Kurzinhalt:
Der Sonnensturm konnte mit Hilfe des Schilds soweit abgeschwächt werden, dass ein Großteil der Menschheit überlebte. Dennoch waren die Auswirkungen teilweise verheerend, und haben alle, welche bei diesem Ereignis am Leben waren, ein schweres Trauma davongetragen. Zwanzig Jahre später wird Bisesa Dutt, die sich nach der Krise in den Kryoschlaf begeben hat, von ihrer Tochter wieder aufgeweckt. Dann nämlich steht die Menschheit vor ihrer nächsten großen Herausforderung. Denn die Erstgeborenen, welche den Sonnensturm mit ihren Augen beobachtet haben, geben sich noch lange nicht geschlagen. Ihr nächster Versuch, die Menschheit auszulöschen, kommt in Form einer als Q-Bombe bezeichneten Waffe mit enormer Sprengkraft, die direkt auf die Erde zusteuert. Im Gegensatz zum Sonnensturm damals wird diese Bedrohung vorerst noch geheim gehalten. Während die von den Regierungen sanktionierte Mission die Q-Bombe direkt angreift, verfolgt die Gruppe, der Myra Dutt angehört, einen anderen Plan: Diese ist nämlich davon überzeugt, dass der Schlüssel zur Rettung der Menschheit auf dem Mars liegt. Mit Hilfe des dort gefundenen, vor Jahrhunderten von einer früheren Zivilisation gefangenen Auges soll Bisesa zurück zum Puzzle-Planeten Mir gelangen…
Review:
Meine Hoffnung, dass sich der Aufwärtstrend der Reihe mit "Wächter" fortsetzen würde, hat sich leider nicht bestätigt. Das hat mehrere Gründe. So fand ich die ersten 100-150 Seiten leider noch nicht wirklich interessant. Vom Grundgedanken her erinnerte die ausführliche Beschreibung der Reise mit dem Weltraumlift zwar an Arthur C. Clarke, nicht jedoch von der Umsetzung her. Weil Clarke war bei diesen Wundern, welche die Menschheit in seinen visionären (und optimistischen Augen) einst vollbringen wird, immer mehr daran interessiert, uns zu verzaubern (und anzuspornen), als sich zu sehr mit den genauen Details der Umsetzung zu befassen ("Fahrstuhl zu den Sternen" ist hierfür ein gutes Beispiel). Demgegenüber verliert sich Baxter, wie für ihn nicht unüblich, im ersten Drittel des Romans (aber gelegentlich auch noch danach) in wissenschaftlichen Vorträgen. Ich bin mir sicher, einige andere werden eben diese fasziniert verfolgen, und es schätzen, sie in einem solchen Science Fiction-Roman verpackt zu bekommen. Mir ging es jedoch teilweise zu sehr ins Detail, und hielt die Story unnötig auf (wenn überhaupt, hätte man die wissenschaftlichen Hintergründe ja im – ohnehin vorhandenen – Anhang noch näher ausführen können). Nachdem Bisesa und die anderen dann auf dem Mars angekommen sind, dreht "Wächter" dann kurzfristig auf – bis sie wieder auf Mir landet. Wie in "Die Zeit-Odyssee" zu lesen war, sprach mich die Idee dieser aus verschiedenen Epochen zusammengestoppelten Flickenteppich-Erde schon in "Die Zeit-Odyssee" nicht wirklich an. Im vorliegenden Fall war es zwar zumindest insofern ein bisschen besser, als man diesmal nicht ganz so sehr auf unsere Vergangenheit fokussiert war, sondern sehr wohl auch in diesem Teil des Romans der Blick in die Zukunft – eben auch von dieser spezifischen Erde – gerichtet wurde. Trotzdem fand ich es insgesamt ein bisschen konstruiert, wie Mir bei der Rettung der Menschheit in "unserem" Universum auf einmal eine Rolle spielt, und wäre es letztendlich auch ohne diesen Umweg gegangen.
