A GEEKs LiFE #5: Fandom-Aktivist Ich stelle einfach mal folgende These auf: das Fandom ist groß und
vielfältig, nur weiß niemand etwas davon.
Bekannt ist nur das, was mit viel teils marktschreierischem Werbeaufwand
bekannt gemacht wird. Das nennt man dann Mainstream und trifft meistens auf den
Media-Bereich der Phantastik zu. Auf andere Bereiche des täglichen Lebens
übertragen, könnte man sagen, es gibt nur noch Aldi und Lidl. Aber weit gefehlt:
seit man hierzulande von so etwas wie einem Fandom sprechen kann (und das ist
bekanntlich schon recht lange der Fall), gibt es jenseits der etablierten
Fanaktivitäten schon immer eine ganze Reihe Nischen, aus denen gerade in letzter
Zeit dank der Möglichkeiten des Internets immer mehr Fans mit kleinen und
mittlere Unternehmungen an die Öffentlichkeit treten. Einer dieser Fans bin
ich...
Genau genommen hat alles bereits im Jahr 1994 angefangen und schuld daran
waren Captain Kirk und Co. Damals wurde das Land von sogenannten Trekdinnern
geradezu überrollt und Star Trek war als einzige SF-Serie so megaangesagt, wie
heutzutage Tokio Hotel. Selbstverständlich blieb auch die südhessische Metropole
Darmstadt nicht davon verschont und ich rief mit zwei Bekannten, welche ich kurz
zuvor beim Club "Star Trek Central Europe" kennen gelernt hatte, den "Star Trek
Treff Darmstadt" ins Leben, dessen Erfolgsgeschichte über alle Höhen und Tiefen
bis heute anhält. Vielleicht kommt das auch daher, weil "Weltraum" in Darmstadt
seit eh und je dank des Europäischen Raumfahrt- Kontrollzentrums ESOC ein großes
Thema ist. Wer weiß...
Viel hat sich seit dem geändert, der Name ebenso wie die Interessen der
Besucher in Bezug aufs phantastische Genre. Bemerkenswert ist auch, dass
entgegen dem Trend zum Nichtlesen bei uns seit längerer Zeit vermehrt zur
Literatur gegriffen wird. Es ist schön zu sehen, dass Bücher nicht nur als
"selbstextrahierende Readme-Dateien" definiert werden, spielt sich doch die
meiste Phantastik hierzulande immer noch zwischen zwei Buchdeckeln ab.
Spätestens seit der Jahrtausendwende verstehen wir uns auch nicht mehr als
Trekdinner, sondern als "SciFi-Stammtisch" und symbolisieren damit auch nach
außen hin Offenheit gegenüber allen Arten der Phantastik. Ebenso haben sich
natürlich die Aktivitäten verändert. Beschränkte man sich früher ausschließlich
aufs sture Konsumieren dessen, was das Mainstream-Mediafandom bot, so haben wir
uns spätestens mit den ersten "Spacedays" im Jahr 2000 auf die Organisation
eigener Events verlegt (zur Erläuterung: die "Spacedays" - www.spacedays.de- sind die
einzige reine Modellausstellung für SF, Fantasy und Raumfahrt in Deutschland).
Außerdem spielten die Darmstädter Stammtischler eine immer größere Rolle im
Helfer- und Orgateam, des bis dato schon seit Mitte der 80iger existierenden
"BuchmesseCons" (- www.buchmessecon.info- ...und noch mal zur Erläuterung: der
"BuCon", wie sich das Event nennt, ist das unabhängige Treffen der
phantastischen Literaturszene am Buchmesse-Wochenende).
Ja nun...und was hat das alles mit mir zu tun ? Ok, andere fahren Rad,
spielen Fußball oder sitzen mit der Familie am Wochenende im Schrebergarten. Ich
sorge mit meinen Leuten eben dafür, dass Fans auch jenseits des kommerziellen
Event-Fandoms die Möglichkeit haben, ihren Interessen nachzugehen. Auch eine Art
Hobby, bei mir wegen des zeitlichen Aufwands aber das weit und breit einzige,
welches ich als solches bezeichnen kann.
