Mit: Matt Frewer, Kenneth Welsh, Liliana Komorowska, Daniel Brochu,
Seann Gallagher, R.H. Thomson, Robin Wilcock, Alain Goulem, Kathleen McAuliffe, Julian Casey u.a.
Kurzinhalt:
Der Kronprinz von Böhmen heuert Sherlock Holmes an, da er von der Opernsängerin Irene Adler erpresst wird. Diese ist im Besitz eines kompromittierenden Fotos der Beiden – und verlangt nun, dass er sie heiratet. Irene ist Sherlock von einer früheren Begegnung bekannt; damals ist er ihrem Charme verfallen – und ihr zugleich in eine Falle getappt. Fest entschlossen, sich von ihr nicht noch einmal austricksen zu lassen, macht er sich daran, das Foto wieder zu beschaffen. Dies gelingt zwar – dabei erweist sich jedoch das betreffende Komplott nur um eine vergleichsweise banale Angelegenheit, im Vergleich zu dem, was Irene – die, quasi als düsteres Spiegelbild zum beratenden Detektiv Sherlock Holmes, als beratende Kriminelle tätig ist – sonst noch geplant hat. Denn ihr sind streng geheime Pläne einer militärischen Entwicklung in die Hände gefallen, die sie nun an den Meistbietenden zu verkaufen gedenkt. Von seinem Bruder Mycroft auf den Fall angesetzt, bittet er Irene Adler ein weiteres Mal zum Tanz…
Review:
Die ersten beiden TV-Filme dieser kanadischen "Holmes"-Adaptionen hatten ja jeweils einen der insgesamt vier von Sir Arthur Conan Doyle rund um den Meisterdetektiv geschriebenen Romane als Vorlage (nämlich "Der Hund von Baskerville" und "Das Zeichen der Vier"). Zwei weitere hätte es noch gegeben (wobei sich "Das Tal der Angst" insofern nur bedingt für eine Verfilmung anbietet, als ein Großteil der Seitenzahl für die Rückblende reserviert ist), doch statt auf eine von ihnen zurückzugreifen, wilderte man vielmehr unter den Kurzgeschichten. Dort wiederum ergibt sich das Problem, dass diese für einen neunzigminütigen TV-Film größtenteils zu kurz sind (die von mir überaus geschätzte Holmes-Serie mit Jeremy Brett müht sich ja teilweise schon ab, allein rund fünfzig Minuten zu füllen). Insofern brauchst du für so eine Länge noch zusätzliches Material, wofür sich in erster Linie zwei Lösungen anbieten: Etwas dazuerfinden, oder aber zwei Geschichten die in der Vorlage eigentlich nichts miteinander zu tun hatten miteinander verbinden. Bei "Ein Skandal in Böhmen" hat man sich letztendlich für beides zugleich entschieden.
Was frisch erfundenes Material betrifft, sticht in erster Linie die Rückblende zu Holmes' erster Begegnung mit Irene Adler hervor. Und ja, das mag nicht der Vorlage (und damit dem Doyle-Kanon) entstammen, funktioniert hier allerdings ausgesprochen gut, da diese frühere Bekanntschaft der Geschichte in der "Gegenwart" mehr Gewicht verleiht, da Holmes sie eben nicht hier erst kennen (und lieben?) lernt, sondern von seiner Seite bereits gewisse Gefühle (und sei es nur Bewunderung) mitschwingen. Wie uns dies generell erlaubt, mal einen etwas menschlicheren, gefühlvolleren und zugleich (im Hinblick auf die Ereignisse damals) auch fehlbareren Holmes zu erleben – erliegt Sherlock hier doch voll und ganz ihrem Charme, und geht der sonst so scharfsinnige Meisterdetektiv somit der "beratenden Verbrecherin" ins Netz. Nach dem Wechsel in die "Gegenwart" vermischt man dann die zwei Geschichten "Ein Skandal in Böhmen" (dem man, zumindest soweit es die wesentlichen Eckpunkte betrifft, relativ vorlagengetreu folgt) und "Die Bruce-Partington-Pläne" (von dem man nur einzelne Elemente entnimmt). Überraschenderweise funktioniert diese Mischung eigentlich ziemlich gut. In jedem Fall war "Ein Skandal in Böhmen" der kurzweiligste dieser drei TV-Filme, schon allein deshalb, weil hier mehr los war. Er profitiert darüber hinaus davon, dass sich Matt Frewer hier ungleich besser schlug als bei seinen ersten beiden Einsätzen. Zwar ist er nach wie vor weit davon entfernt, mein Lieblings-Holmes zu werden, allerdings übertreibt er es hier nicht mehr ganz so mit dessen Arroganz. Welsh ist grundsätzlich so gut wie bei den ersten beiden, bekommt hier jedoch deutlich weniger zu tun. Und auch Liliana Komorowska als Irene Adler, R.H. Thomson als Mycroft Holmes, sowie Julian Casey als Inspektor Lestrade (die beide hier neu vorgestellt werden) schlagen sich wacker.