Darüber hinaus bin ich mir auch nicht sicher, ob mich die Idee einer derart hochentwickelten Zivilisation, die einst auf dem Mars existiert haben soll, überzeugt. Und ja, ich weiß, das hier ist immer noch ein Science Fiction-Roman und keine wissenschaftliche Abhandlung (auch wenn man während Baxters Vorträgen teilweise einen anderen Eindruck gewinnen könnte). Aber gerade eben, weil man sich sonst so sehr darauf konzentriert, insbesondere bei der ganzen fortschrittlichen Technologie (und teilweise auch den "Wundern", welche die Erstgeborenen vollbringen) aufzuzeigen, wie das alles theoretisch funktionieren könnte, wirkt es schräg, auf der anderen Seite eine Idee aufzufahren, für die es aktuell kein wissenschaftliches Fundament gibt, und dass doch eher wie ein Relikt aus der Frühzeit der – noch deutlich spekulativeren – Science Fiction-Unterhaltung wirkt. Vor allem aber leidet "Wächter" darunter, dass er keinen wirklichen Abschluss für die Story bietet, sondern vielmehr im Epilog eine Fortsetzung andeutet, die nicht nur nie kommen sollte, sondern wohl auch nie geplant war. Der Roman mündet somit in einem offenen Ende, was umso frustrierender ist, als die Story, die man dort anteasert, tausendmal interessanter klingt als das, was man uns innerhalb der Trilogie präsentierte. "3001 - Die letzte Odyssee" wird ja oftmals dafür kritisiert, dass die Bedrohung durch die Schöpfer der Monolithen – die nicht von ungefähr Parallelen mit den Erstgeborenen offenbaren – stark in den Hintergrund gedrängt wurde, eigentlich erst auf den letzten paar Seiten so richtig in den Mittelpunkt rückte, und dann noch dazu auf recht unspektakuläre Art und Weise überwunden wurde. Aber dort gab es eben für den Handlungsstrang zumindest ein Ende. Demgegenüber bleibt die Frage, wie der alles entscheidende letzte Kampf zwischen den Erst- und Letztgeborenen in der Zukunft ausgehen wird, der Phantasie des Lesers überlassen.
Trotz dieser Kritikpunkte fand ich "Wächter" aber zumindest eine Spur stärker als den ersten Teil der Trilogie. Das hat sicherlich stark damit zu tun, dass die Handlung auf Mir diesmal nur ein Nebenstrang war, und nicht im Mittelpunkt stand. Vom Auftritt der letzten überlebenden Marsianerin, sowie dem unbefriedigenden Epilog mal abgesehen war zudem das letzte Drittel, wo es um den Kampf gegen die Q-Bombe geht, durchaus gelungen. Und die letzten Szenen auf dem Mars bescherten mir sogar eine Gänsehaut. Die Ansätze für ein packendes und faszinierendes Abenteuer waren somit sowohl bei "Wächter" im Speziellen als auch der Trilogie im Allgemeinen zweifellos vorhanden. Umso bedauerlicher, dass es in meinen Augen nur beim Mittelteil "Sonnensturm" gelungen ist, wirklich etwas daraus zu machen.
Fazit:
Zuerst braucht "Wächter" zu lang, um in die Gänge zu kommen. Dann nimmt er mit der Storyline auf Mir einen in meinem Augen unnötigen narrativen Umweg. Und dann kulminiert das Ganze auch noch in einem offenen Ende, der eine Geschichte anteasert, die sich deutlich spannender und faszinierender anhört als alles, was Arthur C. Clarke und Stephen Baxter im Zuge dieser Trilogie aufgefahren haben. Das ist dann schon ziemlich frustrierend. Immerhin: Das letzte Drittel ist, von einzelnen mich nicht überzeugenden Ideen (wie der letzten Marsianerin) abgesehen, durchaus gelungen, und mündet vor allem auch in einem hochdramatischen und sogar ansatzweise berührenden Finale. Letztendlich war "Wächter" für mich aber, ähnlich wie Mir (was nicht einer gewissen Ironie entbehrt), ein bisschen zu viel Stückwerk, mit einzelnen Elementen, die nicht wirklich ein stimmiges Ganzes ergaben.