Kurzinhalt:
Nach einem Gefecht zwischen der britischen und chinesischen Marine – beide waren der Überzeugung, sich in ihrem Hoheitsgebiet zu befinden – steht die Welt am Rande eines Krieges. Schlechte Nachrichten für die Menschheit – dafür aber gute Nachrichten wie Medienunternehmen, die von der Krise profitiert. So z.B. auch der Medienmogul Elliot Carver, der die Tageszeitung "Morgen" auflegt, und damit wirbt, heute schon die Neuigkeiten von morgen zu berichten. Was ihm im vorliegenden Fall insofern nicht schwer gefallen ist, als das besagte Gefecht von ihm inszeniert wurde, in dem er ein zuvor auf einer Auktion von Terrororganisationen gekauftes Gerät verwendet hat, um falsche GPS-Daten ans britische U-Boot zu übermitteln. Als dem britischen MI-6 die Verbindungen zwischen Elliot Carter und dem Käufer des Geräts bekannt werden, vermutet man zwar einen direkten Zusammenhang mit dem Vorfall, um das gegenseitige Säbelrasseln zu beenden, braucht man jedoch einen hieb- und stichfesten Beweis. Eben diesen soll James Bond besorgen, in dem er die Bekanntschaft mit einer alten Flamme von ihm, Paris – nun Carvers Ehefrau – wieder aufleben lässt. Parallel dazu schickt auch der chinesische Geheimdienst eine Agentin – Wai Lin – los, um den Fall zu untersuchen. Es dauert nicht lange, bis sich die beiden in die Quere kommen…
Review:
Nach der langjährigen Amtszeit von John Gardner übernahm Mitte der 90er Raymond Benson die literarischen 007-Agenden. Nach einer Kurzgeschichte und einem Roman wurde er dann schließlich auch mit der Adaption des Drehbuchs zu "Der Morgen stirbt nie" beauftragt. Diese war zugleich mein erstes Benson-Bond-Abenteuer (seine originären Werke werde ich mir in den nächsten 1-2 Jahren zu Gemüte führen) – und ich hoffe doch, dass mir die nicht nur von ihm geschrieben, sondern auch inhaltlich auf seinen Mist gewachsenen Romane mehr überzeugen werden. Denn: Von "Der Morgen stirbt nie" war ich jetzt nicht unbedingt angetan. Wobei ich auch gleich so fair sein muss, anzumerken, auch noch nie der größte Fan des Films gewesen zu sein. Den finde ich nämlich maximal solide, schon dieser hatte aber das Problem, zwar grundsätzlich eine interessante Idee sowie einen konzeptionell spannenden Bösewicht zu präsentieren, mit beiden Elementen für meinen Geschmack aber zu wenig angestellt zu haben. Denn der Plot rund um den Morgen und den drohenden Krieg ist letztendlich nur eine Ausrede, um massig Action präsentieren zu können. Womit wir schon beim zweiten Punkt sind: "Der Morgen stirbt nie" ist eben extrem actionlastig – und eine solche wird auf der Leinwand oder dem Fernseher verfolgt immer packender sein, als sie auf dem Papier zu lesen. Insofern will ich gar nicht verhehlen, dass Benson hier – zusammen mit der Tatsache, dass der Film storytechnisch doch recht dünn ist – vor einer großen Herausforderung stand.
Und ich sage auch gar nicht, dass er sich überhaupt nichts einfallen ließ, um dieser zu begegnen. So gibt es ein paar nette zusätzliche Momente rund um Wai Lin, mit denen er ihre Story sehr gefällig ergänzt. Wenn es nach mir geht, hätte er das ruhig noch ausbauen können, so dass Bond und Lin ansatzweise gleichwertige Protagonisten des Romans sind. In jedem Fall fand ich diese Ergänzungen jedenfalls wirklich gut. Eher gemischte Gefühle lösten hingegen seine Versuche aus, Carver mit einem medizinischen Problem mehr Profil zu verleihen. Am wenigsten konnte ich aber mit seiner Erweiterung von dessen Handlanger Stamper anfangen, der sich im Roman als echter Sadist offenbart; was von der Idee her vielleicht nicht uninteressant sein mag, unmittelbar nach Xenia Onatopp aus dem direkten Vorgänger "GoldenEye" aber höchst unoriginell daherkommt. Von diesem Punkt abgesehen macht Benson hier nicht einmal wirklich viel falsch – aber halt leider auch nicht unbedingt viel richtig. So würde ich seine Schreibweise zwar als solide einschätzen, ähnlich wie bei Gardner zuvor fehlte mir hier aber entweder eine deutliche Anlehnung an Flemings, oder zumindest ein eigener erkennbarer, Stil. Stattdessen liest sich das doch ziemlich trocken und ohne echtes Flair. Trotzdem möchte ich "Der Morgen stirbt nie" jetzt auch nicht schlecht reden. Was im Film funktioniert, funktioniert grundsätzlich auch hier (eben mit Ausnahme der Action, die im Film wesentlich mitreißender rüberkommt), die Story ist flott erzählt und dementsprechend recht kurzweilig, und die Grundidee rund um einen Medienmogul, der sich nicht "nur" damit begnügt, über Ereignisse (tendenziös) zu berichten, sondern diese selbst inszeniert, hat auch knapp dreißig Jahre später nichts an Reiz (und mahnender Aussagekraft) verloren. Um über 200 Seiten gute Unterhaltung zu bieten, war das aber halt leider zu wenig.
Fazit:
Zugegeben, angesichts des sehr actionlastigen Films (eben solche bieten sich für entsprechende Adaptionen in meinen Augen halt doch eher weniger an) und der doch eher dünnen Handlung hatte es Raymond Benson zweifellos nicht leicht, aus dem Drehbuch einen Roman zu schmieden. Während der Film die Schwächen mit der solide (wenn auch nicht überragend) inszenierten Action zumindest ein bisschen kaschieren kann, fördert sie das reine geschriebene Wort umso deutlicher zu Tage. Aus meiner Sicht tut Benson aber halt auch zu wenig, um auf die Vorlage aufzubauen, und diese zu erweitern. Ja, er gibt Wai Lin ein bisschen mehr zu tun; das ist für mich zugleich auch das größte Plus der Romanadaption. Demgegenüber hielt ich die medizinische Vorgeschichte von Carver jetzt nicht unbedingt für eine Bereicherung; und in der von Benson gewählten Charakterisierung wirkt Stamper wie ein (männlicher) Onatopp-Klon. Aber auch vom Schreibstil, der es mir eben genau an einem erkennbaren Stil vermissen ließ, war ich nicht übermäßig begeistert. Bond-Fans können zwar – so sich ihnen eine halbwegs günstige Gelegenheit bietet – durchaus einen Blick riskieren. Wer jedoch so wie ich schon vom Film nicht wirklich begeistert war, den dürfte der Roman wohl auch eher nicht bekehren.
Bewertung: 2.5/5 Punkten
Christian Siegel
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