Mit: Robert Stephens, Christopher Lee, Colin Blakely, Genevieve Page, Tamara Toumanova, Clive Revill, Irene Handl, Mollie Maureen u.a.
Kurzinhalt:
Eines Abends steht ein Kutscher vor dem Apartmenthaus in der 221b Baker Street. Er liefert eine halbnackte Dame ab, die er zuvor aus der Themse gefischt hat, und die ihm die betreffende Adresse nannte. Allerdings scheint die Frau ihr Gedächtnis verloren zu haben. Sherlock Holmes gelingt es schließlich, sie als Gabrielle Valladon zu identifizieren. Offenbar hat sie sich nach London begeben, um nach ihrem verschollenen Ehemann Emile zu suchen. Holmes und sein Partner Dr. Watson bieten ihre Hilfe an. Kurz darauf werden sie in den Diogenes Club zitiert, wo Sherlocks Bruder Mycroft ihnen befiehlt, den Fall fallen zu lassen. Doch die beiden denken gar nicht daran, dieser Anweisung Folge zu leisten, und Gabrielle im Stich zu lassen. Zusammen brechen sie nach Schottland auf, wo sie den sagenumwobenen See von Loch Ness aufsuchen. Eben dort stoßen sie schließlich auf ein streng gemeines Projekt der britischen Marine – und finden heraus, wie dieses mit sechs verschwundenen Kleinwüchsigen, dem sagenumwobenen Monster von Loch Ness, mysteriösen Mönchen sowie eben auch Gabrielle Valladon in Verbindung steht…
Review:
Zwar zeichneten sich insbesondere die Rathbone-Filme auch immer wieder mit einer gewissen Portion auflockernden Humors – für den überwiegend Nigel Bruce als schusseliger Dr. Watson verantwortlich war – aus, dennoch waren die filmischen Umsetzungen rund um Sherlock Holmes lange Zeit eine relativ ernste Angelegenheit. Regie-Legende Billy Wilder, für so Meisterwerke wie "Frau ohne Gewissen", "Sunset Boulevard", "Manche mögen's heiß" und "Das Apartment" verantwortlich, schickte sich anno 1970 an, eben dies zu ändern, und dem damals stetig wachsenden Repertoire an Holmes-Filmen eine augenzwinkernde Variante hinzuzufügen. Herausgekommen ist dabei jetzt keine Komödie (oder auch Parodie) im klassischen Sinne, aber doch ein Film mit vielen Gags, der mehr Wert auf gute Unterhaltung – und auch das Untergraben so mancher typischer Klischees – legt, als auf zentrale Mysterium, welches ich dann doch eher unter den Schwachstellen des Films einordnen würde. Wohl eben deshalb ist auch die erste halbe Stunde mein Lieblingsteil des Films.
Bereits der Einstieg ist köstlich; nicht nur spiegelt Holmes' Kritik an Watsons gar romantisierter Schilderung seiner Fälle einen ähnlichen Dialog aus den Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle wieder, ich mochte vor allem auch das Hin und Her rund um seine Klamotten, wenn Holmes meint, er müsste jetzt ständig mit dem Deerstalker-Hut und einer entsprechenden Kutte herumlaufen, und Watson trocken kommentiert: "Sag das dem Illustrator". Lustig auch, wie sich Holmes im Hinblick auf das unmoralische Angebot von Madame Petrova aus der Affäre zieht. Generell ist der Umgang mit Homosexualität, vor allem in Anbetracht der Zeit (und vielleicht mit Ausnahme von Watsons Reaktion – wobei diese natürlich ebenfalls zur Erheiterung des Publikums gedacht war), angenehm locker und offen. Wobei Wilder dann letztendlich doch davor zurückschreckt, Holmes eben dieses Label zu verleihen (bei Watson spricht ja allein schon die Vorlage, in der er später Mary Morstan heiratet, dagegen). Und generell gab es einfach zahlreiche amüsante Dialoge und gelungene Gags ("She doesn't look 38." "That's because she's 49." ist hier nur ein Beispiel von vielen). Mit dem Auftauchen von Gabrielle aka Ilsa schlägt "Das Privatleben des Sherlock Holmes" dann jedoch ernstere Töne an, und das nicht nur rund um den Fall an sich. So erfahren wir etwas über Holmes (für den Film erfundene) tragische Hintergrundgeschichte: Er war einst verlobt, dann jedoch starb seine Frau kurz vor der Hochzeit. Etwas, dass er nie überwunden hat, und ihn im Hinblick auf (weitere) romantische Verwicklungen sehr zögerlich werden ließ. Gabrielle scheint es nun zu gelingen, den daraufhin von ihm errichteten Schutzpanzer zu durchdringen – mit dem Resultat, dass er am Ende dann auch sie wieder verliert. Eben dieser Ausklang gibt "Das Privatleben des Sherlock Holmes", trotz allen Humors, eine überaus tragische Note.
Besetzungstechnisch war ich von "Das Privatleben des Sherlock Holmes" ebenfalls ziemlich angetan. Robert Stephens war insofern eine spannende Wahl, als er optisch jetzt nur bedingt der klassischen Vorstellung der Figur entspricht. Seine Performance gefiel mir aber jedenfalls sehr gut. Noch mehr hatte es mir allerdings Colin Blakely als Dr. Watson angetan, und zwar sowohl in seiner Funktion als "comic relief", als auch als würdiger Partner von Holmes. Christopher Lee wiederum ist hier (nachdem er in "Der Hund von Baskerville" 1959 als Sir Henry zu sehen war, und drei Jahre später in "Das Halsband des Todes" in die Titelrolle schlüpfte) als Sherlocks Bruder Mycroft mit von der Partie. Und Genevieve Page weiß sowohl als vermeintlich unschuldig-verwirrte Gabrielle Valladon als auch als deutsche Spionin Ilsa von Hofmannsthal zu überzeugen. Der einzige Punkt, wo "Das Privatleben des Sherlock Holmes" halt doch ein bisschen abfällt, ist das im Mittelpunkt stehende Mysterium. Der Fall ist absolut nichts Besonderes, lädt kaum zum Mitraten ein, bietet Holmes wenig Gelegenheit für seine typischen Deduktionen, und lässt es vor allem auch an Spannung vermissen – was angesichts von Billy Wilders Film Noir-Erfahrungen doch ein bisschen überrascht und enttäuscht.
Fazit:
Mit "Das Privatleben des Sherlock Holmes" nähert sich Regie-Legende Billy Wilder der Legende und Faszination von Sir Arthur Conan Doyles beliebtem Meisterdetektiv auf herrlich augenzwinkernde Art und Weise. Vor allem in der ersten halben Stunde gibt es zahlreiche Gags, die mich mindestens zum Schmunzeln, nicht selten jedoch richtig zum Lachen brachten. Anfangs habe ich zwar mit Robert Stephens ein bisschen gefremdelt, da er optisch nicht unbedingt der klassischen Darstellung der Figur entspricht, letztendlich fand ich seine Interpretation aber ebenso wunderbar, wie jene von Colin Blakely als für damalige Verhältnisse ungewöhnlich kompetenten Dr. Watson. Und auch der Auftritt von Christopher Lee wertet den Film auf. Eben diesem ging allerdings in meinen Augen ab dem zweiten Drittel ein bisschen die Luft aus. Die ernsteren Elemente bieten zwar auch einzelne Highlights, funktionieren aber insgesamt längst nicht so gut wie der Humor, wobei vor allem auch der Fall an sich doch eher enttäuscht. Dafür kann selbst der tragisch-emotionale Ausklang des Geschehens nicht ganz entschädigen.