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"SUNSHINE": Interview mit Dr. Alexander Warmuth, Teil 1 |
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Autor: Martin Wenzel - Datum:
Donnerstag, 12 April 2007
Das wissenschaftliche Interview
Alexander Warmuth Kurzbiografie Dr. Alexander Warmuth
Alexander Warmuth schloss sein Studium der Astronomie an der Karl-Franzens-Universität
Graz mit einer Doktorarbeit im Fach Sonnenphysik ab. Danach wechselte er an das
Astrophysikalische Institut Potsdam (AIP), wo er seit 2002 als wissenschaftlicher
Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe für Solare Radioastronomie beschäftigt ist. Er
befasst sich vor allem mit der Erforschung von aktiven Prozessen auf der Sonne,
wie Strahlungsausbrüchen und Eruptionen. Dafür kombiniert er Messdaten von bodengebundenen
Teleskopen und von Raumsonden. Daneben engagiert er sich in der Öffentlichkeitsarbeit:
Derzeit tourt die von ihm mitgestaltete Ausstellung "Das Reich der Sonne-Heimat
der Menschheit" zum Internationalen Heliophysikalischen Jahr 2007 durch deutsche
Planetarien.
Dr. Alexander Warmuth
Astrophysikalisches Institut Potsdam
An der Sternwarte 16, D-14482 Potsdam, Germany
Weiterführender Link: www.aip.de
Wir befragten
Dr. Alexander Warmuth vom
Astrophysikalischen Institut Potsdam zu seiner Sicht auf "Sunshine" (Kinostart:
19.04.07). Lest hier, was er zur Umsetzung der Ideen des Filmes sagt, wie er den Prozess
des Sterbens der Sonne beschreibt und inwieweit er ScienceFiction-Filme als Mittel
zur Veranschaulichung wissenschaftlicher Themen für geeignet hält.
Von: Martin Wenzel, fictionBOX.
VORSICHT! Das Interview enthält leichte Spoiler zum Film "Sunshine"!
fictionBOX: In "Sunshine" geht es um das Sterben der Sonne und das daraus
folgende Schicksal der Menschheit. Der Film siedelt dieses Szenario schon in naher
Zukunft an: 2056! Halten Sie es für denkbar, dass ein so drastisches Ereignis für
die Menschheit in den nächsten 100 Jahren eine Rolle spielen wird?
A. Warmuth: Das halte ich für ausgeschlossen. Die Sonne entwickelt sich über
sehr lange Zeiträume hinweg - sie hat genügend Brennstoff (also Wasserstoff, der
zu Helium fusioniert wird) um ca. 10 Milliarden Jahre Energie produzieren zu können.
Heute ist erst die Hälfte dieser Zeit verstrichen. Tatsächlich wird die Sonne allerdings
mit zunehmendem Brennstoffverbrauch immer heller, es wird also auf der Erde immer
wärmer werden. Verschiedene Modelle gehen davon aus, dass es bereits in etwa 500
Millionen bis 1 Milliarde Jahren zu heiß für komplexes Leben - also Pflanzen und
Tiere - werden könnte.
Neben dieser langfristigen Entwicklung zeigt die Sonne aber auch schnellere Veränderungen,
die mit ihrer magnetischen Aktivitaet zusammenhängen -Stichwort Sonnenflecken. Hier
geht es um Zeitskalen von Jahrzehnten. Beispielsweise wurden in der 2. Hälfte des
17. Jahrhunderts praktisch keine Sonnenflecken beobachtet. Dieser Zeitraum ist auch
als "kleine Eiszeit" bekannt, in der es zumindest in Europa und Nordamerika ungewöhnlich
kalt war. Die Sonnenaktivität hat also definitiv Auswirkungen auf das Erdklima.
Eine "kleine Eiszeit" könnte jederzeit wieder auftreten, nur wären die Auswirkungen
nicht so drastisch wie im Film dargestellt.
fictionBOX: Das Sterben der Sonne ist in der Wissenschaft schon lange ein
Thema. Wie kann man sich diesen Prozess vorstellen?
