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"SUNSHINE": Interview mit Dr. Alexander Warmuth, Teil 2 Drucken E-Mail
Autor: Martin Wenzel - Datum: Mittwoch, 09 Mai 2007
 
Das wissenschaftliche Interview
Alexander Warmuth
Alexander Warmuth
Wie in unserem "Sunshine"-Special angekündigt, folgt nun der 2. Teil des Exklusiv-Interviews mit Dr. Alexander Warmuth vom Astrophysikalischen Institut Potsdam. Diesmal geht Herr Warmuth beispielsweise genauer auf die wissenschaftlichen Fehler in Film- und TV-Produktionen ein, spricht über die Umsetzbarkeit einiger Ideen aus "Sunshine" und erläutert die Unterschiede zwischen Wissenschaft und Relgion. Eine Kurzbiografie zu unserem Interviewpartner findet ihr im 1. Teil des Interviews.



Von: Martin Wenzel, fictionBOX.

VORSICHT! Das Interview enthält leichte Spoiler zum Film "Sunshine"!

fictionBOX: Sie sprachen im 1. Teil des Interviews einige wissenschaftliche Fehler an, die Ihnen in "Sunshine" auffielen. Fallen Ihnen noch einige diese Fehler ein?

A. Warmuth: Bestes Beispiel ist die Schwerkraft: Während die Schwerelosigkeit bei Außenbordaktivitäten sehr überzeugend dargestellt wurde, herrschte im Schiff normale Schwerkraft. Diese ließe sich zwar durch eine Rotation der bewohnten Teile des Schiffs leicht simulieren, es war aber klar, dass die Wohnmodule des Schiffs nicht rotierten. Stattdessen rotierten - so weit ich mich erinnere - Antennenanlagen, was keinen Sinn ergibt. Hier hätte man leicht fachlich korrekt und optisch interessant sein können.

fictionBOX: Erinnern Sie sich, bei welchem Kinofilm Sie wegen der vielen wissenschaftlichen Logikfehler bisher am meisten mit dem Kopf schütteln mussten?

A. Warmuth: Den Vogel in der Hinsicht schießt sicher "Armageddon" ab. Es wäre müßig, alle Fehler aufzuzählen. Inzwischen glaube ich schon, das ist Absicht gewesen. Die Fehler sind teilweise so haarsträubend, dass der Film allein deshalb schon wieder sehenswert wird.

fictionBOX: Es gibt bestimmt viele Filme, bei denen eine wissenschaftliche Beratung notwendig ist. Auch "Sunshine" stand ein wissenschaftlicher Berater, der Experimentalwissenschaftler Dr. Brain Cox, zur Verfügung. Kam es schon vor, dass sich Filmemacher wegen ans Astrophysikalische Institut (oder an andere Ihnen bekannte Institute) wendeten, um sich dort entsprechend beraten zu lassen?

A. Warmuth: Für Spielfilme ist mir das nicht bekannt, aber für wissenschaftliche Dokumentarfilme war das schon öfter der Fall.

fictionBOX: Könnten Sie sich vorstellen, Ihre wissenschaftliche Arbeit auch verstärkt in der Medienwelt anzusiedeln, indem Sie z.B. beraten oder an Konzepten für wissenschaftliche Formate mitentwickeln?

fictionBOX: Welche wissenschaftlichen Formate im Fernsehen fallen Ihnen positiv auf? Welche halten Sie eher für fragwürdig?

A. Warmuth: Ich beobachte seit vielen Jahren, dass Wissenschaftsberichterstattung im Fernsehen immmer oberflächlicher wird. Immer die gleichen reißerischen Headlines und Computeranimationen. Nichts ist gegen eine kurzweilige und allgemeinverständliche Präsentation zu sagen, aber dann müssen wenigstens die Fakten stimmen. Derzeit sind selbst in allgemein gelobten öffentlich-rechtlichen Formaten immer wieder haarsträubende Fehler zu sehen, die jedem Studenten im 1. Semester auffallen würden.

fictionBOX: Nochmal zu den wissenschaftlichen Ideen von Sunshine: Das Raumschiff wird in dem Film von einer Art Biosphere, also einem Garten wie wir ihn von der Erde kennen, mit Sauerstoff und Nahrung versorgt. Gibt es bereits derartige Ideen in der Raumfahrt?

A. Warmuth: Ja, daran wird in Europa, den USA und Russland geforscht, vor allem mit Bezug auf eine mögliche bemannte Marsmission.

fictionBOX: Welche Vorteile würden in diesem Biospheren-Prinzip liegen?

A. Warmuth: Jedes Kilogramm, das in den Orbit geschossen wird, kostet ca. 10000 Euro. Daher wird eine Mission durch die aufgrund des Recyclings eingesparten Menge an Wasser, Sauerstoff und Nahrung beträchtlich verbilligt.

fictionBOX: Glauben Sie, dass es irgendwann soweit sein wird, dass die Menschen auch auf der Erde künstliche Ökosysteme (nach dem Prinzip einer Biosphere) anlegen, um sich darüber zu versorgen und grundlegend wichtige Prozesse wie die Sauerstoffproduktion aufrecht zu erhalten?

