Originaltitel: The Face of the Enemy
Episodennummer: 4x17
Bewertung:
Erstausstrahlung USA: 09. Juni 1997
Erstausstrahlung D: 12. September 1998
Drehbuch: J. Michael Straczynski
Regie: Mike Vejar
Hauptdarsteller: Bruce Boxleitner als Captain John Sheridan, Claudia Christian als Commander Susan Ivanova, Jerry Doyle als Security Chief Michael Garibaldi, Mira Furlan als Delenn, Richard Biggs als Doctor Stephen Franklin, Bill Mumy als Lennier, Stephen Furst als Vir Cotto, Jason Carter als Marcus Cole, Jeff Conaway als Zack Allan, Patricia Tallman als Lyta Alexander, Peter Jurasik als Londo, Andreas Katsulas als G'Kar.
Gastdarsteller:
Walter Koenig als Alfred Bester,
Efrem Zimbalist Jr. als William Edgars,
Denise Gentile als Lise Hampton,
Mark Schneider als Wade,
Marjorie Monaghan als Number One,
Richart Gant als Captain MacDougan,
Diana Morgan als Alison Higgins,
David Purdham als Captain James,
Ricco Ross als Captain Frank,
Harlan Ellison als Psi Cop u.a.
Kurzinhalt:
Dr. Franklin und Lyta treffen zusammen mit ihrer Fracht auf dem Mars ein. Nummer Eins, die Anführerin der Widerstandsbewegung, ist über den Inhalt der Fracht allerdings alles andere als begeistert – handelt es sich doch um mehrere der von den Schatten modifizierten Telepathen, die in Sheridans Plan zum Sieg über Präsident Clark und den ihm loyalen Teil der Erdstreitkräfte wohl eine entscheidende Rolle spielen sollen. Noch beunruhigter ist sie jedoch, als sie erfährt, dass auch Lyta eine Telepathin ist – denn nach einigen Überfüllen auf Mitglieder der Widerstandsbewegung durch die Bluthund-Einheiten des Psi-Corps ist der Mars-Widerstand diesen gegenüber alles andere aus freundlich eingestellt. Währenddessen bereitet Michael Garibaldi alles für die Falle vor, mit der man Captain Sheridan zum Mars locken will. Mit Hilfe seiner Informationen wird Sheridans Vater gefangen genommen, woraufhin er mit John Sheridan Kontakt aufnimmt und behauptet, ihn mit Sheridans Hilfe befreien zu wollen, ehe man ihn aus dem Gefangenenlager auf dem Mars schafft. Obwohl Sheridans Vertrauen in Garibaldi zuletzt schwer abgenommen hat, kann sich dieser nicht vorstellen, dass er ihn tatsächlich verraten könnte, und schluckt den Köder. Als er sich in einer Bar auf dem Mars mit Garibaldi trifft, schnappt die Falle zu…
Denkwürdige Zitate:
"Somewhere on Beta colony there is an institution. In one room of that institution is a man who spends his days and nights screaming at things only he can see. Things we planted in his mind."
(Das ist ja wirklich mal eine Horrorvorstellung.)
"What do you want me to do?"
"You've already done it."
(Garibaldi, kurz bevor er Sheridan außer Gefecht setzt.)
"I can feel you, you know… the real you, beating at the inside of your skull, screaming to get out, to know what's going on."
(Bester, als er Garibaldi die Wahrheit über seine Umprogrammierung anvertraut.)
