Kurzinhalt:
Ein Dachs und eine Füchsin schließen eine Wette darüber ab, wem von ihnen es zuerst gelingt, einen Mönch, der allein in einem Tempel lebt, aus diesem zu vertreiben. Dem Gewinner soll dieser dann als neue Behausung dienen. Zuerst versucht es der Dachs: Er schickt ihm die Illusion einer vom Kaiser geschickten Armee – doch der Mönch durchschaut die Täuschung. Aber auch die Füchsin hat mit ihrem Versuch, ihn in der Gestalt einen hübschen jungen Frau aus dem Tempel zu vertreiben, keinen Erfolg. Und doch bleibt dieser nicht ohne Folgen: Denn die Füchsin verliebt sich dabei in den Mönch, und er in sie. Einige Zeit später hört die Füchsin zufällig, wie Trolle auf Geheiß von Meister Onmyoji ein Komplott gegen den Mönch planen. Sie wollen ihn in seinen Träumen in die Falle locken, so dass er schließlich nie wieder erwacht. Um das Leben ihrer Liebe zu retten, wendet sich die Füchsin hilfesuchten an den Herrn der Träume…
Review:
Zum zehnten Geburtstag der "Sandman"-Comics schrieb Neil Gaiman die Novelle "The Dream Hunters", die von Yoshitaka Amano illustriert wurde – dessen Poster für den zehnten Geburtstag von "Sandman" den Autor beeindruckt hatte. Sofort nach Erscheinen wandte sich P. Craig Russell, der für den Großteil der künstlerischen Gestaltung des "Sandman"-Zyklus verantwortlich war, mit der Bitte an Gaiman, die Novelle als Comic adaptieren zu dürfen. Ursprünglich lehnte Gaiman das Gesuch – als Respekt vor Amano – ab. Zehn Jahre später, als die beiden gerade an "Coraline" arbeiteten, sah er aber genug Abstand zwischen der ursprünglichen Novelle und einer Comic-Adaption, um seinen Segen zu geben. Ich selbst habe mir nun gleich die Adaption vorgeknöpft – auch wenn mir bewusst ist, dass dies insofern nicht im Sinne des Erfinders ist, als Gaiman immer schon wollte, dass Russells Adaption quasi als Begleitwerk zur Novelle angesehen wird, diese jedoch eben nicht, wie es nun bei mir der Fall war, diese ersetzt. Aber: Ich wollte eben bei meiner Reise durch die "Sandman"-Abenteuer quasi im gleichen Medium bleiben (und meine alleinige Schuld ist es auch insofern nicht, als die Jubiläumsausgabe der Prosa-Version – zumindest momentan – vergriffen ist, während man die Comic-Adaption noch problemlos erstehen kann). Ich habe jedoch zumindest mal kurz in die ersten Seiten der Novelle hineingeschnuppert (Kindle-Leseprobe sei Dank), und die Geschichte an sich hätte mir dort sicherlich genauso gut gefallen wie hier.
Neil Gaiman erzählt hier eine märchenhafte, im feudalen Japan angesiedelte, tragische Liebesgeschichte zwischen einem Mönch und einer Füchsin. Da er sich bei "Sandman" oftmals etablierten mythologischen Figuren bediente, gingen viele auch bei "Die Traumjäger" davon aus, dass es eine Art japanische Vorlage der Sage gäbe; tatsächlich ist diese jedoch von Gaiman frei erfunden. Umso beachtlicher, wie es ihm hier gelingt, dass es sich zumindest für mich als Laien wie die Adaption einer bekannten japanischen Fabel anfühlte. Ähnlich wie bei den Kurzgeschichten-Sammlungen innerhalb des ursprünglichen "Sandman"-Zyklus spielt Morpheus im Geschehen dabei doch eine eher nur untergeordnete Rolle. Im Gegensatz zu diesen stehen hier jedoch für die Story ungleich mehr Seiten zur Verfügung, weshalb diese bei mir doch um einiges mehr Eindruck hinterließ (und emotionale Wirkung entfaltete). Was nun die künstlerische Gestaltung betrifft, muss ich – bei allem Respekt von Amano – festhalten: Ausgehend von meiner kurzen Durchsicht der Leseprobe bin ich mir ziemlich sicher, mit P. Craig Russells Adaption die für mich richtige Entscheidung getroffen zu haben. Einerseits wohl, da man sich an seinen Stil im Verlauf der Sandman-Comics halt einfach gewöhnt hat; aber auch, da mir dieser persönlich dann doch um einiges besser gefällt. Ich fand seine Illustrationen hier jedenfalls wieder einmal fantastisch, und auch die Farben von Lovern Kindzierski waren einfach nur wunderbar. Zusammen mit der wundervollen Geschichte von Neil Gaiman ergibt die Comic-Adaption von "Die Traumjäger" ein großartiges Beiwerk zur "Sandman"-Saga!
Fazit:
Zugegebenermaßen: Für die größere Geschichte rund um Morpheus ist "Die Traumjäger" von eher vernachlässigbarer Bedeutung. Was das betrifft, erinnert sie an die diversen Kurzgeschichten, die Gaiman im Verlauf des Zyklus geschrieben hat. Im Vergleich zu diesen profitiert "Die Traumjäger" jedoch davon, dass die Geschichte auf deutlich mehr Seiten erzählt wird, und dementsprechend – zumindest bei mir – um einiges mehr Eindruck hinterließ. Die Comic-Adaption von P. Craig Russell profitiert darüber hinaus davon, dass die wundervolle, von Gaiman geschriebene Geschichte um dem Stil der Comic-Reihe entsprechenden Bildern erzählt wird, und sich damit stimmig in diese einfügt. Vor allem aber ist "Die Traumfänger" einfach eine wundervolle, märchenhafte Geschichte im besten Neil Gaiman-Stil, die auch abhängig vom eigentlichen "Sandman"-Zyklus wunderbar funktioniert.