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Die Morde des Herrn ABC Drucken E-Mail
Misslungene Staffelübergabe an Hercule Poirot Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 03 Dezember 2022
 
Advent-SPECiAL

 
Die Morde des Herrn ABC
Originaltitel: The Alphabet Murders
Produktionsland/jahr: UK 1965
Bewertung:
Studio/Verleih: Lawrence P. Bachmann Productions/MGM
Regie: Frank Tashlin
Produzenten: Lawrence P. Bachmann & Ben Arbeid
Drehbuch: David Pursall & Jack Seddon, nach dem Roman von Agatha Christie
Filmmusik: Ron Goodwin
Kamera: Desmond Dickinson
Schnitt: John Victor Smith
Genre: Komödie/Krimi
Kinostart BRD: 18. Februar 1966
Kinostart UK: 15. Juli 1966
Laufzeit: 90 Minuten
Altersfreigabe: FSK ab 16
Trailer: YouTube
Kaufen: DVD
Mit: Tony Randall, Robert Morley, Anita Ekberg, Maurice Denham, Guy Rolfe, Sheila Allen, James Villiers, Julian Glover, Margaret Rutherford, Stringer Davis u.a.


Kurzinhalt: Der weltberühmte belgische Privatdetektiv Hercule Poirot befindet sich gerade in London, als eine Mordserie der Polizei Rätsel aufgibt. Das erste Opfer war Albert Aachen, das zweite Betty Barnard. Abseits der Parallele, dass ihre Vor- und Nachnamen jeweils mit dem gleichen – aufsteigenden – Buchstaben beginnen, scheint es zwischen ihnen keine Gemeinsamkeit zu geben. Das Motiv des Täters scheint somit tatsächlich nur in ihren Namen zu bestehen. Poirot gelingt es schließlich, Carmichael Clarke als das nächste vermutliche Opfer zu identifizieren. Die Polizei ist über seine Einmischung jedoch alles andere als erfreut; weniger, weil sie seine Hilfe nicht zu schätzen wüssten, als dass Chief Inspector Japp befürchtet, dass er sich damit in große Gefahr begibt. Und auf die Publicity, dass Poirot in England etwas zugestoßen ist, kann die britische Polizei gut und gerne verzichten. Er stellt deshalb Constable Hastings ab, um ein Auge auf Poirot zu haben. Danach muss Hercule Poirot somit nicht nur den Mörder identifizieren, sondern sich darüber hinaus immer neue Wege überlegen, um seinem Schatten zu entkommen…

Review: Szenenbild. Wenn man den Namen Hercule Poirot hört, denkt man wohl in erster Linie an David Suchet, Peter Ustinov, und neuerdings von mir aus auch Kenneth Branagh. Einige mögen zudem im Kopf haben, dass Agatha Christies wohl berühmtester Detektiv in der starbesetzten ersten Verfilmung von "Mord im Orient-Express" noch von Albert Finney gespielt wurde. Dass sechs Jahre zuvor bereits Tony Randall in die Rolle geschlüpft war, um die ABC-Morde zu lösen (von Austin Trevor, der ihn in den 30ern in drei Filmen spielte, und der hier in einer kleinen Gastrolle zu sehen ist, jetzt mal abgesehen), daran dürften sich aber wohl nur die Wenigsten erinnern. Und das ist auch gut so. "Die Morde des Herrn ABC" waren damals MGM's Reaktion darauf, dass aus einem ursprünglich angedachten fünften Miss Marple-Film nichts wurde; wobei sich Margaret Rutherford und Stringer Davis zumindest dazu überreden ließen, hier einen kleinen Gastauftritt zu absolvieren, in dem Ms. Marple und Mr. Stringer auf Hercule Poirot und Hastings treffen. Es ist das einzige Highlight in einem ansonsten leider fast völlig misslungenen Film.