Review:
Ladies und Gentlemen, es ist soweit: Wir sind nun bei der Besprechung von "Babylon 5" beim meines Erachtens besten bzw. stärksten Lauf der Serie – und damit einer ihrer absoluten Sternstunden – angekommen. Natürlich war auch das letzte Drittel der vierten Staffel sehr stark, jedoch gab es dort zwischendurch auch immer wieder ein paar Folgen, die nicht ganz so packend waren, und wo was den Handlungsrahmen betrifft auch wieder kurzfristig ein bisschen auf die Bremse gestiegen wurde (*hust*"Das Rästel von Grau 17"*hust*). Nicht so hier. Denn nun geht es Schlag auf Schlag, folgt eine diskussionslose Höchstwertung die nächste, und das über vier Folgen hinweg (die sich bei der DVD-Auswertung just auf der gleichen Scheibe befinden, weshalb ich diesen Lauf auch gerne als die beste DVD der Serie bezeichne). Den Anfang macht dabei "Homo Superior", eine Episode, die mich damals bei der Erstsichtung ähnlich geplättet hat wie das Finale der dritten Staffel – was natürlich insbesondere an der Wendung rund um Garibaldis Verrat an Sheridan liegt. Jedenfalls war ich alles andere als überrascht, als ich Jahre später erfuhr, dass "Homo Superior" ursprünglich als Finale der vierten Staffel geplant war (wenn JMS nicht gedacht hätte, dass es kein fünftes Jahr mehr geben wird) – denn die Episode wirkt tatsächlich mehr wie ein Finale denn wie eine "gewöhnliche" Folge.
"Homo Superior" ist eine Episode mit vielen dramatischen Wendungen und Höhepunkten, doch so großartig alles drumherum auch ist, für mich sticht dabei nach wie vor in erster Linie Garibaldis Verrat hervor, der mich bei der Erstsichtung trotz aller Anzeichen die darauf hindeuteten dennoch eiskalt erwischt hatte. Bis zuletzt hatte ich gehofft, Garibaldi würde Edgars anlügen, oder aber er würde es sich wenigstens in letzter Sekunde doch noch anders überlegen und zur Vernunft kommen. So angespannt die Lage zwischen den beiden zuletzt auch gewesen sein mag, dass er ihn tatsächlich an Clark verraten würde, konnte und wollte ich einfach nicht glauben. Und wenn, so rechnete ich zumindest damit, dass es Sheridan doch noch irgendwie gelingen würde, zu entkommen. Nie im Leben hätte ich jedoch damit gerechnet, dass Garibaldi es tatsächlich durchzieht, und es ihnen doch tatsächlich gelingt, Sheridan gefangen zu nehmen. Und selbst heute lässt mich die Tragweite dieses Verrats immer noch nicht kalt. Dies ist für mich letztendlich wohl auch einer der Gründe, warum diese Szene für mich auch heute noch so hervorsticht: Es ist einfach etwas anderes, wenn eine Figur die wir ja trotz allem immer noch mögen – oder zumindest mögen wollen – eine andere verrät. Hier schwingen einfach für mich immer noch wahnsinnige Emotionen mit. Was diese Szene dann schließlich perfekt macht, ist Mike Vejars unglaubliche Inszenierung. Sheridans Gefangennahme ist für mich – mit weitem Abstand – die am besten inszenierte Szene der Serie. Die eingestreuten Zeitlupen bzw. generell das Spiel mit der Abspulgeschwindigkeit. Das blinkende Licht. Die immer wieder eingestreuten, den Fluss der Szene so hart wie Faustschläge unterbrechenden Standbilder, welche die Brutalität des Moments unterstreichen. Das Lied im Hintergrund. Wahnsinn! Selbst wenn ich nur darüber nachdenke, bekomme ich schon wieder eine Gänsehaut (und das bei 35°!)