A. Warmuth: Im Kern der Sonne findet die Kernfusion statt - je 4 Wasserstoffkerne
werden zu einem Heliumkern verschmolzen. Dabei wird Energie frei - die Energie,
die uns letztlich alle am Leben erhält. Durch die Kernfusion nimmt der Anteil an
Wasserstoff im Kern natuerlich zunehmend ab. Um weiter stabil zu bleiben, wird der
Kern dabei immmer dichter und heißer, was zu immer höherer Energieproduktion führt.
Obwohl es paradox erscheint, wird die Sonne also mit zunehmendem Brennstoffverbrauch
langsam immer heller.
In ca. 5 Milliarden Jahren wird dann kein Wasserstoff im Kern mehr vorhanden sein,
die Kernfusion wird dann in einer Schale um den Kern weitergehen. Dabei dehnen sich
die äußeren Schichten der Sonne extrem aus - die Sonne wird zu einem Roten Riesen.
Zumindest Merkur und Venus, vielleicht aber auch die Erde, werden verschluckt. In
der letzten Phase ihrer Entwicklung wird die Sonne auch Helium verschmelzen (zu
Kohlenstoff), dabei noch mehr Leuchtkraft gewinnen und schließlich instabil werden.
Dann wird die äußere Schicht abgeworfen (sie bildet dann einen sog. Planetarischen
Nebel) und zurück bleibt nur der Kern, der als Weißer Zwerg dann langsam abkühlt
und erlischt.
fictionBOX: Woher nimmt die Wissenschaft ihrer Erkenntnisse über so ein außergewöhnliches
Phänomen wie dem Sterben der Sonne? Schließlich können die Forscherinnen und Forscher
es doch eigentlich noch nicht erlebt oder beobachtet haben?
A. Warmuth: Zum einen kennen wir aus Beobachtungen verschiedene Charakteristika
der Sonne, z.B. Größe, Masse, Leuchtkraft, chemische Zusammensetzung usw. Zum anderen
kennen wir die physikalischen Gesetze, die für so einen Körper wichtig sind, z.B.
Schwerkraft, Gasgesetze, Hydrostatik. Wir können dann ein mathematisches Modell
erstellen, das die Sonne in zwiebelschalenartigen Schichten aufteilt. Den physikalischen
Zustand der äußersten Schicht (der Photosphäre) kennen wir, da sie direkt beobachtbar
ist. Davon ausgehend können wir den Zustand der nächsttieferen Schicht errechnen
und immer so weitermachen, bis wir am Schluss den Zustand in allen Schichten kennen,
bis hin zum Zentrum. Das Modell kann natürlich auch zeitabhängig gestaltet werden,
so dass wir die Entwicklung der Sonne verfolgen können - von der Geburt aus einer
Gaswolke bis zum Tod als Weißer Zwerg. Darüber hinaus können wir andere Sterne in
allen Entwicklungsstadien beobachten. Diese Resultate gehen dann natürlich ebenfalls
in die Modelle ein.
fictionBOX: Denken Sie, dass ein Film wie "Sunshine" dazu beitragen kann,
die Menschen für wissenschaftliche und ökologische Themen stärker zu sensibilisieren?
A. Warmuth: Definitiv ja. Auch wenn Filme wie "Sunshine" oder auch "The Day
after Tomorrow" die Probleme auf die Spitze treiben, so können sie sicher dazu anregen,
sich auch außerhalb des Kinos damit zu beschäftigen. Dieses Interview ist der beste
Beweis: der Film gibt mir jetzt die Möglichkeit, vielen Menschen, die ich sonst
nie erreicht hätte, Wissen über die Sonne und ihre Bedeutung für uns zu vermitteln.
fictionBOX: Die Heldinnen und Helden von "Sunshine" finden in dem Film eine
wissenschaftliche Lösung, um das Sterben der Sonne zu verhindern und die Menschheit
zu retten. Anschließend machen sie sich auf ins Weltall und das Abenteuer um das
Wiederbeleben der Sonne beginnt... Denken sie, dass es beim Publikum nicht zu einer
Verharmlosung der Problematik führen könnte, wenn es sieht, dass sogar das Sterben
der Sonne mit Hilfe der Wissenschaft verhinderbar ist?
