Kurzinhalt:
Harper hat sich kürzlich von ihrem Mann getrennt. Die Scheidung verlief alles andere als freundschaftlich, und endete traumatisch. Nun will sie sich ein paar Tage Auszeit in einem abgelegenen Ferienhaus am Land gönnen. Doch bereits der Vermieter lässt in ihr ein Gefühl des Unwohlseins entstehen. Bei der Wanderung durch den Wald beschleicht sie dann schon bald das untrügliche Gefühl, verfolgt zu werden. Und dann steht plötzlich ein nackter Mann vor ihrem Fenster. Sie verständigt die Polizei, doch diese erweist sich als nur bedingt hilfreich. Auch der Besuch der nahegelegenen Kirche, und das Gespräch mit dem dortigen Priester, erweisen sich als alles andere als tröstlich. Als ihr in der darauffolgenden Nacht wieder ein Unbekannter auflauert, droht der von ihr so dringend benötigte erholsame Urlaub endgültig zu einem Alptraum zu werden…
Review:
Ich bin großer Fan von Alex Garlands Arbeit, sei es nun als Drehbuchautor (u.a. "28 Days Later", "Never Let Me Go" und "Sunshine") und/oder Regisseur ("Ex Machina", "Annihilation" sowie die großartige Miniserie "Devs"). Sowohl deshalb, als auch wegen der so spannenden wie zeitgemäßen Thematik, war ich auf "Men" schon sehr gespannt. Und zumindest aus meiner Sicht ist seine Erfolgsserie auch hier mit nicht abgerissen. Die erste Stärke ist dabei seine Inszenierung. Garland reichert seine – schräge (dazu gleich) – Erzählung mit einigen atmosphärisch dichten Momenten an, wobei insbesondere die zweite Nacht hervorsticht. Aber auch abseits solcher Spannungsspitzen gelingt es ihm hervorragend, immer wieder ein Gefühl der Beunruhigung entstehen zu lassen, und damit Harpers eigenes Empfinden auf den Zuschauer zu übertragen. Auch optisch ist "Men" wieder überaus fein, sowohl in den "normalen" Szenen, als auch den Traumsequenzen bzw. Flashbacks, in denen nach und nach jenes tragische Ereignis aufgerollt wird, welches Harper zu dieser Auszeit bewog. Vom der Stimmung her fand ich "Men" jedenfalls wieder einmal ausgezeichnet.
Konzeptionell sticht in erster Linie die sehr spannende Entscheidung hervor, (fast) jede männliche Figur von Rory Kinnear darstellen zu lassen. Dies erlaubt diesem immer verlässlichen, oftmals jedoch etwas unterforderten Darsteller, hier mal so richtig zu glänzen, und in den verschiedensten Rollen gleichermaßen zu brillieren (wobei an dieser Stelle auch dezidiert die wieder mal phantastische Performance von Jesse Buckley hervorgehoben werden soll). Der Zugang erweist sich dabei mehr als nur ein reines Gimmick, visualisiert so Garland doch die dahinterstehende Aussage, dass toxische Männlichkeit viele Ausprägungen hat, letztendlich aber der gleiche Ursprung dahintersteht. Etwas, dass dann auch mit einer Szene am Ende noch einmal verdeutlicht wird, wo im wahrsten Sinne des Wortes eine Instanz davon die nächste gebärt. Als fast noch perfider als den perversen Stalker empfand ich dabei den Priester, der sich freundlich gibt, letztendlich aber mindestens ebenso gehässig (und frauenfeindlich) ist. Dass ihm dies selbst gar nicht bewusst ist, und er vielmehr ernsthaft zu glauben scheint, er würde Harper damit helfen, macht es nur umso schlimmer. Bedauerlich finde ich an all dem nur, dass die Message wohl eben bei genau jenen, die sie am dringlichsten nötig hätten, aufgrund der Art und Weise wie sie hier präsentiert wird nicht ankommen wird. Garland predigt hier sicher eher zum Chor, als dass "Men" dazu geneigt ist, jene deren Verhalten er hier anprangert dazu zu bringen, eben dieses kritisch zu hinterfragen. Wenn ich schon bei der Kritik bin, so sei gleich noch erwähnt, dass ich es etwas seltsam fand, dass just ihr Exmann nicht von Rory Kinnear gespielt wird. Warum Garland hier mit dem Konzept brach, wollte sich mir nicht erschließen. Zugleich gab es, so gut es überwiegend auch umgesetzt war, mit dem Jugendlichen zumindest eine Instanz, wo es für mich nicht so recht funktionieren wollte. Das sah einfach nur gruselig aus – jedoch (wohl) nicht auf die Art und Weise, wie es von Garland beabsichtigt war. Und das Ende war dann zugegebenermaßen auch etwas unbefriedigend – wobei man durchaus argumentieren kann, dass genau das der Punkt war. Es sorgt aber jedenfalls dafür, dass man "Men" eher in gedrückter Stimmung denn mit einem befreienden Gefühl verlässt.
Fazit:
Es liegt wohl leider in der Natur der Sache, dass genau jene, bei denen es am Wichtigsten wäre, dass "Men" sie erreicht, ihn wohl schon allein aufgrund der Thematik und/oder der Umsetzung von vornherein auslassen, oder aber als "woke" abtun und damit auch seine Lehre verwerfen werden. Schade ist dies insofern, als Alex Garland hier ein so eigenwilliger wie wichtiger Film gelungen ist, in dem Alex Garland aufzeigt, was in diesem Medium möglich ist. Der originelle Zugang, (fast) jede männliche Figur von Rory Kinnear spielen zu lassen, macht die Verbindung zwischen diesen unterschiedlichen Varianten (toxischer) Männlichkeit deutlich, ohne dabei alles davon in einen Topf zu werfen, und/oder als gleichwertig darzustellen. Neben dieser so interessanten wie effektiven Idee, sowie den großartigen schauspielerischen Leistungen von Kinnear und Jesse Buckley, besticht "Men" vor allem auch mit Garlands Inszenierung. Es dominiert von Beginn an ein Gefühl des Unbehagens, welches sich immer wieder mal über Anspannung bis hin zu richtiggehender Furcht steigert. Und auch visuell besticht "Men" mit einigen interessanten Einfällen und schönen Bildern. Wer offen für diese Art der kritischen Auseinandersetzung mit toxischer Männlichkeit und Frauenfeindlichkeit ist, findet ihn Alex Garlands "Men" jedenfalls einen so ungewöhnlichen wie lohnenden Thriller.