"Homo Superior" besteht aber natürlich nicht nur aus dieser Szene. Generell kommt es zu vielen dramatischen Entwicklungen und interessanten Offenbarungen. So erfahren wir hier zum Beispiel – so wie Garibaldi – die Tragweite von William Edgars Plan, mit dem er das Telepathen-Problem in den Griff bekommen will. So sehr er mit seiner Aussage, dass das Psi-Corps mittlerweile dank Präsident Clark über zu viel Macht verfügt, auch recht haben mag, und man mit seinen Zielen durchaus zustimmen mag – mit seinen Methoden werden das wohl hoffentlich nur die wenigsten. So erfahren wir hier, dass er nicht nur – wie bereits bekannt – an einem Heilmittel für die genetische Krankheit, die nur Telepathen befällt, gearbeitet hat, sondern zuvor auch den entsprechenden Virus entwickeln ließ. Binnen weniger Tage will er diesen auf alle Telepathen loslassen, um sie so – wenn sie regelmäßig auf Injektionen seiner Medizin angewiesen sind – kontrollieren zu können. Zugegeben, diese Offenbarung war nicht ganz so schockierend wie Garibaldis Verrat oder dann die nachfolgende Szene im Schwebe-Shuttle. Insofern verliert sie doch die unglückliche Platzierung ein wenig an Wirkung. Dennoch gefällt mir, dass wir hier wieder einmal Antworten auf schon länger gehegte Fragen erhalten – und auch, dass man Edgars anmerkt, wie schwer all dies auf seinen Schultern lastet, womit man wieder einmal eine klassische Schwarz/Weiß-Zeichnung vermeidet, sowie dem Leitspruch frönt, dass ein Monster nie ein Monster im Spiegel sieht.
Die zweite Schlüsselstelle der Episode, nach Sheridans Gefangennahme, ist dann aber natürlich das Gespräch zwischen Bester und Garibaldi – oder, besser gesagt, Besters Monolog, immerhin sitzt Garibaldi ja nur regungslos da. Hier erhalten wir nun ebenfalls endlich eine – ausführliche – Antwort auf die Frage, was genau mit Garibaldi eigentlich los ist. Zwar ist dies zugegebenermaßen eher eine Bestätigung als eine völlig überraschende, schockierende Wendung, die aus dem Nichts kommt. Zudem mag der eine oder andere die Länge der Szene bemängeln, bzw. generell die Ausführlichkeit, mit der die ganze Sache aufgerollt wird – wo neben einigen interessanten neuen, noch unbekannten Flashbacks auch einige Szenen aus früheren Folgen nochmal rekapituliert werden. Ich erinnere mich allerdings noch daran, wie mich diese Szene damals bei der Erstsichtung faszinierte und völlig in Beschlag nahm. Und selbst heute finde ich sie – in erster Linie dank Walter Koenigs großartiger Leistung (diese Szene ist wohl seine absolute Sternstunde innerhalb der Serie) sowie der perfiden Offenbarung, wie mit Garibaldi hier gespielt und dieser manipuliert wurde – ehe er selbst seinen guten Freund Sheridan verriet – und wie dieser nur still dasitzen, zu hören und sonst nichts tun kann, nach wie vor phantastisch. Besonders gut gefällt mir dabei auch, dass er nicht völlig umprogrammiert wurde, sondern sich Bester lediglich bestimmte Charaktereigenschaften von ihm – seine Paranoia, seine Skepsis gegenüber Autorität – zu Nutze gemacht hat. Hätte er einfach seine Persönlichkeit überschrieben, wäre es wohl auch für Garibaldi leichter, sich keine Vorwürfe zu machen. Aber so ist ja doch ein bestimmter Teil von ihm für das, was passiert ist, verantwortlich – weshalb er am Ende nichts weiter tun kann, als seinen Frust hinauszuschreien. Und angesichts dieser Demonstration der Macht von Telepathen (und Lytas Geschichte zuvor) ertappt man sich als Zuschauer beim erschreckenden Gedanken, ob Edgars nicht vielleicht doch Recht hatte. Der wunderbare Abschluss, mit Garibaldis Rückkehr zu Edgars Anwesen, der Nachrichtenmeldung von ISN (wo man natürlich den Widerstand für Edgars Mord verantwortlich macht), sowie der das Kommando über die Flotte übernehmenden Ivanova, schließen die Episode dann auf perfekte Art und Weise ab.
