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Das Bernstein-Teleskop Drucken E-Mail
Famoser Abschluss der Trilogie Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Dienstag, 14 Februar 2023
 
Titel: "Das Bernstein-Teleskop"
Originaltitel: "The Amber Spyglass"
Bewertung:
Autor: Philip Pullman
Übersetzung: Reinhard Tiffert & Wolfram Ströle
Umfang: 384 Seiten (D)
Verlag: Carlsen (D), Scholastic (E)
Veröffentlicht: 2000 (E)
ISBN: 978-3-551-58037-5 (D)
Kaufen: Taschenbuch (D), Kindle (D), Taschenbuch (E), Kindle (E)
 

Kurzinhalt: Lyra wurde von Mrs. Coulter gefangen genommen. Um sie vor dem Magisterium zu beschützen, hält sie ihre Tochter – die sie bewusstlos hält – versteckt. Will macht sich indes mit Hilfe des magischen Messers, dem goldenen Kompass sowie zwei Engel, die auf der Seite von Lord Asriel gegen die Autorität kämpfen, auf die Suche nach Lyra. Nachdem er diese – auch mit Hilfe von Iorek Byrnson – gefunden hat, gelingt es ihm, sie aus dem Griff von Mrs. Coulter zu befreien. Lyra hat indes während ihrer Bewusstlosigkeit von Roger geträumt – glaubt jedoch, dass es sich dabei um mehr gehandelt hat als um reine Träume. Sie ist davon überzeugt, dass Roger im Land der Toten ihre Hilfe braucht – und kann schließlich Will dazu überreden, sie mit Hilfe des magischen Messers dorthin zu bringen. Doch ihr Bestreben, Roger zu helfen, bzw. Wills Vater wiederzusehen, wird von den beiden einen hohen Preis erfordern. Das Magisterium baut indes an einer Waffe, mit der sie Lyra – die sie für die Wiedergeburt von Eva halten – in jeder möglichen Welt, in der sie sich befindet, ausschalten können. Lord Asriel beginnt indes mit seiner Streitmacht, der u.a. auch Hexen und Harpyien angehören, seinen Feldzug gegen die Autorität. Und Mary Malone findet sich in einer Welt voller fantastischer Wesen wieder – wo sie schließlich mit Hilfe des von ihr gebauten Bernstein-Teleskops eine erschreckende Entdeckung macht…

Review: Auch beim dritten Teil der Trilogie gilt wieder, dass ich diesen erst gelesen habe, nachdem ich mit der dritten und letzten Staffel der Serie durch war. Insofern möchte ich auch hier den ersten Absatz den Unterschieden zwischen beiden widmen; auch wenn es insofern ein bisschen verkehrt herum sein mag, als das Buch natürlich zuerst kam, und dies somit eigentlich Teil der Episodenreviews hätte sein müssen. In meinem Fall habe ich aber eben nun vielmehr den Roman mit der Adaption verglichen, statt umgekehrt. Positiv stach mir dabei ins Auge, dass mir manche Zusammenhänge hier klarer waren bzw. wurden als in der Serie. Dies gilt unter anderem für die Erklärung, warum Lyra und/oder Will nicht dauerhaft in einer anderen Welt (über-)leben können. Besser als in der Serie gefiel mir auch, dass hier bei der großen Schlacht gegen die Autorität auch Iorek Byrnison nochmal zu einem großen Auftritt kommt, was dieser einen noch etwas runderen Eindruck verlieh, da sich so quasi der Kreis zum ersten Band (besser/stärker) schließt; demgegenüber war er in der TV-Adaption ja nach dem Gespräch mit Lord Asriel weg, ohne nochmal einen letzten Moment mit Lyra und/oder Will zu bekommen. Demgegenüber gefiel mir dort die Entwicklung sowohl von Marisa Coulter als auch Lord Asriel besser, und war vor allem auch der Ausgang ihres "redemption-arcs" dort wesentlich dramatischer und berührender. Generell gelang es Jack Thorne und seinen MitstreiterInnen hier ausgezeichnet, auf die Vorlage aufzubauen und sie zu erweitern. Denn wo "Das Bernstein-Teleskop" – durchaus verständlicherweise – stark auf Lyra und Will fokussiert war, widmete man sich in der Serie auch stärker den anderen Figuren, und zeigte z.B. auch deutlich mehr von Lord Asriels Feldzug. Aber auch Marisa Coulter bekam dort um einiges mehr zu tun, als im Buch. Last but not least: Ich weiß natürlich, dass es in erster Linie auf die positive Entwicklung rund um LGBTQ-Repräsentation in den letzten Jahren zurückzuführen war, und es für Philip Pullman wohl als er über 20 Jahre zuvor die Vorlage geschrieben hat undenkbar war; aber ein bisschen enttäuscht war ich schon, als sich Marys Liebe des Lebens im Roman als Mann herausstellt. Das gab dieser Beziehung – und ihrer Entscheidung, der Kirche den Rücken zu kehren – in der Serie nochmal eine zusätzliche Bedeutung.

