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Doppelt oder Nichts Drucken E-Mail
Drei Doppelnullen im Kampf gegen den Klimawandel Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 09 September 2023
 
Titel: "Doppelt oder Nichts"
Originaltitel: "Double or Nothing"
Bewertung:
Autorin: Kim Sherwood
Übersetzung: Roswitha Giesen
Umfang: 496 Seiten (inkl. Anhang)
Verlag: Cross Cult
Veröffentlicht: 02. Mai 2023 (D)
ISBN: 978-3-98666-200-4
Kaufen: Taschenbuch (D), Kindle (D), Taschenbuch (E), Kindle (E)
 

Kurzinhalt: Vor rund einem Jahr ist 007 spurlos verschwunden. Seither befürchtet man im MI-6, dass es im Geheimdienst ein Leck gibt. Während M und Miss Moneypenny – die Leiterin der Doppelnull-Abteilung – alles daran setzen, um dieses zu finden und zu stopfen, begeben sich drei Agent:innen auf gefährliche Mission: Sid Bashir – 009 – gelingt es, Johanna Harwood – 003 – aus den Fängen der Söldnertruppe Rattenfänger zu befreien. Allerdings befürchtet der MI-6, dass Harwood in ihrer Gefangenschaft umgedreht worden sein könnte. Eine gemeinsame Auszeit des ehemaligen Liebespaares soll Sid die Gelegenheit geben, festzustellen, wem Johannas Loyalität gilt. Dann jedoch werden die beiden von Rattenfänger-Söldnern angegriffen. Joseph Dryden – 004 – wird indes auf den Milliardär und Philanthrop Sir Bertram Paradies angesetzt, der es sich zum Ziel gemacht hat, den Klimawandel aufzuhalten. Nun jedoch sind Beweise aufgetaucht, die ihn in Verbindung mit den Rattenfänger-Söldnern – und potentiell auch den Angriffen auf Doppelnullagenten – stellen. Dryden soll seine Beziehung zu seinem ehemaligen Liebhaber Luke, der sich in den Dienst von Paradise gestellt hat, wieder aufleben lassen, und so dessen Organisation infiltrieren…

Review: Die Idee, die Welt von 007 zu erweitern, in dem man sich auf andere Doppelnullagenten fokussiert, fand ich grundsätzlich durchaus vielversprechend. Was Kim Sherwood daraus gemacht hat, fand ich allerdings leider insgesamt doch ziemlich mau. Dabei fing es eigentlich sehr vielversprechend an. Die anfängliche Rettungsmission, bei der Sid Johanna aus den Fängen von Rattenfänger befreit, war packend beschrieben, und ließ echtes Agententhriller-Flair aufkommen. Einzig an die Idee, dass die Story hier in der Gegenwart angesiedelt ist, musste mich insofern ein bisschen gewöhnen, als sich die moderne Technologie für mich doch etwas mit den mittlerweile doch ordentlich aus der Zeit gefallenen Bond-Romanen spießt. Andererseits war 007 ja gerade auch in den Filmen seiner Zeit – zumindest technologisch gesehen – gerne mal voraus, weshalb ich diesen "Kulturschock" rasch überwunden habe. Darüber hinaus hatte ich auch kein Problem mit der diversen Besetzung, die letztendlich nur folgerichtig ist. Zwar hatte ich zugegebenermaßen da und dort den Eindruck, Sherwood würde hier eine Checkliste abarbeiten, als sich selbst als liberal einstufende Person ist mir ein entsprechender Ansatz aber definitiv lieber, als die sexistischen und insbesondere rassistischen Untertöne, die Ian Flemings Romane aus heutiger Sicht stellenweise doch etwas problematisch machen. Wo es die Autorin allerdings übertreibt, ist bei so manchem gesellschaftspolitischem Statement – und das sage ich als jemand, der in der Sache voll und ganz zustimmt. Insofern ist "Doppelt oder Nichts" in meinem Fall ein Beispiel für "zum Chor predigen". Leider aber wirken diese Einschübe teilweise doch etwas aufgesetzt und deplatziert; dies gilt insbesondere für Moneypennys Vortrag zum Klimawandel, in erster Linie deshalb, weil die Person zu der sie spricht diese Probleme sicherlich mindestens genauso gut kennt wie sie. Insofern merkt man hier, dass es eben nicht darum geht, dass die Moneypenny zu ihrem Gegenüber, sondern vielmehr die Autorin zu ihren Leser:innen spricht. Das hätte man besser umsetzen können.