Fazit:
Nach dem Ende des Schattenkrieges schaltete "Babylon 5" ja wieder einen Gang zurück. "Die Befreiung von Proxima 3" bot dann wieder ein erstes Highlight rund um den Erd-Bürgerkrieg, und mit "Homo Superior" beginnt nun der meines Erachtens stärkste und beste Lauf, den die Serie je hatte – beschert man uns hier doch nun vier diskussionslose Höchstwertungen in Folge. "Homo Superior" verdankt eben diese in erster Linie der erschreckenden Wendung rund um Garibaldis Verrat. Natürlich hatte es sich zuletzt abgezeichnet, aber egal ob man nun so wie ich bei der Erstsichtung hoffte, er würde doch noch zur Vernunft kommen, oder aber eben schon ahnt bzw. weiß, was passieren wird, mitreißend ist die Szene auf alle Fälle. Zumal sich Mike Vejar bei der Inszenierung von Sheridans Gefangennahme selbst übertroffen hat, und die inszenatorisch mit Abstand beste Szene der gesamten Serie präsentiert. "Homo Superior" lebt aber nicht von dieser einzelnen – wenn auch eindeutig hervorstechenden – Szene allein, sondern bietet zudem auch wieder einige Antworten auf offene Fragen, wobei die Offenbarung rund um Edgars Plan von jener rund um Bester und die Art und Weise, wie er Garibaldi benutzt hat, noch einmal weit in den Schatten gestellt wird. Dies ist auch wieder eine jener, wunderbaren Szenen, wo genau genommen nichts weiter passiert als dass sich zwei Personen miteinander unterhalten – oder genauer gesagt, eine einen Monolog hält – und doch finde ich es mindestens genauso packend wie die spannendste Raumschlacht. Der fiese Cliffhanger rund um den gefangenen Sheridan sowie die eine oder andere weitere starke Szene zwischendurch (wie Lytas Erzählung über ihre Erfahrungen bei den Psi-Cops) machen die Sternstunde dann schließlich perfekt.
Wertung: 5 von 5 Punkten
Christian Siegel
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Vom Skript zur Folge:
Ich konnte bei "Homo Superior" keine erwähnenswerten Unterschiede ausmachen.
Quelle: "Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 10"
Stimmen zur Episode:
Bruce Boxleitner über Sheridans Gefangennahme: „Wir drehten es parallel zum Lied. Mike [Vejar] brachte eine Kassette mit. Er sah das als ein Lied, und es war eine sehr intensive Angelegenheit. Es gab diesen langsamen Aufbau, bis die Betäubungsmittel einsetzten, und dann wandelte es sich zu Heavy Metal. Wir drehten auch mit Stroboskop-Lichtern und Standbildern. Ich fand diesen Ansatz sehr interessant, Standbilder neben der Geschwindigkeit der restlichen Szene einzubauen. Es wirkte holprig und brutal, dabei sah man aber nie wirklich Blut und solche Sachen, die Gewalt wird nur angedeutet.”
Jerry Doyle über Garibaldis Reaktion in der Bar: „Im Wissen wie wichtig mein Vater in meinem Leben war ehe er starb… Sheridans Vater als den Köder zu verwenden um ihn zur Strecke zu bringen, und auf diese Weise einen Freund zu verraten… hier reagiert der Darsteller genau so wie die Figur. Kein Schauspiel erforderlich. Du musst einfach nur darüber nachdenken… ich erinnere mich daran, wie ich dort saß und sah was passierte, und du willst einfach nur sagen "Aufhören", du willst rausgehen und all den Kerlen die ihn schlagen die Seele aus dem Leib prügeln, aber du kannst nicht. Ich denke "Was habe ich getan?" Es gibt nichts, dass ich jetzt noch tun kann, und ich bin von mir selbst angewidert. Und dann noch dabei zusehen zu müssen, wie er auf dem Boden landet, und die Kamera sich auf mich zubewegte… ich saß einfach da und fühlte mich innerlich tot. Die Person von der ich dachte, dass ich sie war, die Dinge von denen ich dachte an sie zu glauben, die Freundschaften von denen ich dachte dass ich sie hatte… wenn nichts von all dem wahr war, dann bin ich nicht wirklich da. Ich versuchte also einfach, wie ein Hai mit den Augen zu rollen, mich selbst zu betrachten und zu mir zu sagen "Jetzt sitze ich wirklich tief drin. Ich bin zwar da wo ich sein wollte, mit demjenigen mit dem ich dort sein wollte [Edgars], und wo ich mit ihm sein wollte", und auf der anderen Seite sagte ich mir zugleich "Ich habe etwas sehr, sehr falsches getan."”