Letztendlich halten sich in meinen Augen aber jene Aspekte, wo ich die Vorlage besser oder eben schlechter fand als die Serienadaption, so ziemlich die vage. Heißt auch, dass ich insgesamt von "Das Bernstein-Teleskop" (wie eben auch der dritten Staffel) sehr angetan war. Gewisse Schwächen, die bereits die ersten beiden Bände zum Teil plagten, finden sich zwar auch hier wieder. Wie eben, dass Pullman teilweise etwas oberflächlich bleibt, und – zumindest abseits des zentralen Paars Lyra und Will – den Figuren nicht immer jene Tiefe gibt, die ich mir persönlich wünschen würde. Davon abgesehen hatte ich an "Das Bernstein-Teleskop" aber nichts auszusetzen, und halte ihn insgesamt definitiv für den besten der drei "His Dark Materials"-Romane. Was er mit diesen teilt ist, dass mir einfach Pullmans Geschichte enorm gut gefällt. Sie ist von ihm ja ganz bewusst als Gegenentwurf zu beispielweise der mir deutlich weniger zusagenden siebenteiligen "Narnia"-Reihe von C.S. Lewis gedacht, die mit ihrer christlichen Symbolik teils schon propagandistische Züge annahm. Philip Pullmans deutlich wissenschaftlicher geprägtes Weltbild, welches sich zudem sehr kritisch mit religiösen Institutionen, Dogmen usw. auseinandersetzt, und andererseits klare Statements in Richtung Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung ablegt, liegt mir da bedeutend näher. Die Hauptzielgruppe von jüngeren Leserinnen und Lesern werden dabei wichtige Werte vermittelt (nur ein Beispiel: "I came to believe that good and evil are names for what people do, not for what they are." – dem stimme ich aber sowas von zu!), und zudem zu kritischem Denken angeregt. Zudem bezieht er ganz klar gegen die dominierende christlich-religiöse Doktrin ab, die Liebe und/oder Lust als etwas moralisch Verwerfliches verurteilt, und macht vielmehr die aufkeimende junge Liebe zwischen Lyra und Will zum zentralen, die Welten rettenden Handlungselement. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist zudem, wie die einzelnen, zuvor etablierten Storylines hier zu einem stimmigen Ganzen zusammenlaufen. Und das Finale fand ich dann, wie auch in der Serie, einfach nur wunderschön, und auch durchaus bewegend.

Fazit: Der dritte Band der "His Dark Materials"-Trilogie war für mich zugleich auch ganz klar der beste. Zwar verhindern die auch hier wieder vorhandenen Schwächen – u.a. der fast schon zu starke Fokus auf Lyra und Will, der dafür sorgt, dass andere Handlungsstränge und insbesondere Figuren, denen sich Pullman doch eher nur oberflächlich widmet, doch etwas zu kurz kommen – eine Wertung auf dem Niveau des besten, was die Fantasy-Literatur zu bieten hat, aber inhaltlich und von der Aussage her hat mich "Das Bernstein-Teleskop" wieder enorm angesprochen. Hier befinden sich Philip Pullman und ich einfach eindeutig auf derselben Wellenlänge. Im Vergleich zu den ersten beiden Teilen profitiert "Das Bernstein-Teleskop" zudem davon, wie hier die zuvor etablierten Handlungselemente nun zu einem stimmigen und in weiterer Folge hochdramatischen Finale zusammenlaufen. Spannend fand ich zudem, dass meine Meinung zu Roman und Serienadaption – trotz individueller Stärken und Schwächen – auch hier wieder nahezu deckungsgleich ist, was für die Arbeit von Jack Thorne und seinen Mitstreitern spricht. In jedem Fall ist die "His Dark Materials"-Trilogie ein wunderbares Fantasy-Abenteuer, dass ich im Gegensatz zur Narnia-Reihe allfälligen Kindern meinerseits nicht einfach nur bedenkenlos, sondern mit großer Freude und Begeisterung vorlesen würde.

Bewertung: 4/5 Punkten
Christian Siegel





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