufs Neue eine Gänsehaut. Einzig die Ereignisse an Bord von Babylon 5 fallen im direkten Vergleich etwas ab. Davon abgesehen setzt "Der Letzte des Kha'Ri" aber den Reigen an großartigen "Babylon 5"-Folgen fort.
Wertung: 4 von 5 Punkten
Christian Siegel
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Vom Skript zur Folge:
Von Franklins Anfangsmonolog fehlt ein kurzer Kommentar zum Erd-Minbari-Krieg: "Während der letzten Tages des Minbari-Krieges, als ihre Schiffe auf die Erde zumarschierten, und niemand sie aufhalten konnte, bereitete sich jeder auf der Erde auf das Ende vor. Man konnte die Angst in der Luft förmlich schmecken. Ich hoffte, dass ich eine solche Angst niemals wieder erleben müsste, aber nun ist sie da."
Im Vergleich zum Drehbuch fehlt ein kurzer Moment in der Kommandozentrale mit Ivanova und einem Techniker, als die Flotte Weißer Stern-Schiffe – vor der Besprechung mit Delenn – aus dem Hyperraum kommt.
Die Szene mit Garibaldi ist deutlich weniger düster geschrieben, als sie dann letztendlich inszeniert wurde. So macht Garibaldi sogar einen kleinen Witz, und wirkt generell längst nicht so aufbrausend, aufgebracht und verzweifelt wie in der Episode.
Im Drehbuch findet sich noch die Szene mit Ivanova und Delenn, wo erstere um ein White Star-Schiff bittet, um sich auf die Suche nach den Allerersten zu machen. Diese wurde dann in die nächste Folge verschoben.
Das Ende ist im Drehbuch noch ganz anders. So fehlt Loriens Frage "Hast du etwas, für das es sich zu Leben lohnt?", sowie Sheridans Antwort "Delenn!". Stattdessen kommt es zu einem Zwiegespräch mit Kosh. Sheridan fragt ihn: "Wird das funktionieren?", woraufhin dieser antwortet. "Das weiß ich nicht. Ich habe Angst." Woraufhin Sheridan mit einem schlichten, vorlonenhaften "Ja." antwortet.
Quelle: "Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 8"
Stimmen zur Episode:
Jerry Doyle über Garibaldis Verhörszene: „Das hat Spaß gemacht – und das mit den Lichtern war improvisiert. Als ich in den Raum kam und sah dass sie ihn fünf Zentimeter größer gemacht hatten als mich, war das ein cooler kleiner Raum, um darin zu arbeiten. Der Stuhl war mit Schraubbolzen am Fußboden befestigt, und ich sollte den Stuhl nehmen und versuchen, damit die Tür einzuschlagen. Als ich die Armlehne vom Stuhl abriss, traf ich mich dabei genau zwischen den Beinen, und ich wurde wirklich sauer das mir das passiert war, und als ich dann meinen Text aufsagte, ging ich herum und begann damit, die Lichter einzuschlagen. Dann kam das Gas heraus, ich fiel auf den Boden, und der Regisseur kam rüber und meinte "Das war brillant! Ich danke dir für einen wundervollen Morgen." Und dann sagte er "Willst du das nochmal machen?" "Teufel ja", sagte ich, "Ich will mir nur nicht selbst wieder auf die Eier schlagen, aber die Lichter würde ich gern noch einmal zusammenschlagen." Das ist genau das, was du gerne zu Hause machen würdest, wenn du einen wirklich schlimmen Tag hast. Nur dass in der Arbeit jemand für dich zusammenräumt, es wiederherstellt, und du es nochmal zusammenschlagen darfst!”
