Kurzinhalt:
Im klingonischen Kloster auf Boreth wird von einem Gelehrten eine Schriftrolle gefunden, die scheinbar von Kahless selbst stammt – und die Legenden über sein Leben und seine Taten zumindest teilweise Lügen straft. Kein Wunder, dass der Fund quer durchs klingonische Reich Aufruhr verursacht, nicht zuletzt bei Kahless' Klon, der Kanzler Gowron als spiritueller Anführer des Reichs unterstützt. Aber auch an Worf, der sein Leben nach Kahless' Lehren ausgerichtet hat, geht die Entdeckung der Schriftrolle nicht spurlos vorbei. Schon bald erfordern jedoch dringlichere Angelegenheiten seine Aufmerksamkeit: Kahless kommt an Bord, und bittet ihn und Captain Jean-Luc Picard um Hilfe. Denn: Er ist davon überzeugt, dass hochrangige Mitglieder des klingonischen Militärs einen Putsch gegen den obersten Kanzler Gowron planen. Da er jedoch nicht weiß, wer genau Teil der Verschwörung ist, braucht er die Hilfe von Außenstehenden – von denen er weiß, dass er ihnen vertrauen kann. Und so brechen Picard, Worf und der Klon von Kahless auf, um die Hintermänner der Verschwörung zu entlarven, und ihre Pläne zu vereiteln. Viele Jahrhunderte zuvor, im heroischen Zeitalter, trifft der für den tyrannischen Regenten Tribut eintreibende Kahless eine folgenschwere Entscheidung…
Review (kann Spoiler enthalten):
Die dritte Staffel von "Picard" ist ja eigentlich eher eine achte Staffel von "The Next Generation". Nun habe ich meinen Review-Reigen der Romane zur Serie im letzten Jahr ja grundsätzlich abgeschlossen – allerdings nur, soweit sie auf Deutsch erschienen sind. Jedoch gab es ein paar Einträge aus der Pocket Books-Reihe, die der Heyne-Verlag damals ausgelassen hat. Eben die will ich mir nun, angefixt von der 3. "Picard"-Season (wenn mich diese auch bislang leider wieder einmal nicht wirklich überzeugt), auch noch vorknöpfen. Den Anfang macht der im Sommer 1996 zuerst als Hardcover-Edition erschienene (und nicht der durchnummerierten Reihe zugehörige) "Kahless" von Michael Jan Friedman. Der Roman ist dabei zweigeteilt – wobei die Erzählstränge parallel voneinander in immer abwechselnden Kapitel erzählt werden: In "The Modern Age" wird die Geschichte rund um die Verschwörung im klingonischen Reich erzählt, während man in "The Heroic Age" die wahre Geschichte von Kahless der Legende gegenüberstellt. Beginnen wir mit ersterer: Diese punktet mit der netten Paarung von Kahless, Worf und Picard, die hier gemeinsam der Verschwörung auf den Grund gehen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Kanzler Gowron abzulösen. Ihr Zusammenspiel war schon nett zu beobachten. Zudem fand ich den Kahless-Klon als Figur hier, im Gegensatz zur TNG-Folge "" wo dieser vorgestellt wurde, interessant. Jetzt hatte er sich endlich mit seiner Klon-Herkunft abgefunden, da kommt diese Schriftrolle daher, die "seine" Heldentaten in Zweifel zieht – und ihn damit ebenfalls in eine Identitätskrise stürzt. Denn: Wenn vieles von den Legenden über "ihn" gelogen (oder zumindest übertrieben) war, macht ihn das nicht auch zugleich zu einem Betrüger? Vor allem dieser innere Zwiespalt, sowohl von ihm – aber durchaus auch von Worf, der sein Leben nach Kahless' Lehren ausgerichtet hat – wertete diesen Handlungsstrang auf. Der Verschwörer-Plot an sich war hingegen sehr generisch, und ließ es auch an Spannung eher vermissen.
