Kurzinhalt:
Um die Jahrtausendwende wird sich die Menschheit zunehmend bewusst, dass Mutanten mit besonderen Fähigkeiten unter ihnen wandeln, die sich üblicherweise rund um die Pubertät manifestieren. Die junge Marie ist eine von ihnen. Nachdem sie ihren Freund unabsichtlich fast umgebracht hätte, läuft sie von zu Hause davon. Ihre nachfolgende Odyssee verschlägt sie in die kanadischen Wälder, wo sie in einer Bar auf den einsamen Wolf Logan trifft – ebenfalls ein Mutant. Nach einer Schlägerei in der Bar werden die beiden von anderen Mutanten angegriffen, ehe die sogenannten X-Men zu ihrer Rettung eilen. Letztere sind die Einsatztruppe unter dem Kommando des mächtigen Telepathen Professor Charles X. Xavier, der eine Schule für "begabte Kinder" – also Mutanten – leitet. Er ist davon überzeugt, dass eine friedliche Koexistenz mit den "normalen" Menschen möglich ist. Ganz anders sieht das sein alter Freund Erik Lehnsherr, der als Magneto bekannt ist. Dieser ist davon überzeugt, dass die Menschheit wieder einmal der Angst und Ablehnung von dem Fremden erliegen, und die Mutanten bei der erstbesten Gelegenheit ausschalten werden – und möchte ihnen dabei zuvorkommen. Um seinen Plan in die Tat umzusetzen, braucht er jedoch die Hilfe eines Mutanten, den Professor X gerade erst unter seine Fittiche genommen hat…
Review:
Ich habe, wie ihr vielleicht ja schon bemerkt habt, ein Faible für Filmromane – also Bücher, die auf Drehbüchern basieren. Einerseits, weil sie – auf den reinen Text heruntergebrochen – eine andere Perspektive auf die Geschichte bieten. Und andererseits, weil sich dabei im Vergleich zum fertigen Endprodukt oftmals interessante Unterschiede auftun, sei es im Hinblick auf geschnittene Szene, Änderungen in letzter Sekunde, oder gar Nachdrehs. Um die Jahrtausendwende war man vor allem rund um die damals auftretende Marvel-Comicfilmwelle im Hinblick auf solche Filmromane sehr umtriebig. So auch mit jenem Film, der eben diese (nach dem Achtungserfolg von "Blade") im Jahr 2000 dann so richtig lostrat: Bryan Singers "X-Men". Mir persönlich hat dieser – als klassische, flott erzählte Popcorn-Unterhaltung – schon immer gut gefallen; ja, der zweite ist tiefgründiger, letztendlich sehe ich beide aber auf dem gleichen Niveau. Die Romanfassung von Kristine Kathryn Rush und Dean Wesley Smith – mir in erster Linie als Autorenduo von "Star Trek"-Lizenzromanen ein Begriff – kannte ich bislang nicht. Insofern war ich schon sehr gespannt, wie gut es ihnen gelingen würde, die größte Herausforderungen solcher Romanadaptionen bei actionreichen Stoffen wie "X-Men" zu meistern: Nämlich, dass eine ebensolche auf der Leinwand (oder dem Fernsehschirm) immer packender und mitreißender sein wird, als wenn man "nur" Beschreibungen der betreffenden Einlagen liest. Wobei sie in diesem spezifischen Fall davon profitieren, dass der erste "X-Men"-Film zwar natürlich Action bietet, jedoch auch angenehm viel Zeit in die Figuren investiert.