Jason Carter über seine Szenen mit Andreas Katsulas: „Mit Andreas zu arbeiten war dahingehend nervenaufreibend, als ich ständig denken musste "Ich werde mit Andreas arbeiten!". Ich bin ein großer Verehrer; ich denke er ist ein brillanter Schauspieler. Ich halte das was er tut für absolut erstaunlich, angesichts der Tatsache dass er vom Makeup völlig verborgen ist; selbst seine Augen sind mit Kontaktlinsen bedeckt. Nichts an ihm ist er selbst, es ist alles Makeup, alles Hülle, alles G'Kar. Doch seine kraftvolle Menschlichkeit durchbricht dies, und er ist so ausdrucksstark hinter dieser Maske. Er ist ganz und gar lebendig, und G'Kar existiert. Er war fünfzehn Jahre lang in Peter Brooks internationaler Theatergemeinschaft, und um fünfzehn Jahre lang in Peter Brooks Gemeinschaft zu sein, muss du wirklich verdammt gut sein. Das ist der Gipfel. Das großartige daran, mit einem großartigen Schauspieler zu arbeiten, ist der damit einhergehende Druck; es bringt dich dazu, selbst gute Arbeit zu leisten, hoffentlich. Gute Arbeit bedeutet dabei komischerweise nicht, hart zu arbeiten, das ist das seltsame daran; du musst deinen gesamten Kopf am rechten Fleck haben. Es ist eine Hingabe an die Figur, an das was du sagst, und an die Situation.”
Andreas Katsulas über das Zusammenspiel mit Jason Carter: „Ich fühlte mich in diesen Szenen auf einmal väterlich. Wegen seines Alters und meines Alters – dem echten Alter – fühlte ich seine Ungestümtheit, seine Energie, und seine Ambition. So wie Jason es spielt, ist er auch im echten Leben. Ich fühlte mich wie die Vaterfigur, älter und weiser. … Er plappert wenn er nervös ist. Einige Menschen können nicht plappern; sie haben diesen nervösen Tick. Ich sagte "Ja, Jason, ja, wird schon gutgehen, Jason, mach dir keine Sorgen", und er machte immer weiter, ging hin und her. Ich ging sogar kurz raus um mir einen Kaffee zu holen, und als ich zur Bühne zurückkam ging er immer noch auf und ab und plapperte herum!”
Peter Jurasik über Londo und G'Kar: „DEs ist die Idee zweier alter Kämpfer die schließlich und endlich Respekt füreinander gewinnen. Schlussendlich sagen die beiden verfeindeten Familien: So schlecht sind die gar nicht; sie müssen ziemlich zäh sein wenn sie es mit uns aufnehmen können." und so kommt es zu diesem widerwilligen Respekt der aus Jahren des gegenseitigen Kämpfens entsteht. Zudem Londo, wenn er auch teilweise Scheuklappen auf hat, kein dummer Mann ist, und er sieht die Zielstrebigkeit und den Restpekt den G'Kar für die Narn hat. Das kann ihm Londo nachempfinden, da er die Centauri so sehr liebt.”
Quelle: "Babylon 5: Season by Season-Guides - Volume 4: No Surrender, No Retreat"
Kommentare von JMS
Ich tendiere dazu, den Figuren jene Fragen zu geben, die mich gerade selbst beschäftigen. Bei den anderen Figuren handelt es sich dabei meist eher um praktische Angelegenheiten, wie Politik, Moral und Ethik. Lorien halste ich die großen Fragen auf, wie z.B. Was kam zuerst, das Wort oder der Gedanke? Woraus entsteht Bewusstsein? Die Herausforderung bei Lorien war es, ihn nicht so zu schreiben wie man das sonst oft machen würde, in dem man ihn einen Glückskeks-Lehrsatz nach dem anderen aufsagen lässt. Genau deshalb habe ich großen Wert darauf gelegt, ihn Fragen zu geben, und keine Antworten. Wenn du jemanden Antworten gibst, wird es schnell zu einfach zu billig, und die Antworten die du in einer Fernsehserie geben kannst wären ohnehin dem Thema nie angemessen. Da lasse ich ihn lieber Fragen stellen, und die Zuschauer sie für sich beantworten. Was mich an der Figur zudem angesprochen hat ist, dass wir hier jemanden haben der das älteste lebende Wesen der Schöpfung ist, von dem wir wissen, und selbst er noch nicht über alle Antworten verfügt. Er hat sich über diese Sprache versus Gedanken-Geschichte seit einer Ewigkeit den Kopf zerbrochen, und er hat es immer noch nicht herausgefunden. Es gibt da diese Ansicht dass wenn wir nur lang genug leben, wir alles ergründen werden, und er ist der Beweis dafür dass uns dies eben nie gelingen wird. Zumindest nicht, ehe wir für immer über die letzte Grenze hinausgehen, was immer das in unserem Fall auch bedeuten mag.