Besagte Elemente reißen einen zwar gelegentlich heraus, sind aber selten genug, um kein großes Problem zu sein. Schwerer wiegt da schon die zeitliche Einordnung in unserer Gegenwart. Nun ist das zugegebenermaßen kein neues Dilemma; bereits die ebenfalls in der damaligen Gegenwart angesiedelten Gardner-Romanen litten darunter, dass Bond zu dem Zeitpunkt eigentlich schon auf die sechzig zugehen musste. Wenn aber hier behauptet wird, Bond würde auf die fünfundvierzig zugehen, dann irritiert das halt schon; umso mehr, als "Doppelt oder Nichts" vereinzelt auf frühere Bond-Abenteuer (insbesondere "Der Hauch des Todes"; aber auch Vesper wird erwähnt – wenn auch irrtümlich Vester genannt) Bezug nimmt, und damit deutlich macht, dass der Roman eben sehr wohl in der Kontinuität der Ian Fleming-Romane spielen soll. Das ist halt schon ein Punkt, den man übersehen (können) muss, wenn man sich auf die Story hier einlassen will. Apropos Story: Die ist in meinen Augen ein weiterer Schwachpunkt. Einerseits ist Action hier – auch wenn der Auftakt etwas anderes vermuten lässt – doch eher Mangelware. Nun gebe ich zu, dass die Filme unsere diesbezüglichen Vorstellungen von Bond-Abenteuern zweifellos verzerrt haben, weil sooooo actionreich sind Ian Flemings Romane auch nicht immer. Dort gab es aber meistens eine packende Agenten-Handlung, sowie immer wieder mal Cliffhanger rund um Todesfallen, welche einen als Leser:in bei der Stange hielt. In "Doppelt oder Nichts" plätschert die Handlung hingegen unaufgeregt, ohne nennenswerte Höhepunkte, vor allem aber ohne jegliche Spannung, vor sich hin. Das ist definitiv eines der größten Mankos von "Doppelt oder Nichts" überhaupt. Ein weiteres sind die Figuren, die der ikonischen Vorlage einfach nicht im Geringsten das Wasser reichen können. Egal ob man ihn nun liebt oder hasst, James Bond ist eine Persönlichkeit, und verfügt über markante Charaktereigenschaften, die ihn hervorstechen lassen. Von Johanna Harwood, Sid Bashir und Joseph Dryden kann ich dies leider nicht behaupten. Insofern fühlte ich mich den Figuren in keinster Weise verbunden, und fieberte auch nicht mit, wenn sie in Gefahr gerieten – was zweifellos ein wesentlicher Grund dafür ist, dass ich "Doppelt oder Nichts" eben nie wirklich spannend fand.