Dies überrascht umso mehr, als für "Die Morde des Herrn ABC" ein Großteil des Teams der Marple-Filme zurückgebracht wurde. Die Autoren David Pursall und Jack Seddon hatten an den Drehbüchern zu drei ihrer vier Kino-Fälle mitgewirkt, und auch Produzenten, Komponist und Kameramann waren identisch. Lediglich eine Schlüsselposition musste neu besetzt werden, da sich der Regisseur der vier Marple-Filme, George Pollock, zu dieser Zeit um die erste britische Filmadaption von Agatha Christie's "Und dann gabs keines mehr" (Review folgt) kümmerte. Und vermutlich war genau das der Knackpunkt, denn an seiner Stelle nahm Frank Tashlin auf dem Regiestuhl Platz. Der begann seine Karriere als Regisseur von "Looney Tunes"-Cartoons, ehe er ins Fach der (Real-)Komödien wechselte. Hier bringt er nun einen – wenn man den Informationen im Internet trauen kann im Drehbuch ursprünglich nicht enthaltenen; dementsprechend unzufrieden waren Pursall und Seddon mit seiner Umsetzung – extrem cartoonish-slapstick-artigen Humor mit hinein, der zumindest für mich überhaupt nicht zu Hercule Poirot passen wollte, und auch schon bei Miss Marple (zumindest in dieser Form und Menge) Fehl am Platz gewesen wäre. Ja, natürlich waren Margaret Rutherfords Marple-Filme amüsant, aber einerseits ging der Humor dort nie auf Kosten der Spannung bzw. des Falls – oder, anders ausgedrückt, überlagerten die Komödien- nie die Krimi-Elemente. Vor allem aber ergaben sich die Gags dort in erster Linie aus den Interaktion zwischen den Figuren bzw. den Dialogen heraus. Klassische Situationskomik mag zwar da und dort ebenfalls vorhanden gewesen sein, stand dabei jedoch nie im Mittelpunkt. "Die Morde des Herrn ABC" hingegen ist nun voll von solchen Einlagen – weshalb das Ganze letztendlich eher an die (allerdings deutlich besseren und lustigeren) "Pink Panther"-Filme mit Peter Sellers erinnert, als an die vier Abenteuer mit Miss Marple. Vor allem aber: Wo ich die vier Marple-Filme wirklich lustig fand, hat der Humor hier für mich einfach überwiegend nicht gezündet. Vor allem dem Hickhack zwischen Poirot und Hastings (welches mich wiederum an Clouseau und Cato erinnerte) wurde ich rasch überdrüssig.

Szenenbild. Vor allem aber: Bei Miss Marple hat einfach, trotz tendenziell zunehmender Komödien-Elemente, die Mischung bis zuletzt gestimmt. Hier hingegen wird der eigentliche Fall völlig vom (in meinem Fall eben noch nicht mal zündenden) Slapstick-Humor ertränkt. Zu keinem Zeitpunkt ist der Film diesbezüglich spannend, würden wir die einzelnen Verdächtigen – insbesondere natürlich Amanda Beatrice Cross – näher kennenlernen, und/oder der Fall zum Miträtseln einladen. Tatsächlich wirkt alles rund um die ABC-Morde letztendlich eher wie ein nachträglicher Einfall, der dann rund um die Gags noch schnell nachgedreht wurde. Schade ist dies insbesondere deshalb, als Anika Ekberg in der Rolle zu überzeugen versteht. Robert Morley ist als Hastings ebenfalls nicht schlecht, wenn er auch hier deutlich glückloser ist als bei seinem Auftritt (natürlich in anderer Rolle) in "Der Wachsblumenstrauß". Und dann ist da noch Tony Randall, dessen Interpretation von Hercule Poirot ich einfach nur furchtbar fand. Insgesamt verströmt "Die Morde des Herrn ABC" leider in erster Linie den perversen Charme eines filmischen Unfalls, der einen mit verstreichender Laufzeit zunehmend fassungslos macht.

Fazit: Wenn man bedenkt, dass hier ein Großteil des Teams der vier so erfolgreichen wie gelungenen "Miss Marple"-Filme von MGM für Hercule Poirots ersten Kinoeinsatz (nach den drei Filmen aus den 30ern) verantwortlich war – mit Regisseur George Pollock als große und wohl entscheidende Ausnahme – fragt man sich unweigerlich, was zur Hölle hier denn schiefgelaufen ist. Wo die vier Filme mit Margaret Rutherford trotz aller Comedy-Elemente in erster Linie Krimis waren, und dort der Humor zudem mit relativ feiner Klinge transportiert wurde, kommt er hier mit dem Holzhammer daher. Die Mischung aus Agatha Christie-Vorlage und cartoonhaftem Slapstick hat dabei zumindest für mich überhaupt nicht funktioniert. Der grundsätzlich spannende Fall wird von diesem überbordenden – und in meinem Fall noch dazu größtenteils nicht zündenden – Humor völlig überlagert, und kam daher überhaupt nicht zur Geltung. Das Endergebnis hat letztendlich mehr mit den zeitgleich entstandenen – und ungleich besseren – "Pink Panther"-Filmen mit Peter Sellers, bzw. auch einer Parodie á la "Eine Leiche zum Dessert – gemein, als mit den wunderbaren, unterhaltsamen "Miss Marple"-Filmen. Kein Wunder, dass Hercule Poirot nach diesem filmischen Desaster erstmal eine kreative Kino-Pause einlegte– um schließlich mit "Mord im Orient-Express" eine triumphale Rückkehr hinzulegen.

Wertung:3 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 1965 MGM)


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