Mit: Nicol Williamson, Robert Duvall, Alan Arkin, Vanessa Redgrave, Laurence Olivier, Joel Grey, Samantha Eggar, Jeremy Kemp, Charles Gray, Georgia Brown u.a.
Kurzinhalt:
Dr. Watson ist ob des Zustands seines Freundes und Mitbewohners Sherlock Holmes zunehmend besorgt. Immer häufiger greift dieser zu seiner Sieben-Prozent-Lösung aus Kokain, die mittlerweile auch zu Wahnvorstellungen führt. So ist er davon überzeugt, dass es sich beim harmlosen alternden Professor Moriarty um ein kriminelles Meisterhirn handelt. John Watson wendet sich hilfesuchend an Sherlocks Bruder Mycroft. Zusammen ersinnen sie einen Plan, um Sherlock nach Wien zu locken, wo sich dieser bei Sigmund Freud wegen seiner Kokainsucht in Behandlung geben soll. Gesagt, getan. Mit Freuds Hilfe gelingt es Sherlock Holmes, den Entzug erfolgreich hinter sich zu bringen. Kurz darauf wird Freud jedoch in die Klinik gerufen. Eine frühere Patientin – ebenfalls kokainsüchtig – wurde aus der Themse gefischt, nachdem sie von der Brücke gefallen ist. Sherlock begleitet ihn, und erkennt sofort, dass diese an Händen und Füßen gefesselt war. Und so bietet sich für den Meisterdetektiv unmittelbar nach seiner Heilung gleich ein neuer Fall, auf den er sich stürzen kann…
Review:
Im Jahr 1974 veröffentlichte der spätere Drehbuchautor und Regisseur Nicholas Meyer (der u.a. die beiden "Star Trek"-Filme "Der Zorn des Khan" und "Das unentdeckte Land" inszenierte) den Roman "The Seven-Per-Cent Solution", der gleichermaßen als Parodie sowie Hommage auf die Sherlock Holmes-Abenteuer von Sir Arthur Conan Doyle gedacht war, und eine etwas andere Geschichte der Konfrontation zwischen Holmes und Moriarty zu erzählen. Denn statt Watsons früheren Schilderungen in "Sein letzter Fall" und "Das leere Haus", wo die Konfrontation der beiden schließlich am Reichenbachfall darin mündete, dass letzterer in den Tod stürzte, und ersterer seinen Tod vortäuschte, um die anderen Mitglieder der Organisation dingfest machen zu müssen, wird dies hier nun als Lüge seitens Watson offenbart, um dem Strand-Publikum die lange Abwesenheit des Meisterdetektivs zu erklären. In Wahrheit, so Meyer, begab sich dieser nämlich vielmehr bei Sigmund Freud in Behandlung seiner Kokainsucht – und war Professor Moriarty nicht etwa der Napoleon des Verbrechens, sondern ein alter Mann, der sich (von einer entscheidenden Begegnung in Sherlocks Vergangenheit abgesehen) nichts zu Schulden kommen ließ.
Der Filmproduzent und Regisseur Herbert Ross wurde auf den Roman aufmerksam, und beschloss, ihn zu verfilmen. Nicholas Meyer, der zu dem Zeitpunkt auch schon Erfahrung als Drehbuchautor hatte, adaptierte seinen eigenen Roman, während Ross den Film inszenierte (Meyer sollte erst drei Jahre später mit dem Zeitreise-Thriller "Flucht in die Zukunft" sein Regie-Debüt geben). Gerade auch bei Holmes-Verfilmungen ist die Besetzung der Hauptrollen immer von entscheidender Bedeutung. Diesbezüglich gibt es bei "Kein Koks für Sherlock Holmes" viel Licht, allerdings auch ein bisschen Schatten. Beginnen wir mit letzterem: Der Amerikaner Robert Duvall, der sich hier mit einem wenig überzeugenden britischen Akzent abmüht, ist als Dr. Watson eine doch etwas eigenwillige Entscheidung. Ich vermute mal, dass die amerikanischen Financiers eben darauf pochten; und an seiner Leistung ist ja auch grundsätzlich nichts auszusetzen. Dennoch irritiert diese Wahl, und ist Duvall auch weit von meinen Lieblings-Interpretationen der Figuren entfernt. Besser schlägt sich da schon Nicol Williamson (mir in erster Linie als Merlin aus "Excalibur" bekannt). Schon allein, da die Rolle hier deutlich anders angelegt ist als bei früheren Filmen – da vor allem im ersten Drittel Holmes' drogeninduzierte Wahnvorstellungen dominieren – profitiert er auch davon, dass sich ein Vergleich mit den Vorgängern (und Nachfolgern) von vornherein nur bedingt aufdrängt. So oder so gefiel er mir in der Rolle aber sehr gut. Das Highlight ist allerdings zweifellos Alan Arkin, dessen Akzent ich auch (im Gegensatz zu Duvall) sehr überzeugend fand. Inhaltlich sei festgehalten, dass die erste Hälfte von einem etwas anderen Blick auf Holmes dominiert ist, der absolute Puristen auch durchaus vor den Kopf stoßen könnte. Dass "Sein letzter Fall" eine einzige, große Lüge war, muss man akzeptieren könne. Mir gefiel die Idee – einfach als Alternative – aber sehr gut. Zumal man diese Ausgangssituation dafür nutzt, um einen tieferen Blick in Holmes' Psyche zu werfen, als das in praktisch allen anderen mir bekannten Filmen (oder Erzählungen) der Fall war. Vor allem die Offenbarung am Ende saß dann, denn dass Sherlocks Mutter mit Moriarty ein Verhältnis hatte, hatte ich zwar zu dem Zeitpunkt schon vermutet, nicht aber, welche tragischen Konsequenzen dies hatte. Und eben damit erklärt man hier viele dominierende Charaktereigenschaften der (fiktiven) Figur.