Quelle: "Babylon 5: Season by Season-Guides - Volume 3: Point Of No Return"
Von Zeit zu Zeit fragt man mich "Warum war es für dich so wichtig, die B5-Story zu erzählen?". Die Unterhaltungen zwischen Sheridan und Lorien in dieser Schar an Episoden geben eine ziemlich definitive Antwort darauf. Ich wollte eine Geschichte erzählen in der es um mehr ging als nur die Handlung, mehr als nur das Energiefeld zu rekalibrieren um die Quantumflux-Kammer außer Kraft zu setzen bevor sie in die Luft fliegt. Ich habe viele Fragen, viele Dinge die ich nicht verstehe, dinge die von meinem Filter eingefangen wurden und die ich dort nicht mehr herausbekomme, und ich wollte eine Geschichte die mir die Möglichkeit geben würde diese Fragen zu stellen, und zu versuchen, zu definieren, was es heißt, ein Mensch zu sein. Ich wollte etwas sagen, über dich und mich und uns, und wie die Dinge von hier aussehen, und um zu fragen: "Was zum Henker denkst du denn, dass das alles bedeutet?" Ich wusste von vornherein dass die Gelegenheit diese Geschichte zu erzählen, und diese Fragen zu stellen, mit diesem Grad an kreativer Freiheit, nur einmal im Leben daherkommt. Und deshalb bedeutete, und bedeutet es auch weiterhin, so viel für mich.
Peter Jurasik liebte Londo's Handlungsbogen in Jahr vier, vor allem nachdem er für so viele Jahre als immer gleicher wieseliger Typ, wie Sid der Spitzel in "Hill Street Blues", gecastet wurde. Seine Performance als G'Kar in Ketten in den Thronsaal gebracht wird ist ein Meisterstück an subtiler Emotion. Ganz besonders liebte er Londos Stärke in diesem Teil der Erzählung – was eines Nachmittags auch zu einem Anruf in meinem Büro führte während wir diese Episode drehten. "Peter möchte dass du für einen Augenblick zum Set kommst", sagte der Produktionsassistent. Das war das erste und einzige Mal, dass Peter eine solche Bitte äußerte. Ich ging also hinunter zur B-Bühne, wo wir den Centauri-Palast aufgestellt hatten, und Peter fing mich auf dem Weg dorthin ab: "Ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust", sagte er. "Sieh dir diese Szene an und sag mir, was du denkst." Ich folgte ihm zur Bühne, wo sie die Szene probten wo Londo zu Cartagia gebracht wird, der ihm wegen seiner Verspätung den Tod androht. Der Regisseur hatte offenbar darauf bestanden, dass Peter die Rolle sehr unterwürfig anlegte, so als würde er tatsächlich um sein Leben fürchten, und diese Angst auch zeigen, um den Imperator glücklich zu machen. Am Ende der Szene blickte Peter auf eine Art und Weise zu mir die sagte "Du und ich wissen beide, dass Londo nie Angst vor einem Kerl wie Cartagia zeigen würde, aber er ist der Regisseur, ich bin der Schauspieler; mein Job ist es, das zu machen, was mir gesagt wird. Ich kann nichts sagen – aber du schon."