Die Bond-Romane (von Ian Fleming) sind im Wesentlichen ja eine Aneinanderreihung von einzelnen Momenten, in denen sich 007 in einer haarigen Situation wiederfindet, und aus dieser entkommen muss. Ein Konzept, dass Sherwood zwar durchaus übernimmt, leider aber fand ich die besagten Situationen in diesem Fall nie wirklich interessant, geschweige denn originell. Darüber hinaus mangelt es "Doppelt oder Nichts" fast völlig auch am unverkennbaren Fleming-Flair (was allerdings zugegebenermaßen ein Vorwurf ist, den sich auch John Gardner gefallen lassen musste – dessen 007-Abenteuer ja auch nicht immer das Gelbe vom Ei waren). Die einzige Ausnahme ist die Beschreibung des Frankfurter Südbahnhofs, wo ich mich tatsächlich für einen kurzen Augenblick in einem Fleming-Roman wähnte. Leider aber war das die einzige Stelle, wo es der Autorin in meinen Augen gelang, Flemings typischen Stil einzufangen. Ein weiteres Problem die Vorhersehbarkeit der Handlung, insbesondere im Hinblick auf Paradise, sowie die Frage rund um Johanna Harwoods Loyalität. Darüber hinaus hätte es wohl zumindest ich spannender gefunden, wenn die Suche nach 007 stärker im Mittelpunkt gestanden, und idealerweise sogar die zentrale Mission gewesen wäre, um die es hier geht. Stattdessen wird sein Verschwinden, wenn auch immer wieder mal thematisiert, eher als Nebenerscheinung abgehandelt. Unsicher bin ich mir auch, was ich davon halte, dass wir hier nicht mehr den Einsatz von einer einzigen, eindeutig im Fokus stehenden, Person verfolgen, sondern gleich drei Doppelnullagenten auf ihrer jeweiligen Mission begleiten. Aus Sherwoods Sicht sollte was wohl für Abwechslung sorgen, es ist aber halt schon ein ziemlicher Bruch mit dem bisherigen Muster. Vor allem aber war es wohl hauptverantwortlich für den letzten großen Kritikpunkt, den ich "Doppelt oder Nichts" gegenüber vorzubringen habe: Mit knapp fünfhundert Seiten ist er einfach viel zu lang. Zugegebenermaßen natürlich etwas, dass in unmittelbaren Zusammenhang damit steht, dass ich die Story nicht wirklich interessant und/oder spannend fand. Weil natürlich, wenn dich eine Geschichte packt, kann sie eigentlich gar nicht lang genug sein. In diesem Fall hätte ich mir aber eben eher genau das Gegenteil gewünscht.

Fazit: "Doppelt oder Nichts" ist der erste Teil einer von Kim Sherwood geschriebenen und in der Welt von James Bond angesiedelten Trilogie – dem es allerdings in meinem Fall nicht wirklich gelingen wollte, mein Interesse auf die Fortsetzungen zu schüren; eher im Gegenteil. Zwar gibt es sporadisch durchaus gelungene Elemente, die in mir immer wieder kurz mal Hoffnung aufkeimen ließen; dies gilt insbesondere für den noch packenden Auftakt rund um die Rettungsmission, aber auch einzelne kurze Textstellen, wie z.B. die Beschreibung zum Frankfurter Südbahnhof (auch wenn ich selbst nicht beurteilen kann, wie akkurat diese ist). Insgesamt dominierte bei "Doppelt oder Nichts" für mich aber die Langeweile. Ich fand die Story einfach nicht sonderlich interessant, geschweige denn mitreißend, und die drei hier vorgestellten Doppelnullagenten waren in meinen Augen zu keinem Zeitpunkt ein adäquater Ersatz für James Bond. Darüber hinaus tat ich mir schwer, über die verworrene Kontinuität im Hinblick auf die zeitliche Einordnung des Romans hinwegzusehen. Obwohl ich in der Sache durchaus übereinstimme, fand ich zudem einzelne Passagen mit gesellschaftspolitischen Aussagen sehr aufgesetzt, und teilweise sogar richtiggehend störend. Und zu allem Überfluss war "Doppelt oder Nichts" mit knapp 500 Seiten dann auch noch entschieden zu lang – was wohl nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass er nicht einfach nur die Mission eines, sondern von gleich drei Agenten erzählt. Zwar will ich noch nicht 100%ig ausschließen, dass ich mir die weiteren beiden Bände trotzdem auch noch vorknöpfen werde. Momentan bin ich aber geneigt, die Frage aus dem Titel – Doppelt oder Nichts? – mit "Nichts" zu beantworten.

Bewertung: 1.5/5 Punkten
Christian Siegel





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