Mike Vejar über die Dreharbeiten zur Szene in der Bar: „Die Szene sah in meinem Kopf ziemlich genau so aus wie wir sie dann drehten, mit den Stroboskop-Lichtern und der Visualisierung der Betäubung. Ich versuchte, die Stroboskop-Lichter nicht einfach nur als Effekt im Hintergrund einzusehen, sondern vielmehr zunehmend zu diesen überzugehen und die Dramatik des Ereignisses durch sie verstärken zu lassen. Wir veränderten auch die Geschwindigkeit der Kamera von normal zu hoch und wieder zurück, um ein betäubtes Gefühl zu erzeugen und spürbar zu machen, wie Sheridan es erlebte als er in diesem Zustand angegriffen wurde. Ich nahm mir zudem die Beschreibung aus dem Drehbuch zu Herzen, die die Szene damit verglich, dass ein verletzter Löwe von einer Gruppe Hyänen überwältigt wird. Joe beschrieb es nicht wie eine klassische Kneipenschlägerei, wo einer den anderen prügelte, sondern vielmehr einen Kampf wo er einfach nur versuchte zu entkommen, er jedoch in der Unterzahl war und schließlich überwältigt wurde.”
Jerry Doyle über die Szene im Shuttle: „Walter machte hier einen wundervollen Job. Er musste sich den ganzen Tag den Arsch abarbeiten. Er hatte in der Szene ein paar wirklich gute Übergänge; von böse über gut bis hin zu makaber. Und das schwerste dabei war, einfach nur dazusitzen und überhaupt nicht darauf zu reagieren, da ich eine Art Roboter sein sollte. Ich fand zudem, dass auch die Kameraleute einen sehr guten Job bei dieser Szene gemacht haben. Immerhin mussten sie ganz nah an mein Auge heranfahren. Es sieht zwar für den Zuschauer wie eine ganz einfache Einstellung aus, aber es ist in Wahrheit ungemein kompliziert. Sie verwendeten eine spezielle Linse, mit einem ungemein komplizierten Fokus-Drehknopf darauf, und sie begannen ganz nah an meinem Auge und fuhren dann weg, da sie Angst hatten dass sie, wenn sie es umgekehrt machen, ein bisschen zu weit fahren und mein Auge treffen könnten. Autsch! Als sie die Filmaufnahmen dann umdrehten, fand ich dass es sehr dramatisch aussah. Ich erinnere mich zudem noch daran, wie technisch die Dreharbeiten waren, weil auf so beengtem Raum gedreht wurde, und sie zuerst Walter aufnehmen mussten und dann die Gegenaufnahmen, und die ganzen Stroboskop-Lichter. Das wurde alles von Hand gemacht. Wir hatten Leute die auf dem Boden saßen und Flaggen durch Lichter durchschwenkten um den Stroboskop-Effekt zu simulieren, und die Leute konnten sich natürlich denjenigen auf der anderen Seite des Shuttlewagens nicht sehen, weshalb sie es genau timen mussten. Es steckte an diesem Tag viel Arbeit drin, damit alles so klappte wie es das sollte.”
