Mit: Sophie Wilde, Alexandra Jensen, Joe Bird, Zoe Terakes, Marcus Johnson, Miranda Otto u.a.
Kurzinhalt:
Der jüngste Schrei bei Teenager-Partys in Australien ist eine verwunschene, einbalsamierte Hand. Wer diese berührt, sieht einen Geist vor sich, und sagt man daraufhin "sprich mit mir", wird man von diesem besessen. Die wichtigste Regel dabei: Nach spätestens neunzig Sekunden muss die Verbindung unterbrochen werden. Sonst drohen einen die Geister, die man gerufen hat, nicht mehr loszulassen. Mia, die immer noch unter einem kürzlichen, schweren Verlust leidet, bricht diese Regel unabsichtlich. Nun scheint sie von einer bösen, rachsüchtigen Präsenz verfolgt zu werden. Zusammen mit ihrer besten Freundin Jade und deren Bruder Riley versucht Mia, das Rätsel der einbalsamierten Hand zu lösen und den Fluch zu brechen, bevor der Geist vollständig von ihr Besitz ergreift…
Review (kann Spoiler enthalten):
Natürlich kann sich niemand alles ansehen; insofern schließe ich nicht aus, einfach aus dem aktuellen Horror-Angebot als den USA im Allgemeinen und Hollywood im Besonderen die ganz besonders tollen Filme auch einfach nur verpasst zu haben. Meinem Empfinden nach ist der australische Output zur Zeit aber um einiges interessanter und gelungener. Nach dem letztjährigen, saucoolen, schwarzhumorigen Influencer-Thriller "Sissy" ist dafür das Spielfilmdebüt des YouTuber-Duos Daniel und Michael Philippou (bekannt für ihren "RackaRacka"-Kanal – wenn auch zugegebenermaßen nicht bei mir, da ich YouTuber, TikToker usw. noch nie wirklich verfolgt habe) das beste Beispiel – ist ihnen mit "Talk to Me" doch auf Anhieb einer der besten Horrorfilme der letzten Jahre geglückt. Zugegeben, das Grundkonzept klingt in ersten Moment nicht unbedingt originell (gleiches gilt wohl auch für meine Inhaltsangabe, die bewusst ein bisschen irreführend gehalten ist, um bestimmte Entwicklungen nicht vorwegzunehmen); die Kombination irgendwelcher jugendlicher Party-Spiele und Flüchen bzw. bösen Geistern ist insbesondere auch in den letzten Jahren keine Unbekannte (spontan fallen mir hier u.a. die "Ouja"-Filme sowie "Truth or Dare" ein). Doch die beiden schaffen es einfach nicht nur, eine wirklich großartige Variante dieser Art und Horror zu präsentieren, sondern ihr darüber hinaus auch ein paar neue Aspekte abzugewinnen.
Einen wesentlichen Anteil daran hat Hauptfigur Mia. Mit ihrem kürzlichen, tragischen Verlust lösen die beiden nämlich eine klassische Problematik solcher Filme, nämlich die Motivation der Hauptfigur. Es ist deutlich, dass Mia ihre Mutter vermisst, und die Hoffnung hat, mit Hilfe der Hand mit ihr in Verbindung treten zu können. Mehr noch als das, ist dieser Hintergrund enorm wichtig, damit wir ihre Gründe nachvollziehen können, und sie trotz ihrer fahrlässigen – aber eben verständlichen – Vorgehensweise bei einer späteren Séance unsere Sympathien nicht völlig verspielt. Einen ganz großen Anteil daran hat allerdings auch Sophie Wilde, die hier mit einer grandiosen zentralen Performance auftrumpft, und dafür sorgte, dass ich von Anfang an mit ihr mitfieberte. Darüber hinaus setzen die Philippou-Zwillinge die durchaus pfiffige Grundidee auch sehr gut um. Es gelingt ihnen, auch abseits von Mias tragischem Hintergrund die Faszination einer solchen angeblich verwunschenen Hand zu vermitteln, und aufzuzeigen, wie das Artefakt aufgrund von jugendlichen Gruppendynamiken rund um Mutproben, Adrenalinschüben und Gruppenzwang zum neuesten Partyschrei wird. Darüber hinaus bringen sie aber auch eine gewisse Drogenthematik hinein, da die Jugendlichen nach dem Kick zunehmend süchtig zu werden scheinen. Spinnt man diese Analogie weiter, dann steht die Hand letztendlich für jede Form der Droge, der man verfällt – und die in weiterer Folge das eigene Leben zerstören kann. Die betreffende Aussage ist jedoch gut verpackt, und kommt nie belehrend oder gar predigend rüber. Jedenfalls entspinnt sich aus dieser vielversprechenden Ausgangssituation in weiterer Folge eine packende Geschichte, die in erster Linie aus Mias Perspektive erzählt wird, und die eben davon profitierte, dass ich mir der Figur von Anfang an verbunden fühlte.