Ich überlegte mehrere Minuten lang, während sie die Kameras beluden und sich bereitmachten, die Szene auf Film zu bannen, wie ich damit umgehen sollte, da ich nicht den Eindruck erwecken wollte, dass Peter den Regisseur hintergangen hatte, und es war nicht meine Angewohnheit, den Schauspielern direkte Anregungen während der Dreharbeiten zu geben. Es kann auf dem Set nur eine Stimme geben, und das ist der Regisseur – eine Wahrheit die selbst der Schöpfer der Serie anerkannt werden muss. Wenn es zu viele Stimmen gibt die an unterschiedlichen Strängen ziehen, stellt sich Chaos ein. Schließlich nahm ich den Regisseur zur Seite: "Ich dachte mir gerade… ich denke nicht, dass dir Peter die Performance gibt die du aus ihm herauszuholen versuchst." "Ach nein?" "Nein. Ich meine, es ist offensichtlich dass Londo's Worte beschwichtigend gemeint sind, aber sie sollten aus einer Position des Trotzes kommen. Er sagt das, von dem er weiß, dass er es sagen sollte, und von dem der Imperator weiß dass er es sagen sollte, aber er meint es nicht ernst. Es sollte eine stählerne Härte in seinen Augen erkennbar sein. Wenn Cartagia also sagt "Gut gesagt", ist da die Anerkennung der Performance, die Londo grade gegeben hat. Ich glaube nicht, dass Peter dir jene Stärke gibt, die du in dieser Szene haben willst, und wenn du den Eindruck hast, dass er dir ausweicht, kann ich gerne mit ihm reden und ihn zurechtstutzen." "Nun, das musst du nicht…" "Kein Problem", sagte ich, und ging zu Peter um ihm genau das zu sagen was er wollte, dass ich ihm sage, was auch genau das war was ich dem Regisseur in seinem Auftrag eingeflüstert hatte. Unnötig zu erwähnen, dass er gleich beim ersten Mal den Nagel auf den Kopf getroffen hat. "War das eher das, was du im Sinn hattest?" fragte ich den Regisseur. "Hätte nicht besser sein können", sagte er. Und als ich wegging, blickte ich kurz zu Peter, der leise die Worte "Danke schön" mit den Lippen formte.
Eine andere Szene die überdacht werden musste, wenn auch in diesem Fall im Nachhinein, war die Sequenz die letztendlich Garibaldi in seiner Zelle offenbart. In den Tagesaufnahmen schlägt Garibaldi ein paar Mal gegen die Tür und geht davon, die Kamera folgt ihm, alles sehr geradeheraus, er hat eine Auseinandersetzung mit seinem gesichtslosen Peiniger, und wird mit Gas ohnmächtig gemacht. Es gab nur ein Problem mit dieser Szene: Sie funktionierte nicht. Sie verfügte nicht über die Dringlichkeit die sie haben musste, und fühlte sich… konventionell an. Wir fühlten weder die Orientierungslosigkeit noch die Panic die solch eine Szene begleiten sollte. Es war nicht die Schuld des Regisseurs; mehr kannst du mit einem Schauspieler in einem Raum nicht wirklich machen. Im Schneideraum nahm ich mir also alle Dailies und begann damit, alles übereinanderzulegen, so dass die Dialogzeiten über die Performances und die einzelnen Einstellungen hinweg wiederholt wurden. Es sagte etwas in der Nahaufnahme, dann gingen wir auf die Weitwinkelaufnahme und wiederholten es… und taten alles was du eigentlich im Schneideraum nicht machen solltest. Aber letztendlich hat sie danach genau dort funktioniert wo sie es zuvor nicht getan hatte.
Quelle: "Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 8"
Über die gesprochene Rekapitulation am Anfang der Episode:
Ich dachte mir, da dieses Jahr wesentlich kontinuierlicher war, als in der Vergangenheit, musste eine kleine Zusammenfassung am Anfang her… außerdem ergibt das ein anderes Gefühl, mehr erzählerisch… ich mag das irgendwie.
Franklin sagte es seien 14 Tage seit Sheridans Tod und 9 seit Garibaldis Verschwinden vergangen, aber beides passierte zur gleichen Zeit.
Das ist ein Fall, wo JMS es vermasselt hat. Im Original las sich das Script so: "Es ist jetzt 14 Tage her, seit Captain Sheridan nach Za'ha'dum aufgebrochen ist und vermutlich getötet wurde. Neun Tage seit Mr. Garibaldi verschwand, während er auf Patrouille war." Dann habe ich den ersten Satz nochmal überarbeitet, um ihn vom Passiv ins Aktiv zu setzen. Handschriftlich auf der Seite (nach dem ersten Entwurf revidieren die Schreibkräfte sowas und arbeiten es ein), wollte ich schreiben: "Seit 9 Tagen wird nun angenommen, dass Captain Sheridan auf Za'ha'dum getötet wurde." Entweder habe ich vergessen, die Tage zu ändern, oder die Schreibkraft hat es nicht eingearbeitet (sowas kommt vor) und dieser Entwurf des Scripts ist schon lange Geschichte. Aber ohne zu wissen was es nun war, halte ich meinen Kopf dafür hin. Ich habe darüber nachgedacht, es neu vertonen zu lassen… wir haben es nicht mehr vor der Auslieferung erwischt.
