Inhalt & Review:
Herzstück von "Sauron Defeated" ist für mich ganz klar der erste Teil, der sich mit der Entstehungsgeschichte des sechsten und letzten Bands von "Der Herr der Ringe" befasst. Angefangen bei Frodos Rettung durch Sam aus dem Turm von Cirith Ungol, über die Vernichtung des Rings, der Reise nach Hause, der Schändung des Auenlandes, bis hin zum Abschied an den Grauen Anfurten. Wie schon bei den Büchern zuvor fand ich es auch hier wieder enorm spannend, J.R.R. Tolkien quasi über die Schulter schauen zu können, und mitzuerleben, wie er die Story langsam entwickelte, erweiterte, und sich der eine oder andere Abschnitt im Zeitverlauf auch deutlich veränderte. So ist hier z.B. eine frühe Version der Schändung des Auenlands abgedruckt, die sich von der endgültigen Fassung doch recht deutlich unterscheidet; nicht zuletzt, als Frodo hier eine viel aktivere Rolle im Geschehen zukommt – während er sich in "Die Rückkehr des Königs" doch eher zurückhält, und den anderen drei Hobbits das Kämpfen überlässt, wobei sich insbesondere Sam zum Anführer aufschwingt. Das absolute Herzstück von "Sauron Defeated" war für mich aber ein nie veröffentlichter Epilog rund um Sam und seine Kinder, der etwas mehr als zehn Jahre nach dem Kapitel an den Grauen Anfurten angesiedelt ist, und wo Sam seinen Kindern im Vorfeld des Besuchs von König Aragorn seine Geschichte erzählt. So schön "Well, I'm back" als Ende von "Der Herr der Ringe" auch funktioniert, aber dieser Epilog wäre auch wirklich schön gewesen, und ich bin jedenfalls sehr froh, dass ich ihn dank "Sauron Defeated" lesen konnte. In meinen Augen sind die paar Seiten allein für alle "Herr der Ringe"-Fans die Investition schon wert.
Leider aber fielen die anderen beiden Teile von "Sauron Defeated" im direkten Vergleich doch ziemlich ab. Vor allem mit den "Notion Club Papers" konnte ich leider nicht wirklich etwas anfangen. Nachdem J.R.R.K. mit "Der Herr der Ringe" fertig war, wendete er sich neuerlich der verworfenen Zeitreisegeschichte zu (eine solche hatten sich er und C.S. Lewis ja quasi als gemeinsame Herausforderung gestellt), die zuvor in "The Lost Road" behandelt wurde. Leider aber fand ich die Rahmenstory der Erinnerungen/Träume, mit dem Buchclub, recht sperrig, und fand zu keiner der Figuren wirklich einen Zugang. Dass es letztendlich auch hier bei einem unvollendeten Entwurf bleiben sollte, macht es um nichts besser. Mir persönlich hätte jedenfalls auch nichts gefehlt, wenn ich diesen Teil aus Tolkiens Werk nie zu Lesen bekommen hätte. Der letzte Teil, rund um den Untergang von Andadûnê (aus dem zweiten Zeitalter Mittelerdes), war dann wieder etwas besser, allerdings bin ich der Story dort halt längst nicht so verbunden als jener aus "Der Herr der Ringe", weshalb mich die verschiedenen Versionen, bis Tolkien dann die endgültige Fassung wie sie im "Silmarillion" zu lesen ist erarbeitet hatte, halt längst nicht so interessiert, wie dort. Grundsätzlich ist es aber eine gute, nette und vor allem auch abgeschlossene Geschichte, die zudem Tolkien offensichtlich schon immer sehr wichtig war – und damit ein durchaus gefälliger Abschluss eines Bandes.
Fazit:
Der erste Teil von "Sauron Defeated", der den sechsten und letzten Band von "Der Herr der Ringe" (bzw. Teil zwei von "Die Rückkehr des Königs") behandelt, war wieder absolut wundervoll, voller interessanter Einblicke in die Entstehungsgeschichte der Saga, und vor allem auch einem wunderschönen Epilog, der von Tolkien ursprünglich – und gegen seinen Willen – auf Drängen des Herausgebers herausgeschnitten wurde (wobei er sich zumindest inhaltlich in den Anhängen, die sich mit dem weiteren Leben der Gefährten des Rings befasst, wiederfindet). Vor allem dieser Teil war absolut fantastisch, und aus meiner Sicht das Geld schon wert. Leider aber wollten mich die nachfolgenden "Notion Club Papers" nie so recht ansprechen, weshalb ich mich durch den Mittelteil von "Sauron Defeated" doch etwas durchgequält habe. Alles rund um den Untergang von Andadûnê war dann wieder besser/interessanter, konnte für mich die Höhen des ersten Abschnitts aber auch bei weitem nicht erreichen. Insgesamt macht dies "Sauron Defeated", trotz des großartigen Epilogs den man als "Herr der Ringe"-Fan aus meiner Sicht nicht verpassen sollte, dann doch eher wieder zu einem schwächeren Eintrag der "History of Middle-Earth"-Reihe.
Bewertung: 3/5 Punkten
Christian Siegel
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