Quelle: "Babylon 5: Season by Season-Guides - Volume 4: No Surrender, No Retreat"
Kommentare von JMS
Ab und an schreibe ich ein Drehbuch wo du wirklich das Gefühl bekommst dass die Serie unkontrolliert den Highway entlangfährt, ohne Bremsen und mit niemandem am Steuer. Wo du das Gefühl bekommst, dass alles passieren kann. Dies war für mich eine solche Episode. Und wenn ihr die vorangegangenen Bücher gelesen habt, dann wisst ihr, dass das genau jenes Gefühl ist dass ich versuche in jedem Staffelfinale zu vermitteln. Was genau das ist, was diese Episode ursprünglich hätte sein sollen. Wenn wir nicht den Befehl erhalten hätten, die Geschichte in Jahr Vier abzuschließen, hätten wir den Minbari-Krieg und den Erd-Bürgerkrieg erweitert, und Staffel vier mit Sheridans Gefangennahme in "Homo Superior" beendet. Wenn du zurückblickst und dir die Struktur dessen ansiehst, was folgt, hätte die nachfolgende Episode, "Das Verhör", sogar noch besser funktioniert wenn sowohl die Zuschauer als auch die Figuren gewusst hätten dass nicht nur Tage, sondern Wochen vergangen sind, seitdem Sheridan gefangengenommen wurde. Mit "Das Verhör" in die neue Staffel zu starten hätte somit den Eindruck verstärkt, dass sie ihn eine ganze Weile gefoltert haben. Das ist ein weiterer jener Punkte, wo man die Nähte in der Geschichte erkennen kann. Nicht falsch verstehen, es ist eine starke Episode, aber als Cliffhanger wäre sie sogar noch besser gewesen.
Ich hatte das ganze Jahr darauf gewartet diese Episode zu schreiben und zu drehen. Ich wusste, dass sie ein Hammer werden würde. Wir mussten bei dieser Folge einen Volltreffer landen, und als ich das Drehbuch abschloss, wusste ich dass ich dieses Ziel in Bezug auf die Worte erreicht hatte. Jetzt käme es nur noch auf die visuelle Umsetzung an. Aus diesem Grund stellte ich sicher dass als Mike Vejar in unsere Regie-Rotation aufgenommen wurde, er und nur er dieses Drehbuch anfassen würde. Nicht dass unsere andere Regisseure nicht ebenfalls hervorragend waren, versteht mich nicht falsch. Aber wie ich früher schon erwähnt habe, waren Mike und ich fast telepathisch wenn es darum ging, wie eine bestimmte Episode auf dem Schirm aussehen sollte. Von allen die in der Regie-Rotation drinsteckten, war Mike mein Glücksbringer; ich wusste dass wenn die Episode fertig war, dass was er auf den Schirm brachte fast vollständig dem entsprechen würde, dass ich in meinem Kopf gesehen hatte als ich sie schrieb, allerdings mit mehr Stil und Schwung. Es bestand daher gar kein Zweifel dass Mike derjenige sein würde, der diese Episode inszeniert. Mike hatte mein vollstes Vertrauen. Ich erwähne das damit ihr das was nun kommt besser versteht.
Wenn du eine Serie wie diese drehst, musst du in etwa fünf bis sieben Seiten pro Tag drehen. Anders ausgedrückt, sind das zweieinhalb bis dreieinhalb Seiten jeden Halbtag. Wir mussten uns voll und ganz auf unsere Regisseure verlassen, dass sie diese Seitenzahl einhielten, denn wenn nicht, wenn sie ins Hintertreffen gerieten, dann würden dich entweder heftige Mehrkosten für Überstunden erwarten, oder, noch schlimmer, man würde einen zusätzlichen Tag an den Drehplan anhängen müssen. Den Kostenfaktor eines solchen achten Tages einmal ganz außer Acht gelassen, standen uns unsere Regisseure, und manchmal auch Gaststars, nur von einem spezifischen Tag auf den nächsten zur Verfügung; falls sich alles nur um einen Tag nach hinten verschob, konnten wir vielleicht jemand Essentielles in der letzten Minuten verlieren. Unter diesem Gesichtspunkt werdet ihr nun also meinen Horror verstehen, als ich wie ich um 3 Uhr nachmittags zum Set zurückkam, nachdem ich den Tag im Schneideraum verbracht habe, von Mike darüber informiert wurde dass er bis zu diesem Zeitpunkt erst eine Szene gedreht hatte. Genauer gesagt, den Teil einer Szene, der gerade einmal eine halbe Seite umfasste. Hierbei handelte es sich um die Szene, in der mehrere Schläger Sheridan in der Bar überwältigen, dass ich damit beschrieb, dass ein Rudel von Hyänen einen Löwen angreift.