Sheridans Fall erinnert an Gandalfs im "Herrn der Ringe" oder an den Abstieg in die Hölle in Dantes Inferno.
Ich habe schon anderswo erwähnt, dass ich darauf noch näher eingehen werde. Ansonsten kommt die Handlung bei Dante, die du erwähnst, dem ganzen noch am nächsten (nochmals: wenn Du Dich mit Archetypen befasst, endest Du bei ähnlichen Zügen, das liegt in der Natur der Dinge). Es war Orpheus, der in die Unterwelt ging um seine Frau zu retten und sie dadurch verlor, der in meinem Hinterkopf herumspukte, als ich diesen Teil der Geschichte grob entworfen habe. (Du kannst du auch Christus' Versuchung durch den Teufel und seinen Gang in die Wildnis heranführen, wenn du willst.) Das bringt mir jetzt sicher eine Menge Ärger ein, aber… auf der einen Seite bin ich entzückt und beeindruckt, aus welcher breiten Palette heraus die meisten SF-Fans analysieren und mit wieviel Verständnis sie diese Linie dann vertreten. Die andere Seite dieser Diskussionen… für einen ziemlichen Prozentsatz von ihnen bezieht sich ebendiese Palette hauptsächlich auf SF und die bekanntere Fantasy. Die Basis, auf die man sich bei solchen Vergleichen bezieht, wird nicht immer breit genug gefächert: Mythologie, mittelalterliche Studien und so weiter. Sehen sie einen in eine Grube fallen, denken sie: "Oh, Gandalf." ohne zu verstehen, dass das Ganze bis auf Orpheus und seine verwandten Seelen zurückgeht.
Ich bekam eine Kopie einer Nachricht von jemandem, der in einer anderen Newsgroup geschrieben hatte, das alles in der Serie auf Elfen und Tolkien beruhe, einschließlich und insbesondere alle Namen, besonders Agamemnon hätte diese oder jene elfenhafte Bedeutung im HdR. Die Symbolik liegt doch GANZ KLAR im Namen: Agamemnon und die ganze unglückselige Geschichte dieser Figur und seiner Frau, Cassandra (deren Charakter im Grunde G'Kars Charakter ist) und trotzdem behauptet sie: "Nein, nein, das ist ein Hinweis, das meint das hier." Ich bin selbst SF-Fan, daher sage ich das obige ohne Klischees oder Vorverurteilung. Aber genau so, wie ich SF lese, habe ich den Großteil meiner Anfangszeit als Erwachsener damit verbracht, Klassiker zu lesen. Goethes FAUST beeinflusste Londo in vieler Hinsicht, ebenso die Geschichte Roms und Hegels Bemerkungen über die Rolle des Konflikts und die heilige Rolle des Imperators. Du sprichst mit jemandem, der nur so zum Spaß Plotinus' "Die Aenneaden" gelesen hat und dessen Lieblingscharakter Zeno und sein Paradoxon ist. Willst du über Platos Perfekte Formen reden? Die sokratische Lehrmethode? Den Einfluss der Struktur der griechischen Tragödie auf Ödipus? Sophokles' Gesamtwerk? Die Bibel? Das Teil habe ich zweimal von vorn bis hinten gelesen. Jeder in diesem Raum, der das auch getan hat, kann sich melden und mir sagen, dass er nicht auf halbem Wege durch Numeri und Deuteronomium eingeschlafen ist. Das sind die zwei langweiligsten Bücher in dem ganzen blöden Teil.