Das Herzstück von "Kahless" ist jedoch ganz klar der in der klingonische Heldenära angesiedelte Teil rund um das Leben von Kahless. Zwar kann ich mir vorstellen, kann es einige geben wird, denen diese Entmystifizierung dieser historischen Figur nicht unbedingt gefällt – ich hingegen fand es wirklich klasse. Michael Jan Friedman gelang es in meinen Augen ausgezeichnet, aus der Legende (teilweise aus TNG bekannt, teilweise von ihm erfunden) die Wahrheit dahinter zu extrapolieren, und damit zugleich die teils fast schon übernatürlich anmutenden Leistungen von Kahless auf den realistischen Boden der Tatsachen zurückzubringen. Mehr noch als die Wahrheit hinter so legendären Leistungen wie dem tagelangen Kampf gegen seinen "Bruder", überraschte mich dabei die Charakterisierung der Figur an sich. Von einigen Klingonen der "Gegenwart", darunter auch Worf, wird er als fast schon makelloser Held, der stets zu seinen Werten gestanden ist, verehrt – und auch wenn es dafür durchaus einen wahren Kern gibt, da er sich in der Tat weigerte, die Untertanen seines Herrn dafür zu bestrafen, dass sie selbst nichts mehr hatten, dass sie diesem als Tribut hätten geben können, so war er eben nicht der heldenhafte Freiheitskämpfer, als der er Jahrhunderte später gesehen wird. Denn eigentlich hatte Kahless kein Interesse daran, eine Rebellion gegen Molor anzuführen. Vielmehr wollte er einfach den Rest seines Lebens mit der ihm Angetrauten in Ruhe und Frieden verbringen. Erst der Überfall von Molor, der seiner Geliebten das Leben kostete, sowie eben sein – der Legende nach verräterische – treue Weggefährte Morath brachten ihn dazu, umzudenken. Und auch die entscheidende Schlacht gegen Molor verlief dann nicht ganz so, wie man es sich Jahrhunderte später erzählt. Insgesamt liefert Michael Jan Friedman mit diesem Teil des Romans ein fantastisches (und mahnendes) Lehrstück darüber ab, wie Legenden entstehen, und manchmal Jahrhunderte später die (von den Siegern geschriebene) Vergangenheit verzerrt werden kann, welches sich die höchste Auszeichnung verdient, die man einem "Star Trek"-Werk nur verleihen kann: Faszinierend!
Fazit:
In "Kahless" erzählt Michael Jan Friedman einerseits die Geschichte, wie der Klon von Kahless zusammen mit Jean-Luc Picard und Worf versucht, den Sturz von Kanzler Gowron zu verhindern, und rollt andererseits die Wahrheit hinter der Legende von Kahless auf. Während ersteres zwar soweit ganz kurzweilig, aber doch auch ziemlich 08/15 und belanglos ist, hat mich alles rund das wahre Leben von Kahless gerade auch im Vergleich zu dem sich in den nachfolgenden Jahrhunderten darum bildenden Mythos schwer begeistert. Michael Jan Friedman zeigt hier auf wunderbare Art und Weise auf, wie aus historischen Fakten durch Übertreibung und Mystifizierung eine zwar auf diesen basierende, jedoch ihr eben nicht mehr 100%ig entsprechende Legende wird. Diesen Teil des Romans fand ich wirklich faszinierend. Die Story in der "Gegenwart" konnte hier nicht mithalten, war aber zumindest solide genug, um den Gesamteindruck nicht zu sehr zu trüben.
Wow! Wer hätte gedacht, dass es ausgerechnet der von dir nur bedingt geschätzte Michael Jan Friedman schaffen würde, sich zumindest für die Hälfte eines seiner Romane ein "Faszinierend!" zu verdienen. Wenn das der arme John Vornholt wüsste...
Oh, da hat aber jemand sehr genau aufgepasst - ich fühle mich geehrt! In der Tat, da hast du recht. Neben "Die andere Seite" stellt "Kahless" für mich definitiv das Highlight aus seiner "Star Trek"-Bibliographie dar. Der Rest fand ich ja zumeist doch eher mittelmäßig.
Und wer weiß, vielleicht gibt's da draußen ja doch noch ein gutes Vornholt-Buch, dass ich nur noch nicht kenne