Dies ist auch eine ganz weitere, wesentliche Stärke des Films: So viele Horrorfilme gerade auch aus den USA präsentieren reine Klischee-Abziehbilder als Figuren, und schaffen es daher nur bedingt, mich eine Bindung zu ihnen aufbauen und dementsprechend mit ihnen mitfiebern zu lassen. Insofern sind die interessanten, vielschichtigen und sympathischen Figuren einer jener Aspekte, in denen "Talk to Me" ganz besonders positiv hervorsticht. Auch inszenatorisch ist der Film überaus fein. Ich habe wie gesagt mit ihren YouTube-Videos keine Erfahrung, dem Vernehmen nach scheinen sie dort aber eher auf Gore gesetzt zu haben; sprich, ihr Kanal hätte jetzt wohl eher nicht vermuten lassen, dass es ihnen gelingen würde, einen derart atmosphärischen Horrorthriller zu inszenieren. Klar gibt es ein paar Schockeffekte, die sind aber einerseits sehr gut platziert, und dienen andererseits dazu, die düstere Stimmung noch zu verstärken; die Philippous sind aber auf eben diese nicht angewiesen, um Spannung zu erzeugen. Die letzte wesentliche Stärke des Films ist dann dessen weitere Entwicklung. Natürlich werde ich mich hüten, diese hier jetzt schon vorwegzunehmen, aber so viel sei gesagt: Ich fand die Story in weiterer Folge durchaus bedrückend, und insbesondere der Ausgang des Geschehens ging mir nahe. Warum und wieso, entdeckt ihr besser selbst.
Fazit:
Ich hatte das große Glück, "Talk to Me" im Frühjahr bei der kleinen Ausgabe des SLASH-Filmfestivals zu sehen – und damit noch bevor der Hype aus den USA überschwappte, und möglicherweise eine Erwartungshaltung schürte, die dem Film dann vielleicht sogar eher schadet als nutzt. Doch auf die Gefahr hin, dieses Problem mit meinen Worten eher noch zu verstärken, kann auch ich mich den Lobeshymnen nur anschließen. Den YouTubern (und Film-Newcomern) Danny und Michael Philippou gelingt es hier, dem in den letzten Jahren aufgrund unzähliger 08/15-Beiträge aus Hollywood doch sehr ausgelutschtem Teenie-Besessenheits-Genre neue Aspekte abzuringen. "Talk to Me" profitiert dabei nicht zuletzt von einer charmanten Hauptfigur, mit der man mitfiebert, und aus deren Perspektive wir den Film fast ausschließlich verfolgen. Nach einer sehr dicht inszenierten, ersten Séance konzentriert sich der Film zunehmend auf den Rausch, den die Teenies bei der Erfahrung erleben. Jedenfalls: Mit dieser coolen Grundidee, den sympathischen und angenehm klischeebefreiten Figuren, dem packenden weiteren Verlauf der Handlung, einer starken zentralen Performance von Sophie Wilde, zahlreichen gruselig-atmosphärischen Szenen, sowie bedrückend-nahegehenden Momenten, und nicht zuletzt der mit sicherer Hand geführten Regie (die zu keinem Zeitpunkt erkennen oder vermuten lässt, dass es sich hier um einen Debütfilm handelt), zählt "Talk to Me" zu den besten und frischsten Horrorfilmen der letzten Zeit.