Ich ging also auf unser A-Set um in Erfahrung zu bringen was zur Hölle hier los war, nur um die Bühne mit der Bar völlig ramponiert vorzufinden, die Wände teilweise von Ruß eines absichtlich explodierten Lichts geschwärzt, Trümmer überall, und in der Mitte Mike, der von einem Ohr zum anderen grinste. Ehe ich ihn überhaupt fragen konnte was passiert war, sagte er "Vertrau mir. Vertrau mir einfach. Wir werden die Stunden später im Drehplan wieder hereinholen, ich hab's im Griff, es wird keine Überstunden geben." "Ja, aber…" "Du wirst lieben, was du siehst. Tu mir nur einen Gefallen, sieh dir die Arbeitskopie nicht an, warte bis die Szene fertig geschnitten ist." "Ja, aber…" "Joe, vertrau mir." Ich atmete also tief durch, watschelte in mein Büro zurück, hielt mein Versprechen mir am nächsten Tag die Arbeitskopie nicht anzusehen, und wartete weitere 24 Stunden darauf, dass die geschnittene Szene bei mir eintraf.
Wenn ihr dieses Buch lest, dann wohl deshalb, da ihr mit der Serie vertraut seid. Ihr wisst also, über welche Szene ich spreche, und kennt auch die schiere, rohe Kraft dieser Sequenz. Als ich sie zum ersten Mal zusammengeschnitten sah, war ich so perplex, so verblüfft, dass ich in den Gang rauslief, mir jeden der in Reichweite war schnappte und sagte "Kommt hier rein, schnell, das müsst ihr euch ansehen." Am nächsten Tag brachte ich es in unser großes Produktionsmeeting für die nächste Episode, um allen in der Crew zu zeigen was sie nur wenigen Tage zuvor zustandegebracht hatten. Die Gruppe war danach wie elektrifiziert. Bis zu diesem Tag ist sie eine meiner Top 5 Szenen der gesamten fünf Jahre von B5. Was der Grund dafür ist, dass ich, wenn Mike mir sagt "Vertrau mir"… ich genau das tue.
Eine der Freuden dabei, eine Serie zu produzieren ist es, wenn du von einem Mitglied der Besetzung oder einer Figur, die sogar nochmal besser rüberkommt als erwartet, überrascht wirst. Dies war der Fall mit Wade, der ursprünglich als ziemlich unscheinbare Person geschrieben war, der für William Edgar arbeitete. Ein weiterer Schlägertyp in einer Serie, die bereits Dutzende davon gesehen hatte. Aber der Schauspieler brachte eine Intelligenz und eine Sensibilität in die Rolle ein, die dazu führten, dass die Figur nicht nur einmal, sondern mehrmals wieder zurückkehrte. Und jedes Mal fügte ich seiner Persönlichkeit neue Facetten hinzu, und jedes Mal gelang es dem Schauspieler diese neuen Elemente zu verinnerlichen. Als ich Wade das erste Mal vorstellte, hätte ich mir nicht vorstellen können dass er ausführlich über Literatur sinnieren könnte, über "Konstrukte der Sprache, des Lichts und der Metapher". Aber mit der Zeit wurde er genau das, und ich war freudig überrascht, wie gut es ihm gelang, dies zu verkörpern. Und dann, natürlich, tötete ich ihn. Ihr habt keine Ahnung wie oft Leute mir deshalb Kummer bereiten. "Du hattest so eine tolle Figur in dieser-und-jener, wieso musstest du ihn töten? Du tötest all deine besten Figuren!" Ich denke, ich bin im tiefsten Innern meines Herzens halt einfach ein feinseliger Kerl. Und jetzt lasst mich in Ruhe.
