Mit: Aisha Dee, Hannah Barlow, Emily De Margheriti, Daniel Monks, Yerin Ha, Lucy Barrett u.a.
Kurzinhalt:
Nach einer nicht immer leichten Kindheit hat Cecilia unter ihrem neuen Namen Sissy mittlerweile zu sich selbst gefunden. In ihrem erfolgreichen YouTube-Kanal versucht sie ihren zahlreichen FollowerInnen die Mittel mit auf dem Weg zu geben, um sich selbst zu helfen, und zu lernen, eine sichere Zone um sich einzurichten, und mit sich selbst ins Reine zu kommen. Dann trifft sie eines Tages im Supermarkt zufällig auf Emma. Diese war einst ihre beste Freundin, ehe sich die beiden zunehmend entzweiten. Emma ist ob des Wiedersehens überschwänglich, und lädt sie zu ihrer an diesem Abend stattfindenden Junggesellinnen-Abschiedsparty ein. Diese ist jedoch eigentlich nur der Auftakt zu einem ausgelassenen Wochenende, den Emma mit ihren besten und engsten FreundInnen verbringen will. Spontan lädt sie Sissy auch hierzu ein, und da sie keine anderen Pläne hat, sagt diese zu. Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnt: Die Feierlichkeiten finden im Haus von Alex statt, und mit dieser verbindet Sissy eine überaus problematische Vergangenheit…
Review (kann Spoiler enthalten):
Ich persönlich habe mich Influencern ja genau gar nichts am Hut. Ob das bedeutet, dass ich mich am besten Weg zu einem alten Knacker befinde, der mit Schaukelstuhl auf der Veranda sitzt, und über die unmögliche Jugend von heute lästert, überlass ich euch. Fakt ist einfach, dass das eine Entwicklung ist, die ich dann nicht mehr mitgemacht habe, und mich dementsprechend mit dieser Welt überhaupt nichts verbindet. Was nicht heißt, dass ich solche Einblicke wie "Sissy" nicht zu schätzen weiß; insbesondere natürlich, wenn sie sich kritisch mit dem Thema auseinandersetzen. Soll heißen: Wenn man Riesenfan von Influencern im Allgemeinen ist, wird man "Sissy" vielleicht anders empfinden, als es bei mir der Fall war, der ihnen gegenüber nun mal eben von vornherein doch eher kritisch eingestellt ist. Ich persönlich hatte mit ihm aber eben genau wegen dieser Abrechnung, welche die schöne heile Influencer-Welt als Fassade entlarvt, meine helle Freude. Zwar in keinster Weise inhaltlich, aber sehr wohl vom Ton her (und das Setting in Australien hat diesen Eindruck wohl nochmal zusätzlich verstärkt) hat er mich dabei irgendwie an "The Loved Ones" erinnert. Wer den kennt – und mag – sollte sich "Sissy" umso mehr vormerken.
Mir hatte es der Film jedenfalls sehr angetan. Das beginnt schon bei seiner Hauptprotagonistin. "Sissy" macht es einem leicht, sich mit Cecilia zu identifizieren. Insbesondere jenen, die in ihrer Kindheit und/oder Schulzeit selbst Opfer von Mobbing waren, sollten angesichts der hier eingestreuten Flashbacks rasch eine Bindung zu ihr aufbauen. Aber auch abseits dieser anfänglich nur kurzen Auszüge hatten es mir die sehr von Melancholie geprägten Aufnahmen ihrer – glücklichen – Kindheit, und der engen Freundschaft mit Emma, wirklich angetan. Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber zumindest ich hatte in meiner Kindheit enge Freunde, die ich im Verlauf meines Lebens völlig aus den Augen verloren habe. Insofern sprach mich auch dieser Aspekt des Films sehr an. Und dann ist da natürlich das Wiedersehen nach vielen Jahren, und diese Mischung aus von schönen Erinnerungen geprägter Freude, aber auch Unsicherheit, ob sich das Rad der Zeit wirklich auf diese Weise zurückdrehen lässt. So richtig dreht "Sissy" dann aber auf, wenn die Gang im Haus ankommt, und Cecilia erfährt, dass dieses Alex gehört. Was genau damals zwischen ihnen vorgefallen ist, wird erst im Lauf des Films erklärt, und soll hier nicht gespoilert werden, in jedem Fall gelang es aber sowohl dem Film an sich, als auch Aisha Dee und Emily De Margheriti mit ihren Performances, die angespannte Stimmung zwischen ihnen fast schon körperlich spürbar zu machen. Nach diesem interessanten und immer unterhaltsamen Setup, geht es dann erst so richtig los. Was genau passiert, soll an dieser Stelle nicht verraten werden, aber nur so viel: Aus einem bis dahin netten, aber doch noch recht harmlosen Film, wird ein ziemlich blutiges Fest, wo dann eben auch zunehmend die Influencer-kritischen Töne einfließen. Was ich dabei beachtlich fand ist, wie es "Sissy" gelang, dass zumindest ich bis zuletzt mit Cecilia mitfieberte; was neben dem Drehbuch insbesondere auch Aisha Dees enorm sympathischer Darstellung zu verdanken ist. Man kann und darf das jedoch sicherlich auch anders sehen, und selbst dann sollte der Film in meinen Augen immer noch funktionieren. Neben dem Drehbuch ist jedoch auch die Inszenierung – beides vom Duo Hannah Barlow & Kane Senes" – zu loben. Einzig mit der Musik war ich nicht 100%ig glücklich; zwar hat sie vom Ton her größtenteils gepasst, war jedoch stellenweise zu laut, und übertönte fast die Dialoge. Das war nicht nur dem Verständnis nicht gerade zuträglich, sondern drückte teilweise auch ein bisschen auf die Stimmung. Ansonsten fand ich "Sissy" aber wirklich klasse!
Fazit:
"Sissy" ist ein herrlich zynischer, schwarzhumoriger Film, der es versteht, durchgehend bestens zu unterhalten, dabei jedoch durchaus auch kritische Töne – unter anderem auf die Scheinwelt von Social Media, sowie den Auswirkungen von Mobbing – anzubringen. Cecilia erweist sich dabei als großartige Protagonistin, und ich fand es erstaunlich, wie es dem Film (aufgrund des Drehbuchs, der Inszenierung, und nicht zuletzt Aisha Dees charmanter Performance) gelang, dass zumindest ich bis zuletzt mit ihr mitfieberte. Der Film fing zudem das unangenehme Gefühl mancher sozialer Settings (in diesem Fall ein Klassentreffen im kleinen Kreis) sehr gut ein. Klar könnte man die eine oder andere Entscheidung der Protagonist:innen kritisch hinterfragen, aber, ganz ehrlich: It's not that kind of movie. Mein einzig nennenswerter Kritikpunkt liegt bei der Musik, die zwar größtenteils passend, teilweise aber zu dominant war, und gelegentlich sogar die Dialoge überlagerte. Davon abgesehen war das aber eine blutige, bitterböse und vor allem unverschämt unterhaltsame Abrechnung mit der Influencer-Welt, die für mich zu den Highlights des heurigen SLASH Filmfestivals zählte!