Kurzinhalt:
Nachdem ihr Helikopter abgeschossen wurde, findet sich ein amerikanisches Einsatzteam rund um Lieutenant Bisesa Dutt auf einmal in der Vergangenheit wieder. Doch damit sind sie nicht allein: Quer über die Jahrtausende werden ganze Landabschnitte aus der Zeit gerissen, und wieder zusammengesetzt. Diese neue Erde, ein Stückwerk verschiedenster Epochen, wird Mir getauft. Dort treffen Bisesa und ihre Kameraden u.a. auf Rudyard Kipling, eine Menschenaffin und ihr Junges, Astronauten einer Raumstation, Dschingis Khan, sowie Alexander den Großen. Nun gilt es, diese neue Erde zu erkunden. Mit einem Funkgerät empfängt man ein Signal von jener Stelle, an der einst der Turm von Babel stand, weshalb man sich eben dorthin auf den Weg macht – in der Hoffnung, dort Antworten zu finden…
Review:
Nach ihrer ersten Kooperation (wobei ich mir wie gesagt schon bei "Das Licht ferner Tage" sehr unsicher war, ob Clarke abseits der Grundidee noch viel beigesteuert hat) wagten sich Arthur C. Clarke und Stephen Baxter an einer neuen Trilogie. Diese greift einige Themen aus Clarkes früherem Werk, insbesondere der "Odyssee"-Reihe, auf – ein Aspekt, dem man mit dem deutschen Titel auch Rechnung trug (wenn auch wohl in erster Linie aus werbetechnischen Gründen, da man wohl hoffte, dass sich der Roman so besser verkauft). Letztendlich sind die Ähnlichkeiten aber überschaubar. Ja, da wie dort beginnen wir in der Urzeit der Menschheit, bei unseren haarigen Vorfahren. Und die geheimnisvolle Kugel die über dem Geschehen schwebt weckt natürlich Erinnerungen an die Monolithen. Damit hat es sich aber auch schon. Generell muss ich leider sagen, dass ich hier fast noch mehr als bei "Das Licht ferner Tage" den Eindruck hatte, dass der zu dem Zeitpunkt ja auch bereits über achtzig Jahre alte Clarke eher als Kundenfänger auf dem Cover stand, ins Schreiben des Romans aber nicht mehr wirklich involviert war. Immerhin bin ich mit dem Werk beider Autoren zumindest ansatzweise vertraut, und fast alles daran erinnerte mich mehr an Baxter denn an Clarke. Das betrifft nicht zuletzt das Setting, da wir hier ja quasi, so wie Hauptfigur Bisesa, eine Reise in gleich mehrere Zeitebenen aus der Vergangenheit unternehmen. Clarkes Blick war allerdings, von wenigen Ausnahmen (wie dem Teil über König Kalisada in "Fahrstuhl zu den Sternen") abgesehen, eigentlich immer in die Zukunft statt in die Vergangenheit gerichtet. Demgegenüber hat Baxter in seinem Werk auch immer eine große Vorliebe für die Menschheitsgeschichte erkennen lassen.
Nun bin ich leider nicht wirklich ein "history buff", und fühlte mich halt generell schon immer mehr der Science Fiction, die nach vorne blickt, verbunden. Dementsprechend hat die inhaltliche Ausrichtung hier meinen persönlichen Geschmack nicht wirklich getroffen. Ja, die Grundidee rund um die plötzliche Vermischung all dieser verschiedenen Epochen war nicht uninteressant, nutzte sich aber für mich – der sich eben nur bedingt dafür interessiert – schon bald ab. Ziemlich verkrampft wirkte auf mich dann auch, dass alles auf ein großes Duell zwischen Alexander dem Großen und Dschingis Khan hinausläuft. Mich hat das ein bisschen an Schulhofdiskussionen erinnert, welcher Superheld einen anderen besiegen würde, nur hier eben bezogen auf historische Personen. Ich unterstelle, dass Baxter die Frage, der so eine Schlacht gewinnen würde, wohl schon länger beschäftigt. Wenn euch es ebenso ergeht, wird euch "Die Zeit-Odyssee" zweifellos mehr ansprechen, als dies bei mir der Fall war. Bedauerlicherweise fand ich auch die Figuren – egal ob nun historisch oder neu erfunden – nie wirklich interessant. Aber auch aus der Begegnung der Charaktere aus verschiedensten Epochen der Menschheitsgeschichte holt man hier in meinen Augen zu wenig heraus. Und dann sind da auch noch so Details wie Bisesas Handy, dessen Akku offenbar Jahre hält (liebe Autoren, bitte sagt mir, von welchem Hersteller das war, damit ich in ihn investieren kann; weil aktuell ist man ja schon froh, wenn man das Smartphone nicht jeden Tag an den Strom hängen muss). Immerhin, zum Ende hin, wenn dann endlich wieder das Mysterium der Augen im Himmel in den Mittelpunkt rückt, dreht "Die Zeit-Odyssee" dann doch nochmal auf. Und vor allem Bisesas Reise zurück, bei der sie sowohl einen Einblick in die darin verantwortlichen Wesen, als auch einen düsteren Ausblick auf die Zukunft der Menschheit erhält, hatten es mir dann durchaus angetan. Letzteres macht mich auch hoffnungsfroh, dass ich mit dem zweiten Teil, "Sonnensturm", mehr werde anfangen können.
Fazit:
Wenn euch die Frage, wer in einer Schlacht zwischen Dschingis Khan und Alexander dem Großen gewinnen würde, schon seit jeher den Schlaf raubt, dann bitte, greift zu – denn in "Die Zeit-Odyssee" werdet ihr eben darauf die Antwort erhalten. Als jemand, der sich nur sehr eingeschränkt für Geschichte interessiert, ging der Roman inhaltlich aber leider überwiegend an meinem Geschmack vorbei. Ich bin da Arthur C. Clarkes üblicher Ausrichtung, mit dem Blick in die Zukunft, deutlich näher, und eben das hat hier leider vollständig gefehlt. Zudem konnten mich weder die Figuren an sich, noch deren Kombination hier, sonderlich ansprechen. Und wie lange hält Bisesas Handy-Akku bitte?! Ein paar interessante Ideen und Gedanken fanden sich hier zwar durchaus. Zudem deutet das Finale an, dass mir der zweite Teil der Trilogie besser gefallen könnte. Ähnlich wie bei "Das Licht ferner Tage" hatte ich aber halt auch hier den Eindruck, eher einen Baxter- als einen Clarke-Roman zu lesen, und trotz einzelner sehr guter Bücher kommt Stephen Baxter für mich an den Genre-Großmeister Arthur C. Clarke halt einfach längst nicht heran.