A. Warmuth: Ich denke, das Publikum kann sehr wohl zwischen Realität und
Fiktion unterscheiden. Es handelt sich ja auch um keinen wissenschaftlichen Dokumentarfilm.
Man muss dem Film eher anrechnen, dass er überhaupt mal die Thematik anspricht,
dass die Sonne nicht in alle Ewigkeiten scheinen wird. Ich glaube nicht, dass sich
die Mehrheit der Zuschauer schon mal die Frage gestellt hat.
fictionBOX: Die Lösung in "Sunshine" sieht folgendermaßen aus: Die Crew der
Icarus II, bestehend aus einer internationalen Besatzung von acht Männern und Frauen,
transportieren eine Sprengladung (interstellare Bombe), mit der sie der Sonne neues
Leben einhauchen sollen. Und zwar indem diese Bombe im Sonnenkern gezündet wird.
Halten Sie diesen Lösungsansatz für realistisch?
A. Warmuth: Ich sehe keine Möglichkeit, so etwas mit der uns bekannten Physik
zu schaffen. Die Sonne ist 300.000 mal schwerer als die Erde und produziert in einer
Sekunde zehn Millionen mal so viel Energie, wie in allen je gebauten Atombomben
steckt. Da stehen so viele Größenordnungen zwischen der Sonne und uns - was können
wir da schon ausrichten?
fictionBOX: Kommen ihnen noch andere Ideen in den Sinn, wie man im Falle
des Ersterbens der Sonne reagieren könnte?
A. Warmuth: Am Sterben selbst können wir nichts ändern. Umsiedeln wäre wohl
die beste Lösung. Entweder auf die äußeren Planeten und ihre Monde, oder besser
gleich in ein anderes Sternsystem. Interstellarer Raumflug ist zwar technisch (und
vor allem energetisch) noch extrem weit von unseren Möglichkeiten entfernt, aber
schließlich haben wir ja noch hunderte Millionen Jahre Zeit.
fictionBOX: "Sunshine" ist ein ScienceFiction-Film, der aber dennoch sehr authentisch
wirkt und wert auf Details legt. Für Fans wissenschaftlicher Ideen und Spielerein
ist es sicherlich reizvoll, so etwas auf der großen Leinwand sehen zu können. Geht
es ihnen beim Konsumieren von ScienceFiction auch so?
A. Warmuth: Nimmt man den "Durchschnitts-SF-Film" als Standard, so muss man
"Sunshine" die Bemühungen um Realismus wirklich anrechnen. Er ist in der Kategorie
unter den Top Five. Vor allem die Sonne war sehr realistisch dargestellt und visuell
wirklich beeindruckend. Klar, dass man sowas gerne auf der Leinwand sieht und sich
auch freut, dass jetzt viele Menschen zu sehen bekommen, wie interessant und dynamisch
unsere Sonne eigentlich ist. Daneben ist es aber natürlich auch ganz unterhaltsam,
auf die Sachen zu achten, die eben nicht realistisch dargestellt werden. Interessanterweise
sind das meist leicht vermeidbare Fehler, und nicht solche, die aus Plotgründen
erfolgen.
fictionBOX: Hat bei Ihnen die ScienceFiction vielleicht sogar dazu beigetragen,
Interesse an der Wissenschaft zu entwickeln?
A. Warmuth: Ich habe mich schon als Kind sehr für den Weltraum interessiert - sei
es jetzt in der realen Welt oder in der imaginären der SF. Ich kann also nicht sagen,
dass Science Fiction der Auslöser ür mein Interesse war, auf jeden Fall aber hat
sie dazu beigetragen, dieses Interesse wach zu halten
fictionBOX: Was waren Ihre ersten ScienceFiction-Highlights? Woran können
Sie sich besonders erinnern?