Bevor angesichts dieses Lobs jetzt der Eindruck entsteht, dass "Skandal in Böhmen" ein Top-Film wäre: Davon ist er weit entfernt. Er ist nur in Teilbereichen immerhin ein bisschen besser als die ersten beiden dieser kanadischen TV-Produktionen, und verstand es vor allem auch, mich besser (und durchgehender) als diese zu unterhalten. So wie bei ihnen ist die Produktionsqualität – angefangen bei der Inszenierung, der Kameraarbeit, der Musik, der Ausstattung und den Kostümen – aber bestenfalls ok, jedoch nie auch nur ansatzweise herausragend. Zudem hat die Kurzweiligkeit insofern auch ihren Preis, als diese eben u.a. auf die Vermischung zweier Fälle zurückzuführen ist, und auch wenn das insgesamt recht gut gelingt, wirkt "Skandal in Böhmen" nichtsdestotrotz ein bisschen zerfahren, wie Stückwerk, und nicht wirklich wie aus einem Guss. Kein Freund bin ich auch von diesen effekthascherischen Einstiegen mit nachfolgendem Zeitsprung zurück (hier drei Tage), wie sie vor allem Anfang der 0er-Jahre zunehmend in Gebrauch kamen. Und so manch Actioneinlage wirkte auch ein bisschen aufgesetzt – wobei ich den coolen Showdown auf dem Dach von dieser Kritik wiederum bewusst ausnehmen will.
Fazit:
Der dritte dieser insgesamt vier "Sherlock Holmes"-TV-Filme aus Kanada, die kurz nach der Jahrtausendwende entstanden sind, ist immerhin eine Spur besser als die ersten beiden, aber immer noch weit von einem Highlight (und/oder Pflichtprogramm für Holmesianer) entfernt. "Skandal in Böhmen" profitiert in erster Linie von der tatsächlich coolen Änderung, Sherlock und Irene eine Vorgeschichte zu geben, was ihrer neuerlichen Begegnung hier deutlich mehr (auch emotionales) Gewicht verleiht. Matt Frewer schlägt sich hier zudem in der Titelrolle doch um einiges besser als bei seinen ersten beiden Einsätzen. Und dank der gerade erwähnten, neu erfundenen Vorgeschichte sowie den gleich zwei Fällen, aus denen man sich für diesen TV-Film bedient, ist "Skandal in Böhmen" recht kurzweilig. Jedoch: Auch wenn die Vermischung von "Ein Skandal in Böhmen" und "Die Bruce-Partington-Pläne" überraschend gut funktioniert, so tut sie dies dennoch nicht zu 100%. So wirkt das Endergebnis doch ein bisschen zerfahren und wie Stückwerk. Die Produktionsqualität ist auch bestenfalls (wenn auch immerhin) solide. Vor allem aber verstand es auch Matt Frewers dritter Einsatz nie, mich so richtig zu packen. Dennoch ist er der erste (und, so viel sei vorweggenommen, auch einzig) dieser vier TV-Produktionen, die ich Holmes-Fans zumindest ansatzweise empfehlen kann.