Positiv zweifellos auch, dass in der zweiten Hälfte dann doch noch ein klassischer Fall Einzug erhält. Dieser kann sich zwar bestimmt nicht mit dem besten messen, was die Holmes-Geschichten diesbezüglich hergeben, wusste aber durchaus zu unterhalten. Wie ich "Kein Koks für Sherlock Holmes" generell größtenteils recht kurzweilig fand. Nett auch die vor allem während Holmes Entzug aufpappenden Referenzen auf frühere (und klassische) Holmes-Abenteuer, wie "Das gesprenkelte Band" und "Der Hund von Baskerville". Und auch das Setting war für mich als Österreicher natürlich ein Plus (umso mehr, als hier – im Gegensatz zu "Sherlock Holmes und die Primadonna, auch wirklich hier gedreht wurde; wenn man sich als Ortskundiger auch über so manche Änderungen wie den Westbahnhof amüsiert). Perfekt ist der Film allerdings nicht. Mit knapp zwei Stunden ist er etwas länger als nötig, weshalb sich zwischendurch immer wieder mal kleinere Längen einschleichen; vor allem im Mittelteil, wo der Film Holmes entzugsbedingt aus den Augen verliert (man kann z.B. darüber diskutieren, ob das Tennis-Duell unbedingt notwendig war). Der Anschlag mit den Lipizzanern war zudem eher unfreiwillig komisch als packend. Und auch den Showdown fand ich, wenn auch grundsätzlich ganz nett gemacht (und mit dem Verheizen des Wagons auch durchaus amüsant), eine Spur zu lang. Überwiegend hat mich "Kein Koks für Sherlock Holmes" aber sehr gut unterhalten.
Fazit:
Die Idee, dass Dr. Watson in seinen Aufzeichnungen im Hinblick auf die Konfrontation zwischen Sherlock Holmes und Professor Moriarty, sowie die lange Abwesenheit des Meisterdetektivs, gelogen hat, mag gewisse Puristen vor den Kopf stoßen – ich fand es als alternative Erzählung aber durchaus interessant. Umso mehr, als man es nicht einfach nur bei einem Gag belässt, sondern hier so tief wie nie zuvor in die Psyche des Meisterdetektivs vordringt, und am Ende mit der Offenbarung seines Kindheitstrauma auch viele typische Charakterzüge seiner Persönlichkeit erklärt. Das hatte (für mich) definitiv seinen Reiz. In meinem Fall – als Österreicher – profitiert der Film darüber hinaus vom Setting. Und mit Ausnahme des etwas eigenwillig gecasteten Robert Duvall als Watson macht auch die Besetzung einen überwiegend guten Eindruck, wobei mich vor allem Alan Arkin als Sigmund Freud begeisterte. Mit knapp zwei Stunden ist der Film zwar länger als er sein musste (ich kenne den Roman nicht, vermute aber – vor allem auch da Nicholas Meyer sein eigenes Buch adaptierte – dass man sich etwas zu sklavisch an die Vorlage hielt), weshalb er sich stellenweise ein bisschen zieht. Und der Fall war zwar eine nette Dreingabe, aber jetzt nicht unbedingt ein Highlight unter den Holmes-Ermittlungen. Insgesamt ist "Kein Koks für Sherlock Holmes" aber definitiv zu den besseren Holmes-Filmen zu zählen.