Meine Hauptaktivität besteht erst einmal in der Organisation und im Bekannt
machen des monatlichen "Science Fiction Treffs Darmstadt" ( www.sftd-online.de), der
auch in Zeiten sterbender und schrumpfender SciFi- und Trektreffpunkte durch
sein bewusst universal und öffentlich gehaltenes Konzept immer noch mit bis zu
40 Besuchern zählen kann. Wobei viele ehemals einfach nur Neugierige
mittlerweile Teil eines schlagkräftigen Helferteams sind, für das ich meine
Hände ins Feuer legen würde. Nebeneffekt: gemeinsame Aktionen schweißen
zusammen, bringen mehr persönliche Befriedigung, als einfach nur einmal
monatlich beim Stammtisch herumzusitzen. Außerdem steuern wir damit dem
zunehmenden Trend zum anonymen Online-Fandom entgegen. Ich bin der Ansicht, das
schönste am Fandom ist, Leute mit gleichen Interessen persönlich kennen zu
lernen. Es klingt vielleicht etwas überheblich, aber: der echte Fan verkriecht
sich nicht im stillen Kämmerlein vor flimmerndem Bildschirm und DVD-Player, der
echte Fan geht raus und ist bestrebt, seine Mitfans live und in Farbe kennen zu
lernen. Und um auf ein Gespräch auf dem letzten DortCon Bezug zu nehmen: ja, wir
kennen uns selbstverständlich alle beim Realnamen.
Vielleicht hat auch schon jemand irgendwo mal einen Flyer von mir in die
Hand gedrückt bekommen, was gut möglich ist, da ich immer eine gewisse Auswahl
davon in der Tasche habe. Manche meinen, ich sei geradezu berüchtigt
dafür.
Seit September 2001 erreichen wir potentielle Fans außer auf dem Papier-
und virtuellen Weg noch über ein weiteres Medium. Einmal pro Monat berichtet
beim Lokalradio "Radio Darmstadt" unser Magazin "Area 64" (64 bezeichnet die
ersten beiden Zahlen der Darmstädter Postleitzahl) aus der Szene. Wobei wir uns
allerdings nicht an die von den etablierten Medien vorgegebene
Drei-Minuten-Grenze pro Beitrag halten, sondern unsere Hörer genüsslich auch
schon einmal mit einer halbstündigen Kurzgeschichte oder einem Hörspiel aus den
50iger Jahren (selbstverständlich auf Englisch) beschallen. Nach unserem
Selbstverständnis wollen wir mit unserer Sendung nur eines: unterhalten,
unterhalten und nochmals unterhalten. Egal ob da nun in breitem hessisch über
den letzte Con parliert wird oder gar "Drogen im Herrn der Ringe" thematisiert
werden...was solls. SciFi soll Spaß machen und dieser Spaß kommt unserer Meinung
am besten im lockeren Boulevard-Stil zum Tragen. Oder habt Ihr schon mal
irgendwo eine Reportage aus dem Souvenirshop der Europäischen Raumfahrt-Behörde
gehört... ?
Da Zeit und die damit verbundenen Möglichkeiten des Einzelnen heutzutage
limitiert sind, beschränke ich meine Hauptaktivitäten weitgehend auf dem
Ballungsraum Rhein-Main. Einzige überregionale Tätigkeit im Fandom ist der
Posten des Beirats im Vorstand des Science Fiction Club Deutschlands e.V., des
mit über 50 Jahren des Bestehens ältesten SF-Clubs hierzulande. Auch wenn das
manchem vielleicht etwas zu dick aufgetragen erscheint: wir organisieren weite
Teile der Phantastik-Szene des Rhein-Main-Gebietes. Und im Unterschied zu manch
anderem gehen wir mit unseren Events an die breite Öffentlichkeit. Erreicht wird
diese durch eine langjährige Kooperation mit der regionalen Presse, die auch
immer recht gut und sachlich berichtet. Wir haben keine Angst vor Journalisten,
man muss nur wissen, wie man mit ihnen umgeht. Das kann schon mal bedeuten, das
man zum Beispiel bei Pressefotografen ein Auge darauf hat, was die Damen und
Herren ablichten. Die Außenwirkung eines Fotos ist nämlich nicht zu
unterschätzen und im Nu steckt man wieder in der Freak-Schublade. Hier ist es
natürlich von Vorteil, wenn man die richtigen Leute bereits durch seine
berufliche Tätigkeit kennt. Ich arbeite zwar bei einer (der einzigen)
Darmstädter Tageszeitung, was jedoch nicht bedeutet, dass man jetzt alle
Narrenfreiheiten hätte. Aber hat man den zuständigen Redakteuren erst einmal
klar gemacht, dass wir keine Ansammlung spitzohriger Freaks sind, dann ist
vieles einfacher. Mit Hilfe der Presse haben wir über die Jahre schon manchen
Fan außerhalb der Szene darauf aufmerksam gemacht, dass es uns überhaupt gibt.