Euch wird auffallen, dass das Drehbuch auf Nummer Eins als Mann referenziert. Wie zuvor erwähnt, hatten wir immer offene Castings für alle Rollen die für Gaststars auf B5 offen waren. Diese hier war keine Ausnahme. Ich hatte sie mit einem Mann im Hinterkopf geschrieben, aber als Marjorie Monahan hereinkam und genau jene Stärke ausstrahlte, die die Rolle benötigte, bekam sie den Job… und öffnete dadurch einen neuen Handlungsfaden für Stephen, als sie begannen, miteinander romantisch involviert zu sein. Dass am Dialog der Figur durch den Wechsel von einem Mann zu einer Frau nichts geändert wurde geht auf mein Empfinden zurück, dass eine starke Figur einfach eine starke Figur ist, punkt. Es gibt keinen Grund sie, in dieser Rolle, mit dieser Verantwortung, anders zu schreiben, nur weil sie ein anderes Chromosomenpaar hat. Euch wird zudem auffallen, dass Bester hier wieder einmal triumphiert, und ihn damit neuerlich als Kraft bestätigt, mit der zu rechnen ist. Walter liebte es, wenn Bester gewann, und man kann seiner Performance die schiere Freude darüber ansehen. Er wirkt fast außer sich vor Freude. Und das zu Recht.
Quelle: "Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 10"
Eines, was wir in der späteren Hälfte der vierten Staffel gemacht haben, ist etwas mehr zu experimentieren, andere Dinge auszuprobieren. Ich habe das Gefühl, dass wir uns anstrengen sollten um visuell etwas neues auszuprobieren, die Art von visuellen Techniken, die man nicht oft in SF-Fernsehproduktionen sieht, die in dieser Hinsicht ja meistens ziemlich prosaisch sind. Das gleiche gilt für die Drehbücher - Dinge ausprobieren, die entweder Erfolg haben oder versagen, aber auf jeden Fall lernt man etwas dabei. Auf ihre Art ist auch die nächste Episode ziemlich experimentell, aber auf eine ganz andere Art. Mike Vejar hat bei dieser Episode eindeutig großartige Arbeit geleistet.
Was war das für eine schimmernde Wand, bei der Sheridan auf der Brücke des Weißen Sterns stand?
Das waren die Autoreparatur-Systeme bei der Arbeit.
Es steckt eine gewisse Ironie darin, daß Sheridans Gefangennahme damit ihren Anfang nimmt, als er sein altes Schiff, die Agamemnon betritt. Agamemnon war der Oberkommandierende der griechischen Armee bei Troja, er überlebte den langen Krieg, aber er wurde verraten und von seiner Frau ermordet, als er heimkehrte. Er ist blind und arrogant in eine Falle getappt, genauso wie es Sheridan anscheinend tat.
Jepp… das ist einer der vielen Gründe, warum ich dieses Bild gewählt habe. Es schwingt auf einer MENGE Ebenen in der Story mit.
Ivanova sagte, sie zitiere Sheridan mit: "Die Person ist entbehrlich. Die Aufgabe ist es nicht." Tatsächlich sagte dies jedoch Sinclair in "Ranger Eins".
Wenn ich alles perfekt machen würde, wäre das nicht langweilig?
Quelle: Der deutsche Lurker’s Guide für Babylon 5
Zusammengestellt und überarbeitet von Christian Siegel
(Bilder © Warner Bros.)
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