A. Warmuth: Prinzipiell sollte das mittelfristig möglich sein, nur erschließt sich mir der Sinn dahinter nicht. Ich kann mir keine Umweltkatastrophe vorstellen (abgesehen vom Einschlag eines wirklich großen Asteroiden), die solch gravierende Auswirkungen hätte, dass künstliche Ökosysteme notwendig werden sollten.

fictionBOX: Ich muss dabei direkt an die Idee des Lebens unter der Erde, wie man es in zahlreichen endzeitlichen Filmen (z.B. "12 Monkey") sieht, denken. Kann dieses Modell ein alternativer Lebensraum für Menschen sein?

A. Warmuth: Wie gesagt, möglich wäre es, aber ich sehe die Notwendigkeit nicht. Abgesehen davon, dass ein Leben unter Tage wohl nicht wirklich erstrebenswert wäre.

fictionBOX: Ein weiteres Highlight in Sunshine ist der hitzefeste Raumanzug, der immer wieder beeindruckend in Szene gesetzt wurde, so dass man sich im Publikum fast fühlen konnte als würde man selbst drinstecken... Kann man wirklich Materialien entwickeln, die so hitzebeständig sind? Fanden Sie die Darstellung des Anzuges gelungen?

A. Warmuth: Die Temperatur, die der Anzug aushalten muss, ist im Vakuum ja nur von der Menge des absorbierten Sonnenlichts abhängig. Reflektiert der Anzug das meiste Licht, dann sind die Temperaturen durchaus beherrschbar. Insofern waren die metallisch-goldenen Anzüge recht überzeugend.

fictionBOX: Die Wissenschaft ermöglicht also, vielerlei logische Fehler objektiv zu analysieren. Was halten Sie aber von der These, dass in unserer sich als modern und zivilisiert betrachtenden Welt Wissenschaft für viele Menschen auch zu einer Art Ersatzglaube geworden sein kann? Religion ist out, aber wer wissenschaftlich denkt (glaubt), ist gebildet und am Puls der Zeit. Im Grunde gibt es zu einigen Themen aber so viele wissenschaftliche Ansichten, dass man sich doch hier wie in der Religion einfach die aussuchen kann, der man sich persönlich am nächsten fühlt.

A. Warmuth: Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen Religion und Wissenschaft. Religiöse Ansichten und Lehrsätze müssen geglaubt werden, sie können nicht rational diskutiert werden, können grundsätzlich weder bewiesen noch widerlegt werden. Prinzipiell muss ich mich also unbeschränkt einer Autorität unterordnen.
Im Gegensatz dazu ist die fundamentalste Anforderung an eine wissenschaftliche Theorie, dass sie falsifizierbar, d. h. widerlegbar sein muss. Ich darf also keine Aussagen machen, die nicht wenigstens im Prinzip widerlegbar sind. Beispielswiese ist der Satz: "In meiner Garage ist ein unsichtbarer Drache, der hitzeloses Feuer spuckt!" keine wissenschaftliche Theorie, da ich ja den Wahrheitswert der Aussage nicht überprüfen kann.
Im Prinzip kann also jeder eine wissenschaftliche Theorie zu Fall bringen, vorausgesetzt, er kann entsprechende Beobachtungen vorweisen bzw. logische Fehler aufdecken. So wird verhindert, dass es in den Wissenschaften zum Enstehen von verknöcherten Autoritäten und nicht zu hinterfragenden Lehren kommt. Die Geschichte des fortschreitenden Erkenntnisgewinns des Wissenschaft hat gezeigt, wie gut dieses System funktioniert.

fictionBOX: Was halten Sie generell vom Zusammenhang Wissenschaft und Religion? In "Sunshine" wird dieses Thema ja vor allem zum Schluss hin auch miteinbezogen.

A. Warmuth: Wie oben ausgeführt sehe ich entscheidende Unterschiede zwischen Wissenschaft und Religion. Natürlich haben wir kein vollständiges Verständnis der Natur, deshalb prallen auch oft unterschiedliche Meinungen zusammen. Aber wir haben im Gegensatz zur Religion objektive Kriterien (wie z.B. die Falsifizierbarkeit), um zumindest die Theorien, die die Natur gut
beschreiben, von jenen zu trennen, die das weniger gut können.

fictionBOX: Nun zu Ihrer Arbeit am Astrophysikalischen Institut Potsdam: Erzählen Sie doch mehr über Ihr aktuelles Projekt "Das Reich der Sonne - Heimat der Menschheit".

