Mit: Renate Reinsve, Bjørn Sundquist, Dennis Østry Ruud,
Bente Børsum, Olga Damani, Anders Danielsen Lie, Bahar Pars, Inesa Dauksta, Kian Hansen, Jan Hrynkiewicz, Hedda Munthe u.a.
Kurzinhalt:
An einem drückend heißen Sommertag in Oslo kommt es, nachdem es zuvor zu elektromagnetischen Störungen kam, und viele Menschen über Kopfschmerzen klagten, zu einem so unerklärlichen wie beängstigenden Phänomen: Die Toten erwachen wieder zum Leben. So hatte David noch gar nicht Zeit, den Tod seiner Frau Eva überhaupt zu registrieren, nachdem er von ihrem tödlichen Unfall erfuhr – und sich zugleich Gedanken darüber zu machen, wie er dies ihren beiden Kindern vermitteln soll – da erwacht sie im Krankenhaus wieder zum Leben. Mahler wiederum hat, so wie seine Tochter Anna, den Tod von ihrem Kind Elias nie überwunden. Als er wieder einmal sein Grab aufsucht, hört er auf einmal, wie er gegen den Sarg hämmert. Und Tora hat gerade erst ihre geliebte Elisabet im Bestattungsinstitut verabschiedet, als sie auf einmal wieder zu ihr zurückkehrt. Allerdings: Die Untoten sind leere Hüllen, ohne die Persönlichkeit, welche sie einst als sie noch unter den Lebenden weilten auszeichnete. Und so müssen sich die Hinterbliebenen die Frage stellen, wie sie mit dieser neuen Situation umgesehen sollen…
Review (kann Spoiler enthalten):
"Handling the Undead" geht auf einen Roman von John Ajvide Lindqvist – der auch am Drehbuch mitgewirkt hat – zurück. Der Name mag einigen Horror-Liebhabern insofern noch ein Begriff sein, als dieser vor rund zwanzig Jahren mit seinem Buch "Let the Right One In" eine spannende Interpretation des Vampirmythos ablieferte, dessen beide Verfilmungen – zuerst aus Norwegen, und später dann "Let Me In" aus den USA – gefeiert wurden; aus meiner Sicht auch völlig zu recht. Ich hatte mir damals seine Romanvorlage besorgt und auch gleich noch gelesen. Kurz darauf stolperte ich über "Handling the Undead", kam dann allerdings nicht mehr dazu, ihn zu lesen; seither stand er im Regal. Dass ich mir den Roman nun unmittelbar nachdem ich die Verfilmung von Thea Hvistendahl beim SLASH Filmfestival gesehen habe zur Brust nahm, sollte bereits deutlich machen, dass eben diese bei mir ordentlich Eindruck hinterlassen hat; wobei ich auch gleich sagen muss, dass ich von der Vorlage nicht ganz so begeistert war. Insofern ist es Thea Hvistendahl aus meiner Sicht perfekt gelungen, eben im Sinne einer Adaption auf diese aufzubauen, und eine in der Grundidee natürlich auch dort schon starke Geschichte mit ihren Anpassungen noch besser zu machen.
Wobei ich natürlich auch nicht bestreiten will, dass viele der Dinge, die mich an "Handling the Undead" beeindruckt haben, direkt auf Lindqvists Vorlage zurückgeht. Dazu gehört nicht zuletzt die bedrückende Grundidee. Zombie-Filme gibt es ja mittlerweile wie Sand am Meer, aber so habe ich die Untoten noch nie umgesetzt gesehen. Und zumindest ich fand die leeren Hüllen, die hier zu ihren Hinterbliebenen zurückkehren, deutlich erschreckender, als ein Zombie, der es auf mein Hirn oder mein Fleisch abgesehen hat. Damit kann ich dann doch leichter umgehen (auch wenn die Vorstellung, dass man einen entsprechend verwandelten, der einem einst nahe stand, umbringen muss um sich selbst zu schützen, natürlich auch erschreckend ist), als diese leeren Hüllen, die hier aus ihren Gräbern steigen. Roman und Film laden dabei zum philosophieren darüber ein, was den Menschen denn eigentlich zum Menschen macht – und argumentiert dabei ganz klar und eindeutig, dass es nicht unsere leibliche Hülle ist, sondern jene Persönlichkeit (oder wenn ihr so wollt, die Seele – wie auch immer man diesen Begriff definiert), die sich darin befindet. Und eben diese ist auch hier offensichtlich unwiederbringlich verloren – was die Rückkehr der (Un)Toten zu einer riesigen Belastung, um nicht zu sagen Tortur, macht. Denn dadurch wird der ohnehin schon große Horror, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen, durch einen neuen, aus meiner Sicht sogar noch größeren Horror ersetzt: Denn die leeren Hüllen, mit denen sich die Hinterbliebenen konfrontiert sehen, dienen als ständige Erinnerung daran, was man verloren hat. Sie lassen keinen Abschluss zu, und verhindern damit auch, dass man die Trauer hinter sich lassen und "weiterziehen" kann.