Wenn es etwas gab, dass ich am ersten "X-Men"-Film kritisierte, dann dass man förmlich durch die Story hetzt. Zwar sorgt das hohe Erzähltempo für einen ebenso hohen Unterhaltungswert – hier ist so viel los, dass man eigentlich gar keine Gelegenheit bekommt, sich zu langweilen. Mit rund neunzig Minuten Spielzeit (ohne Abspann) blieb jedoch bei manchen Momenten, Entwicklungen aber auch Figuren nicht genug Zeit, um so richtig in die Tiefe zu gehen. Ich hatte nun die Hoffnung, dass Rush und Smith die Gelegenheit – und Freiheit, die ein solcher Roman bringt – nutzen würden, um hier nachzubessern. Dem war leider nicht so. Zwar bedeutet dies auf der einen Seite, dass ihre Adaption ebenso kurzweilig ist wie der Film. "X-Men" ist enorm flott und flüssig geschrieben, man fliegt förmlich durch die Seiten (und damit die Geschichte). Andererseits fehlt so aber irgendwie auch ein Grund, sich den Roman denn überhaupt zur Brust zu nehmen. Zumal es auch kaum nennenswerten Unterschiede zwischen Film und Buch gibt. Diesbezüglich stechen in erster Linie die beiden Prologe rund um Cyclops und Storm hervor, die uns jeweils jenen schicksalhaften Moment zeigen, in dem sich ihre Kräfte zum ersten Mal manifestierten. Das war durchaus interessant (und ist wohl dem ersten Drehbuchentwurf von Christopher McQuarrie und Ed Solomon, auf dessen Basis Rusch und Smith hier arbeiteten, entnommen – und wurde entweder in den weiteren Versionen, spätestens dann aber im fertigen Film, geschnitten). Davon abgesehen beschränken sich die Unterschiede aber auf das Fehlen kleinerer Details, wie z.B. "Yellow spandex"-Gag. Davon abgesehen decken sich Film und diese Adaption aber 1:1.
Nun bedeutet dies natürlich zugleich: Wem – so wie mir – der Film gefällt, dem wir auch der Roman grundsätzlich gefallen, da er (bis eben die in inszenierter Form packendere Action) die gleichen Stärken präsentiert. Dies gilt nicht zuletzt für die Charaktere, wobei es mir da wie dort vor allem Rogue (vor allem sie soll dem Leser als Identifikationsfigur dienen, was für mich auch hier, wie schon im Film, super funktioniert hat), Logan, Charles und Erik angetan hatten; und dabei sowohl die Figuren an sich, als insbesondere auch die Dynamik zwischen ihnen. Auch der im Zweiten Weltkrieg angesiedelte Prolog wertet die Story definitiv auch. Vor allem aber gefällt mir, dass insbesondere Magneto nicht als klassischer Bösewicht gezeichnet wird, sondern man seine Ziele – wenn auch nicht seine Methoden – durchaus nachvollziehen kann. All diese Stärken sind aber halt letztendlich auf das Drehbuch zurückzuführen. Kristine Kathryn Rusch und Dean Wesley Smith geben dieses sehr werkgetreu wieder, beschränken sich jedoch letztendlich darauf, das Drehbuch einfach in eine (lesefreundlichere) Prosaform zu bringen. Und aus meiner Sicht machten sie es sich eben damit doch ein bisschen zu leicht.
Fazit:
Die Romanadaption von "X-Men" folgt dem Geschehen aus dem Film fast 1:1; lediglich gleich zu Beginn freut man sich darüber, neben der Vorgeschichte von Erik Lehnsherr und Marie auch jene von Scott Summers und Ororo Munroe kennenzulernen. Danach sind Film und Buch – von marginalen, vernachlässigbaren Abweichungen abgesehen – aber identisch. Bedeutet auch, dass die Adaption einen Reiz von eben solchen – nämlich allfällige Unterschiede zum fertigen Film – nicht ausspielen kann. Dafür profitiert man hier vom gelungenen Drehbuch, welches die Geschichte überaus flott und ohne Ballast erzählt, jedoch ohne dabei auf die Figuren zu vergessen. Tatsächlich hält sich die Action beim ersten "X-Men"-Film ja noch vergleichsweise zurück, wovon Kristine Kathryn Rusch und Dean Wesley Smith hier insofern profitieren, als eben diese natürlich im Film immer packender ist als in einem Buch. Bedauerlicherweise verabsäumen sie es aber sowohl, eigene Akzente zu setzen, als auch die Gelegenheit, im Hinblick auf die Geschichte und die Figuren mehr in die Tiefe zu gehen, zu nutzen. Das Endergebnis ist ein überaus kurzweiliger Roman, bei dem man förmlich durch die Seiten – und die Story – fliegt, wo es allerdings für all jene, denen der Film noch in guter Erinnerung ist, nicht wirklich etwas Neues zu entdecken gibt.