Es gab eine Phase in meinem Leben – so zwischen 1976 und 1981 – da habe ich alles, was ich auf diesen Gebieten finden konnte, verschlungen. Mythologie. Existentialismus. Zen. Literatur des 18. Jahrhunderts. Ich habe Teilzeitjobs in Bibliotheken angenommen, um an möglichst viele, besonders neue, Bücher aus meinen Interessengebieten heranzukommen. Eine Menge Details sind mit der Zeit verwaschen worden, aber die Quintessenz ist hängen geblieben. Ich kann mich noch erinnern, wie begeistert ich war, als nagelneue Übersetzungen des Infernos, des Purgatario und des Paradisio herauskamen (von Penguin, glaube ich), die das alles wieder zurück in die korrekte lyrische Form brachten. Und ich habe sie verschlungen, jeden Tag eins und dann noch mal von vorne mit Hilfe der Fußnoten und Randbemerkungen. Während der ganzen Zeit wusste ich nicht, dass ich mich eigentlich darauf vorbereitet habe, diese Serie zu schreiben. Das konnte ich nämlich nur mit einem allgemeinem Hintergrund, aus vielen Gebieten ein wenig zu kennen… meist gerade genug, um sich damit Probleme aufzuhalsen. Aber dort kommen die Grundlagen her.
Lustige Geschichte… vor ungefähr zwei, drei Wochen bekam ich eine E-Mail von einer Frau, die Professor der mittelalterlichen Geschichte an einer großen Universität ist. Sie wurde von ihren Absolventen darauf gebracht, sich die Show anzusehen und ist jetzt ein großer Fan der Serie. Sie sagte, sie wäre beim Sehen ständig über irgendwelche Bezüge in mittelalterlicher und klassischer Literatur, Mythologie und anderen vergrabenen Quellen "gestolpert". Es hat ihr viel Freude gemacht, wie diese auf einem zeitgenössischen oder futuristischen Schauplatz umgesetzt werden. Egal, wie ich schon immer über diese Serie gesagt habe… du musst als Paradigma das nehmen, womit Du am meisten vertraut bist. Manchmal ist das toll und manchmal ein Fluch. Aber das wichtigste ist, ich habe gar nicht an HdR gedacht…. ich habe an Orpheus' Gang in die Unterwelt gedacht, das klassische Bild des Hinabsteigens in die Hölle um sich selbst, oder etwas anderes zu finden…. es stört mich einfach, wenn manche glauben zu wissen, was in meinem Kopf vorging, als ich etwas geschrieben habe und das dann für gegeben nehmen und von mir Erklärungen wollen oder so tun, als wäre es so, wo es das nicht ist.
Über die Schlussszene, wo sich Sheridan an Delenn erinnert:
Während der Sitzung, wo ich entscheide, wo Musik ein- und ausgeblendet wird, war für die Endszene meine wichtigste Notiz an Chris: "Brich uns das Herz." Er tat es.
Über die Aufnahme von Sheridan, als er die Grube sieht: "Wurde die Szene für WHtMG nochmal gedreht? Ich müsste es vergleichen, aber ich denke, in Z. wäre mir das hoffnungsvolle Lächeln aufgefallen. Unter den damaligen Umständen, wäre nicht ganz stimmig gewesen."
Es ist exakt dasselbe Material, Bild für Bild. Nur Deine Perspektive hat sich geändert. Sowas wie Schrödingers TV Show.
Hatte Londo keine Angst, das G'Kars Zelle abgehört wurde?
Ich ging davon aus, dass Londo die Wachen bestochen hätte, die Wanzen abzuschalten. Außerdem: es macht Sinn, das Quartier eines Politikers abzuhören… aber eine Zelle, wo nur einer alleine sitzt, der theoretisch keine Verbündeten hat, mit denen er eine Verschwörung planen könnte… das hätte wahrscheinlich eine geringe Priorität.
Gab es einen Grund, dass der Gedankenpolizist die gleiche Statur wie Bester hatte und eine undurchsichtige Maske trug?
Wer würde denn sowas tun?
Quelle: Der deutsche Lurker’s Guide für Babylon 5
Zusammengestellt und überarbeitet von Christian Siegel
(Bilder © Warner Bros.)
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