Eben dieser Thematik widmet man sich hier aus der Sicht von drei Figurengruppen. Auf der einen Seite sind da Anna, ihr Vater Mahler, sowie ihr kürzlich verstorbener Sohn Elias (diese kommen zwar in der Vorlage vor, bei ihrer Adaption hat Hvistendahl den Fokus aber klar auf Anna verschoben; einer jener Punkte, wo ich den Film besser fand als das Buch). Dann haben wir David, der am gleichen Abend wo die Toten wieder zum Leben (?) erwachen seine Frau Eva verloren hat, und seine beiden Kinder Flora und Kian. Und zuletzt einen für den Film neu erdachten Handlungsstrang zwischen Tora und ihre Geliebte – und kürzlich verstorbene – Elisabet. In allen drei Fällen geht es nun zwar grundsätzlich um das gleiche Thema, für mich wurden dabei aber ausreichend unterschiedliche Aspekte von Verlust und Trauer behandelt, um sie zwar ähnlich, aber eben doch nicht identisch zu machen. Ich würde gerne näher ins Detail gehen, was eben diese Unterschiede betrifft, allerdings müsste ich damit teilweise ins Spoiler-Territorium vordringen, was ich gerade auch bei diesem Film, der stark von der Frage lebt, was als nächstes passieren und wie es weitergehen wird, schade fände.
Was ich aber gefahrlos und spoilerfrei festhalten kann ist, dass sich der Handlungsverlauf in den drei Storylines stark voneinander unterscheidet. Wenn ich einen Favoriten nennen würde, wäre das wohl alles rund um Anna (irgendwie ist mir das – wohl, weil es um ein totes Kind geht, am nächsten gegangen), dann Tora, und abschließend David; was jedoch nicht heißen soll, dass ich seinen Handlungsstrang grundsätzlich schlecht fand. Insbesondere, wie schwer er sich damit tut, seinen Kindern die Situation zu erklären, stach für mich hervor. Vor allem aber bietet seine Geschichte die mit Abstand eindringlichste und verstörendste Szene des ganzen Films. Was ich an "Handling the Undead" ebenfalls sehr spannend fand ist, wie er die Makro-Ebene fast völlig ausblendet. Wir bekommen keine Newsberichte oder ähnliches zu sehen, und erfahren auch nicht, ob sich das Phänomen auf Oslo beschränkt, oder die ganze Welt betrifft. Am größeren Bild, und daran, was rundherum geschieht, ist Thea Hvistendahl nicht interessiert; sie will zeigen, wie sich dieses Ereignis auf die ausgewählten Personengruppen auswirkt, und es mit ihnen macht. Auch daran lag für mich eine wesentliche Stärke des Films (wobei ich verstehen kann, wenn andere ihm eben dies wiederum als Schwäche vorwerfen). Die schauspielerischen Leistungen waren ebenfalls durch die Bank stark, wobei ich insbesondere Renate Reinsve (die seit "Der schlimmste Mensch der Welt" völlig zu Recht international einen kometenhaften Aufstieg hingelegt hat) lobend hervorheben will. Und die sehr langsame, ruhige und teils unspektakuläre Erzählweise, die andere vor den Kopf stoßen wird, hat mich wiederum ebenfalls enorm angesprochen; wohl nicht zuletzt, als es "Handling the Undead" allein aufgrund der Ausgangssituation gelang, mich in seinen Bann zu ziehen, da ich mir unweigerlich die Frage stellte, wie ich selbst mit so etwas umgehen würde. Insofern ist mein einziger Kritikpunkt das Ende, wo aus den Untoten doch wieder eine Bedrohung wird – nicht zuletzt, als dies dem den Film zuvor dominierenden Dilemma "Was jetzt? Wie gehen wir damit nun um?" eine zu einfache Antwort gab. Das fand ich doch etwas schade.
Fazit:
"Handlung the Undead" fand ich ungemein beklemmend. Für mich waren das die wohl furchterregendsten Untoten, die ich je gesehen habe. Mit Zombies, die es auf mein Hirn abgesehen haben, kann ich umgehen; aber das fand ich echt heftig. Ich fand auch enorm interessant, wie sich der Film auf drei Personengruppen fokussiert, und die Makro-Ebene fast völlig ausblendet. Manchen mag der Film zu ruhig und/oder zu langsam erzählt sein; ich hingegen war von Anfang an voll drin, auch, weil mich die Grundidee so fasziniert und zugleich erschüttert hat, und es Regisseurin Thea Hvistendahl versteht, dem Film von Beginn an eine düster-melancholische Stimmung zu verleihen. Die schauspielerischen Leistungen sind ebenfalls stark, wobei für mich insbesondere Renate Reinsve (wieder einmal) hervorstach. Vor allem aber gab es zahlreiche extrem bedrückende Momente, die mich noch lange verfolgen werden. Schade fand ich nur, dass er auf den letzten Metern dann doch noch den Schwenk zu konventionelleren Zombie-Erzählungen vollzieht. Davon abgesehen aber wirklich stark – und definitiv (obwohl der Film vollständig auf Gore und Splatter verzichtet) nichts für Zartbesaitete.