Kurzinhalt:
Im Jahr 1990 kommt es am Flughafen von Washington zu einem verheerenden Flugzeugabsturz, bei dem eine alte Bekannte von James Bond, die sich zuvor erst mit ihm getroffen hat – und dabei verstört wirkte – ums Leben kommt. Davon überzeugt, dass es sich nicht um einen Unfall, sondern einen Terroranschlag handelt, lässt sich Bond der Untersuchungskommission zuweisen. Seine Ermittlungen bringen ihn unter anderem in Kontakt mit der mächtigen italienischen Mafia-Familie Nicolletti. Über diese nimmt er dann schließlich die Spur einer streng geheimen Terrororganisation mit dem Namen KALT – eine Abkürzung für "Kinder der allerletzten Tage" – auf. Schließlich kommt es zur Konfrontation, bei der – vermeintlich – ihr Anführer, General Clay, ums Leben kommt. Davon überzeugt, einen weiteren Auftrag erfolgreich abgeschlossen zu haben, wendet sich Bond neuen Aufgaben zu. Dann jedoch reckt vier Jahre später, im Jahr 1994, KALT neuerlich sein schreckliches Haupt…
Review:
Zwischen 1981 und 1996 hat John Gardner insgesamt sechszehn Bond-Romane geschrieben; bei vierzehn davon stammte die Story von ihm, zwei weitere waren Romanfassungen von Drehbüchern ("Licence to Kill" und "GoldenEye"; letzterer wird in Kürze im CrossCult-Verlag erscheinen, und auch den – voraussichtlich leider endgültigen – Abschluss ihrer Bond-Reihe darstellen). Damit hat er letztendlich sogar zwei 007-Abenteuer mehr beigesteuert, als Bonds Erfinder Ian Fleming. Wie man in meinen Reviews nachlesen kann, kam sein Output bei mir doch etwas durchwachsen an. Es gab einzelne Highlights, allerdings auch Fehlschläge; der Großteil seines Werks befand ich für mich aber im mittelmäßigen bis soliden Bereich. So gesehen ist "Kalt" – den ich auf genau diesem Niveau sehen würde – ein durchaus passender Abschluss. Ein bisschen schade ist es aber insofern, als der Roman in meinen Augen eigentlich alle Zutaten (und Grundvoraussetzungen) für ein episches Finale geboten hätte, ein paar Kritikpunkte für mich aber leider den großen Wurf verhindern.
Was in positiver Hinsicht an "Kalt" hervorsticht, ist die Zweiteilung: Es ist meines Wissens nach das erste Mal, dass – zumindest abseits von den in den Filmen präsentierten Einstiegen, die manchmal unmittelbar, manchmal aber auch etwas länger vor der eigentlichen Mission angesiedelt sind – ein Bond-Abenteuer auf zwei Zeitebenen verteilt wird. Zuerst sehen wir, wie James Bond im Jahr 1990, nach dem Flugzeugabsturz, die Ermittlungen aufnimmt, und diese mit dem Tod von General Clay vermeintlich positiv abschließt, nur um dann im zweiten Abschnitt (der 1994 angesiedelt ist) zu erfahren, dass KALT nicht einfach nur noch aktiv ist, sondern sich vor allem auch ihre Pläne letztendlich nun erst der entscheidenden Phase nähern. Das war schon ein netter, spannender Einfall. Ich mochte auch, wie Gardner hier Bond wieder ganz eindeutig am Ende seiner Karriere als Spion zeigt. So waren seine ersten Ermittlungen in dem Fall so ziemlich sein letzter aktiver Einsatz, ehe er größtenteils an den Schreibtisch versetzt wurde; etwas, woran "Lass niemals Blumen sprechen" und "Operation Seafire" ja quasi anknüpften. Auch das stellt eine so konsequente wie interessante Weiterentwicklung der Reihe – und der Figur – dar. Die im Mittelpunkt stehende Organisation wirkt zwar ein bisschen wie ein SPECTRE-Abklatsch, war allerdings als Bedrohung für die Welt im Allgemeinen und Bond im Besonderen durchaus effektiv. Die Action war solide und auch recht abwechslungsreich. Vor allem aber mochte ich, wie "Kalt" am Ende quasi in "GoldenEye" überleitet – ist dort doch von einer neuen, weiblichen M die Rede. Damit schlägt John Gardners letzter Roman die Brücke zu Pierce Brosnans Bond-Ära (bzw. auch seiner eigenen Adaption "GoldenEye").