A. Warmuth: Ich habe ganz dunkle Erinnerungen an den ersten Star Trek Film,
den ich als
ca. Fünfjähriger im Kino gesehen haben muss. Dann natürlich die originale
Serie "Raumschiff Enterprise", was damals so ziemlich das Einzige war, was in
Richtung SF zu sehen war.
fictionBOX: Kennen Sie auch andere Filme von Danny Boyle (Regisseur "Sunshine")?
Was halten Sie von seinen bisherigen Werken?
A. Warmuth: Ich kenne "Trainspotting", das ja schon einen Status als Kultfilm
geniesst.
fictionBOX: In Fächern wie Physik und anderen naturwissenschaftlichen wird
ja meistens eher an den vorgegeben Definitionen entlang diskutiert, nach festen
Formeln und Modellen gedacht. Denken Sie, dass es vielleicht sinnvoll sein könnte,
das Spekulieren über wissenschaftliche Phänomene stärker in solche Fächer einfließen
zu lassen? Zum Beispiel, indem man eine bestimmte Problemstellung darstellt und
den Schülerinnen und Schülern die Aufgabe gibt, dazu eine spekulative Abhandlung,
also eine Art ScienceFiction-Aufsatz, zu schreiben?
A. Warmuth: In den Naturwissenschaften ist es schon wichtig, erstmal die Grundlagen
zu lernen. Dieser Grundstock an Wissen und Fähigkeiten könnten dann zur
Abwechslung mal auf Fragen angewendet werden, die aus der SF kommen. Wichtig ist
dabei zu zeigen, dass es in den Naturwissenschaften mit reiner Spekulation allein
nicht getan ist. Spekulationen müssen Hand und Fuß haben, müssen auf dem fußen,
was wir schon wissen, und müssen in sich logisch konsistent sein. Entscheidend ist,
dass sie falsifizierbar sein müssen, das heisst, es muss zumindest prinzipiell möglich
sein, sie durch Experimente oder Beobachtungen zu widerlegen. So zu spekulieren
erfordert also schon mal ein gutes Grundwissen.
fictionBOX: Zur Anregung einer solchen Aufgabe könnte man sicher Literatur,
Filme oder auch TV-Serien aus der ScienceFiction im Unterricht vorstellen. "Sunshine"
wäre für die Spekulation, wie man das Sterben der Sonne verhindern könnte, ja schon
mal eine gute Grundlage. Welche anderen ScienceFiction-Werke (Bücher, Filme, TV-Serien...),
die gut in den naturwissenschaftlichen Unterricht passen könnten, fallen ihnen ein?
A. Warmuth: An "Sunshine" ließe sich gut zeigen, dass wir das Sterben der
Sonne eben nicht verhindern könnten. Das wäre ein schönes Beispiel, an dem die Schüler
selber was ausrechnen könnten. Sie könnten z.B. die Leuchtkraft der Sonne ausrechnen
und mal mit der weltweiten Energieproduktion oder der Gesamtsprengkraft aller Atombomben
vergleichen. So würden sie ein Gefühl für die Grössenordnungen bekommen. Das Erfolgserlebnis,
etwas selbst ausrechnen zu können, gibt sehr viel mehr Selbstvertrauen, als irgendwelche
Spekulationen aufzustellen.
Insgesamt fallen mir eher Beispiele aus der SF ein, wo anhand von Fehlern einiges
gelernt werden kann. So bietet eine typische Raumschlacht aus Star Wars oder Star
Trek etliches, was man diskutieren könnte: Geräusche im Vakuum? Sind Laserstrahlen
im All sichtbar? Kann ein Raumschiff wie ein Flugzeug manövrieren? usw.
fictionBOX: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nahmen, so ausführlich auf
unsere Fragen einzugehen, Herr Warmuth!
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