Steirische Backhendln mit grausiger Beilage
Kategorie:
Literatur & Comics -
Autor: Christian Siegel - Datum:
Montag, 17 April 2023
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Titel: |
"Der Knochenmann" |
Bewertung: |
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Autor |
Wolf Haas |
Umfang: |
160 Seiten |
Verlag: |
Rowohlt |
Veröffentlicht: |
1997 |
ISBN: |
978-3-4992-2832-2 (D) |
Kaufen: |
Taschenbuch (D) |
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Kurzinhalt:
Ein paar Monate nachdem er den Fall in Zell am See erfolgreich gelöst hat, erhält Simon Brenner seinen nächsten Fall: Er soll in der Backhendlstation Löschenkohl in der Steiermark ermitteln. Dort wurde vor ein paar Wochen ein grausiger Fund gemacht, der nun in Kürze auch in einer Ausgabe von "Aktenzeichen XY ungelöst" vorgestellt wird, nämlich menschliche Knochen, die zusammen mit den tierischen Überresten in der Knochenmaschine hätten zermalmt werden sollen; doch der Küchenhelfer hat aufgepasst und Alarm geschlagen. Der Brenner wundert sich zwar kurz darüber, dass jene Person, die ihn engagiert hat – die Schwiegertochter des Wirts – nicht selbst vor Ort ist, lässt sich davon aber nicht lange von seinen Ermittlungen abhalten. Und so sperrt er die Lauscher auf, spricht mit den Leuten in der Umgebung, und löst letztendlich einen verzwickten Fall, in dem spurlos verschwundene Menschen ebenso eine Rolle spielen, wie der in einem Fußballsack gefundene abgetrennter Kopf, sowie die Nachwehen des in den 90ern im ehemaligen Jugoslawien tobenden Krieges…
Review:
"Der Knochenmann" ist vom Stil her natürlich nicht mehr ganz so frisch wie der erste "Brenner"-Roman. Mittlerweile hat man sich an den Plauderton gewöhnt, und mag ihn etwa, oder hat sich den zweiten Roman wohl erst gar nicht zugelegt. Wolf Haas kompensiert diesen Gewöhnungsfaktor durch einen – zumindest in meinen Augen – um einiges verzwickteren Fall, in dem es gleich um mehrere verschwundene Personen geht, und eine Verbindung zur Prostitution ebenso gegeben ist, wie zum damals vor der österreichischen Haustür tobenden Jugoslawien-Krieg. Aber auch Fußball, sowie natürlich das Wirtshaus, in dem der Brenner während seiner Ermittlungen unterkommt – und dort insbesondere die Knochenmaschine, die für die grausigeren Elemente des Falls verantwortlich ist – spielen eine Rolle. Darüber hinaus ist der Roman – eben wegen dem Jugoslawien Krieg, aber auch der Referenz zu "Aktenzeichen XY ungelöst" – stärker in der Zeit verankert, in der er geschrieben wurde bzw. die Handlung angesiedelt ist, als "Auferstehung der Toten" (der abseits moderner Technologie auch genauso gut in der aktuellen Gegenwart spielen könnte). Auch das gab ihm für mich einen zusätzlichen Reiz.
Eine weitere Stärke war für mich auch wieder die Figur des Simon Brenner. Ich bin zugegebenermaßen nicht der allergrößte Krimi-Kenner; aus meiner Sicht ist das mit eines der produktivsten literarischen Gattungen, und dementsprechend schwer im Überblick zu behalten (umso mehr wie jemanden wie mich, der primär im SF-Genre beheimatet ist), aber für mich sticht er als Ermittler mit seiner Art doch ziemlich heraus. Er ist weder ein vom Leben geprügelter und dementsprechend verbitterter Wallander, noch ein Sherlock- oder Poirot-artiges Genie – sondern eher ein "Normalo", ein Mann wie du und ich. Das macht ihn sympathisch, und man kann sich wie ich finde leicht mit ihm identifizieren. Ein weiteres Plus ist für mich als Österreicher natürlich auch das Lokalkolorit. Mit die größte Stärke – sofern man den Stil mag – war für mich aber auch hier wieder der Plauderton, mit dem die Geschichte erzählt wird. Im Vergleich zum ersten Roman hält sich Haas dabei diesmal mit den Gedankensprüngen ein bisschen zurück, davon abgesehen fühlt sich aber auch "Der Knochenmann" wieder so an, als würde man die Geschichte von jemandem – möglicherweise ja sogar im Wirtshaus bei einem steirischen Backhendl und einem Krügerl Puntigamer sitzend – erzählt bekommen. Zugegeben, ganz so frisch wie bei "Auferstehung der Toten" wirkt diese Idee nicht mehr; der deutlich komplexere und auch mitreißendere Fall macht dies aber locker wieder wett.
Fazit:
Ich würde behaupten, wer den Vorgänger mochte, dem wird auch "Der Knochenmann" wieder gefallen. Zwar fehlt dem zweiten Teil – no na –der Novum-Charakter des Vorgängers, wo der ungewöhnliche Plauderton (der sicher nicht jedermanns Sache ist) einfach noch die Spur mehr hervorstach; dafür fand ich den Fall diesmal ausgeklügelter und spannender. Gut gefallen haben mir zudem das örtliche und zeitliche Setting (letzteres merkt man ihm stärker an, als "Auferstehung der Toten"), sowie natürlich auch die Hauptfigur Simon Brenner. Die größte Stärke ist und bleibt aber der Erzählstil – natürlich immer vorausgesetzt, dass man mit eben diesem etwas anfangen kann.
Bewertung: 4/5 Punkten
Christian Siegel
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