Und ich denke, gerade dieses Potential ist noch lange nicht ausgeschöpft,
regional wie bundesweit. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es da draußen
immer noch genügend Leute gibt, für die der Begriff "Fandom" eine große
Unbekannte ist. Gerade das jüngste Darmstädter "Kind" nämlich "Starport
Darmstadt - Phantastische Welten" ( www.starport-darmstadt.de) hat bewiesen, dass auch kleine
Events ein bundesweites Publikum anziehen können. Offensichtlich geht der Trend
generell vermehrt dahin, eher kleine gemütliche Veranstaltungen abseits der
fannischen Rummelplätze zu besuchen. Sofern man natürlich ein richtiges Programm
bietet, und nicht nur die so beliebte, aber ebenso überstrapazierte Kombination
"Quiz - Podiumsdiskussion - Gemütliches Beisammensein". Damit hat man schon
manch gutgemeinte Idee ins Nirwana befördert.
Sagte ich vorhin "klein" ? Wie vieles, so ist auch dieser Begriff natürlich
Auslegungssache: "Starport" hatte aus dem Stand bei der Premiere 130 begeisterte
Besucher, unsere weiteren Events "BuchmesseCon" und "Spacedays" haben zirka
150-200, beziehungsweise 320 Besucher. Auf der Hitparade der besucherstärksten
Szeneveranstaltungen 2006 kommen die "Spacedays" nach RingCon und FedCon
übrigens gleich an dritter Stelle (lässt man mal diverse Rollenspielcons aussen
vor) und noch vor dem "ColoniaCon". Alle unsere Events haben gemeinsam, dass sie
strikt nichtkommerziell ausgerichtet sind und sehr gut ohne teuer bezahlte
Prominenz auskommen. Gut, eine gewisse Prominenz gibt es schon, nur sind das
bekannte und beliebte Leute aus dem Fandom, wie Robert Vogel oder Mike
Hillenbrand. Dieses Konzept funktioniert sehr gut...und es könnte natürlich noch
besser klappen und mehr Besucher anziehen, wenn diese nur davon wüssten. Womit
wir wieder bei den Möglichkeiten des Internets wären. Wir haben nun mal keine
großen Sponsoren, die uns einen riesigen Werbeetat mit Hochglanzflyern und
ähnlichem ermöglichen. Daher sind wir zwangsläufig auf Veröffentlichungen in den
bekannten Newslettern und Postings in den einschlägigen Foren angewiesen (auch
wenn das nicht jedem Webmaster schmeckt). Das bedeutet also vor jedem Event eine
mehrstündige Ochsentour durch virtuelle Welten. Der Erfolg der Aktion gibt uns
allerdings regelmäßig recht.
Positiv ist zu bewerten, dass gerade fictionBox meine Idee aufgegriffen
hat, verstärkt auch auf Fandomsaktivitäten einzugehen. Deshalb werdet Ihr, liebe
Leser, in Zukunft des öfteren hier auch News von der schon erwähnten Fanbasis
finden. Glaubt bitte nicht "Das interessiert eh keinen...". Sicher werden sich
nicht unbedingt Fanmassen von München durchs halbe Land Richtung Hamburg
bewegen, nur um die Grillparty des dortigen SF-Stammtischs zu stürmen. Doch
zumindest als Inspiration für eigene Aktivitäten kann das eine oder andere
Projekt dienen. FictionBox möchte allen Aktivisten im Fandom, egal ob Con,
Lesung, Buchveröffentlichung, Ausstellung, etc. daher das Forum bieten, eine
breitere Öffentlichkeit anzusprechen. Natürlich wird man hier aber nur dann
etwas finden, wenn es uns auch mitgeteilt wird. Eine einfache Mail an den
Verfasser dieses Textes (sftreffda@gmx.de) oder die Presseabteilung von
FictionBox genügt. Und wer weiß, vielleicht freut Ihr Euch demnächst über neue
Freunde und Bekannte in den unendlichen Weiten des phantastischen
Fandoms.
Roger Murmann
März 2007
Zusammenfassung aller Links zum Thema:
Science Fiction Treff Darmstadt
Darmstadt Spacedays
Starport Darmstadt -- Phantastische Welten
BuchmesseCon
Radio Darmstadt
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