Wo sich Gardner hingegen in meinen Augen relativ unnötigerweise selbst ein Bein gestellt hat, ist mit der Art und Weise, wie er mit dem Cliffhanger aus "Operation Seafire" umgeht. Nämlich, indem er ihn in der ersten Hälfte von "Kalt" einfach nicht thematisiert. Dies liegt natürlich daran, dass die betreffenden beiden Abenteuer zwischen der ersten und zweiten Hälfte von "Kalt" angesiedelt sind; nur sagt einem das Gardner zu Beginn nicht. Zumal in "Lass niemals Blumen sprechen" und "Operation Seafire", zumindest soweit mir bewusst, keine genauen Jahreszahlen genannt wurden. Und so fragte ich mich auf den ersten rund 150 Seiten, wo sie ist bzw. was mit ihr ist, ehe Gardner im Zwischenspiel offenbart, dass sich Bond und sie eben erst nach dem ersten Teil von "Kalt" kennengelernt haben. Das hätte Gardner anders lösen können, und meines Erachtens eben auch sollen. "Kalt" leidet darüber hinaus darunter, dass ein ganz bestimmter Twist schrecklich vorhersehbar war. Wie bei Gardner leider üblich hält sich auch die Spannung wieder ziemlich in Grenzen. Vor allem aber störte mich die Art und Weise, wie er hier die Geschichte von Bond und der gerade erwähnten Flicka von Grüße fortführt. Dass sie am Ende von "Operation Seafire" doch schwerer verletzt wurde als gedacht/gehofft, und er den beiden somit – ähnlich wie es Ian Fleming ja auch bei Tracy in "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" gemacht hat – kein Happy End gönnt: geschenkt. Völlig verkehrt fand ich jedoch, dass er hier mit Beatrice quasi gleich einen Ersatz für Flicka präsentiert – nachdem er in den beiden vorangegangenen Romanen nicht müde wurde, zu betonen, dass diese für James etwas ganz Besonderes, und eine der großen Lieben seines Lebens, sei. Wie er hier nun so kurz nach Flickas Ableben mit Beatrice ein neues Glück findet, so als wäre nichts geschehen, macht die Frauen in Bonds Leben zu austauschbaren Bettgefährtinnen. Gerade auch für Gardner, der es sich auf die Fahnen geheftet hatte, die 007-Romane aus ihren altmodischen Ursprüngen in die damalige Gegenwart zu führen, ein bedauerlicher Rückschritt.
Fazit:
Mit "Kalt" verabschiedet sich John Gardner aus der Welt von James Bond. Sein sechzehnter Roman, noch vor seiner Drehbuchadaption zu "GoldenEye" angesiedelt, dient dabei quasi als Bindeglied zwischen seinen Büchern und eben Pierce Brosnan erstem 007-Einsatz. Eben dies gibt ihm ebenso einen besonderen Reiz, wie die Aufteilung der Geschichte in zwei Teile, die vier Jahre auseinanderliegen; für Bond ein Novum. Leider fand ich die Story selbst jetzt nicht unbedingt herausragend; vor allem aber hat sich Gardner in meinen Augen sowohl mit der Art und Weise, wie er die Leser:innen nach dem Cliffhanger aus "Operation Seafire" bis zur Mitte von "Kalt" in der Luft hängen lässt, ebenso keinen Gefallen getan, wie mit der Art und Weise, wie Flicka hier einfach durch eine neue Flamme von James ersetzt wird. 007 nach Tracys Tod zum zweiten Mal allein und am Boden zerstört zurückzulassen, wäre ihrer wichtigen Rolle aus den beiden Romanen zuvor würdiger gewesen. Insgesamt hinterließ "Kalt" bei mir – ähnlich wie Gardners 007-Bücher im Gesamten – einen eher durchwachsenen Eindruck.
Bewertung: 2.5/5 Punkten
Christian Siegel
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