A. Warmuth: 50 Jahre nach dem erfolgreichen Internationalen Geophysikalischen Jahr 1957 (damals wurde Sputnik, der erste künstliche Erdsatellit, gestartet) begehen wir 2007 das "Internationale Heliophysikalische Jahr". Dabei werden international koordienierte Untersuchungen durchgeführt, deren wissenschaftliches Ziel ein verbesssertes Verständnis der Sonne, der Heliosphäre und deren Wechselwirkungen mit unserer Erdumgebung ist. Wir Wissenschaftler in Deutschland unterstützen diese Initiative der Vereinten Nationen, in dem wir wissenschaftliche Kongresse organisieren und die Öffentlichkeit über das Internationale Heliophysikalische Jahr informieren.
Eine zentrale Aktivität ist die Organisation der Wanderausstellung "Das Reich der Sonne - Heimat der Menschheit", die in einer Reihe von Planetarien zu sehen sein wird: Sie bietet eine einzigartige Gelegenheit, die Weltraumforschung in Deutschland einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Das Besondere dieser Ausstellung ist nicht nur, dass sie von Fachwissenschaftlern entwickelt ist und u.a. zahlreiche Originalexponate enthält, sondern dass die Faszination der Weltraumforschung am Beispiel der Sonne und der Heliosphäre in interaktiver Weise vermittelt werden kann.

fictionBOX: Ich habe dazu bereits in Bochum einige Plakate gesehen. Derzeit machen Sie also Station im Planetarium Bochum. Von wann bis wann kann man das Programm dort bestaunen? Sind Sie selbst anwesend?

A. Warmuth: Im Zeiss-Planetarium Bochum läuft "Das Reich der Sonne - Heimat der Menschheit" vom 3.4 - 24.6. 2007 (Anm. der Redaktion: Die kompletten Tourdaten findet ihr am Ende des Interviews oder auf ihy2007.de ). Ich werde voraussichtlich bei den Terminen in Berlin mal dabeisein. Wahrscheinlich werde ich den einen oder anderen Vortrag anbieten.

fictionBOX: Können Sie uns genaueres über Ihren Werdegang und über Ihre Aufgaben im Institut erzählen? Was brachte Sie auf den "Pfad der Wissenschaft"?

A. Warmuth:
Ich habe an der Universität Graz Astronomie studiert. Eigentlich habe ich mich schon immer für den Weltraum interessiert, insofern war die Studienwahl für mich ziemlich klar. Nach der Promotion im Fach Sonnenphysik bin ich vor ca. fünf Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter ans Astrophysikalische Institut Potsdam gekommen. Hier arbeite ich in der Gruppe für Solare Radioastronomie, die sich mit der heißen äußeren Schicht der Sonnenatmosphäre, der Korona, beschäftigt.
Mein Schwerpunkt sind Strahlungsausbrüche auf der Sonne, die sogenannten Flares. Ziel dabei ist es, zu verstehen, wie diese Ausbrüche funktionieren, insbesondere, wie Flares es schaffen, Elektronen bis fast auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen. Dazu nutze ich Daten von unserem eigenen Radioobservatorium bei Potsdam sowie vom NASA-Röntgensatelliten RHESSI.

fictionBOX: Was waren die eindrücklichsten Ereignisse in Ihrer bisherigen Laufbahn als Wissenschaftler?

A. Warmuth: Während meiner Diplomarbeit haben wir am Sonnenobservatorium Kanzelhöhe in Österreich ein neues Instrument getestet. Am 2. Mai 1998 war schlechtes Wetter, so dass erstmal keine Beobachtungen möglich waren. Am Nachmittag klarte es kurz auf, und just als ich unsere Kameras wieder zum Laufen gebracht hatte, ereignete sich ein sehr großer Flare auf der Sonne. Ich konnte live zusehen. Später stellte sich heraus, dass es sich dabei um ein besonders interessantes Ereignis gehandelt hatte: man konnte eine Druckwelle sehen, die sich vom Flare ausgehend über die ganze Sonne ausbreitete. Diese Beobachtung war dann die Basis für meine erste Publikation in einer Fachzeitschrift.

fictionBOX: Herr Warmuth, ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit für dieses ausführliche Interview genommen haben!

A. Warmuth: Danke, es hat mir Spaß gemacht.




"Das Reich der Sonne - Heimat der Menschheit"
Tourdaten 2007 - 2009

3.4 - 24.6. 2007
Zeiss-Planetarium Bochum

1.7.-16.9.2007
Planetarium Mannheim

September - Oktober 2007
Planetarium Berlin (Wilhelm-Foerster-Sternwarte)

1.11.2007 - 7.1.2008
Mediendom Kiel

Januar-März 2008
Copernicus-Planetaium Nürnberg

April - Mai 2008
Zeiss-Planetarium Stuttgart

Mai - Juli 2008
Planetarium Halle

August - Oktober 2008
Planetarium Cottbus

November 2008 -Januar 2009
Zeiss-Gross-Planetarium Berlin

Frühling 2009
Planetarium Klagenfurt




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