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James Bond 007 - Keine Zeit zu sterben Drucken E-Mail
Craigs Ära endet mit einem Paukenschlag Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Sonntag, 17 Oktober 2021
 
 
Dune
Originaltitel: No Time to Die
Produktionsland/jahr: USA 2021
Bewertung:
Studio/Verleih: MGM/Eon Productions/Universal Pictures
Regie: Cary Joji Fukunaga
Produzenten: U.a. Barbara Broccoli & Michael G. Wilson
Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade, Cary Joji Fukunaga & Phoebe Waller-Bridge
Filmmusik: Hans Zimmer
Kamera: Linus Sandgren
Schnitt: Tom Cross & Elliot Graham
Genre: Action/Thriller/Drama
30. September 2021
Kinostart USA: 08. Oktober 2021
Laufzeit: 163 Minuten
Altersfreigabe: FSK ab 12
Trailer: YouTube
Kaufen: 4K, Blu-Ray, DVD
Mit: Daniel Craig, Léa Seydoux, Rami Malek, Lashana Lynch, Ana de Armas, Christoph Waltz, Ralph Fiennes, Ben Wishaw, Naomie Harris, Rory Kinnear, Jeffrey Wright, Billy Magnussen, David Dencik, Dali Benssalah u.a.


Kurzinhalt: Nachdem Ernst Stavro Blofeld in Gewahrsam genommen wurde, hat James Bond mit seinem Leben als Doppelnull-Agent abgeschlossen, und die Lizenz zum Töten abgegeben, um sich mit seiner neuen Liebe Madeleine Swann zur Ruhe zu setzen. Doch ein Anschlag auf sein Leben zeigt ihm nicht nur, dass er wohl nie irgendwo vor den Armen von SPECTRE sicher sein wird, sondern erschüttert vor allem auch sein Vertrauen in Madeleine. Fünf Jahre später lebt er, nach wie vor außer Dienst, zurückgezogen auf einem Anwesen in Jamaica, als sein alter Freund und CIA-Kollege Felix Leiter mit ihm Kontakt aufnimmt. Ein gefährliches Waffenprojekt namens Heracles, mit dem sich gezielt einzelne Menschen auf Basis ihrer DNA ermorden lassen, wurde gestohlen. Man befürchtet, dass dieses just SPECTRE in die Hände gefallen ist. Leiter bittet nun Bond darum, zusammen mit einer jungen Agentin nach Kuba zu reisen, um den entführten russischen Wissenschaftler Obruchev aus deren Fängen zu befreien. Es ist der Beginn einer Mission, im Zuge derer Bond immer wieder von den Schatten der Vergangenheit eingeholt wird…

Review: Szenenbild. Der Titel "Keine Zeit zu sterben" sollte sich ein bisschen als ironisch erweisen. Ursprünglich war der Release ja schon für den Oktober 2019 geplant. Dann jedoch bemerkte man, dass man den Film nicht in jener Qualität rechtzeitig fertig stellen könne, wie man es für so einen wichtigen Release für angemessen hielt. Eine Entscheidung, die sich dann aufgrund der zu Beginn des darauffolgenden Jahres rasch ausbreitenden Corona-Pandemie rückblickend als doch eher unglücklich erweisen sollte. Der fünfundzwanzigste (offizielle) Einsatz von 007 war dann auch der ersten große Blockbuster, dessen (neuer) geplanter Veröffentlichungstermin aufgrund eben dieser Pandemie verschoben wurde. Zuerst in den Herbst 2020, dann in den Frühjahr 2021, und zuletzt dann eben (hierzulande) auf den 30. September. Und so dauerte es letztendlich knapp zwei Jahre (vom ursprünglich geplanten Release-Termin gerechnet), ehe Daniel Craigs letzter Einsatz als James Bond (nachdem zuvor über hohe Summen gemunkelt wurde, die MGM/Sony geboten wurden, um den Film auf einem der diversen Streaming-Plattformen zu veröffentlichen) doch noch ins Kino kommen sollte.

Als lebenslanger Fan von James Bond habe ich in den letzten Jahren wohl keinen Film ähnlich herbeigesehnt, wie "Keine Zeit zu sterben". Und das, obwohl ich insbesondere zu Beginn mit der Craig-Ära doch ein bisschen gehadert hatte. Die Zäsur von den Brosnan- zu den Craig-Filmen war eine harte, und so sehr ich viele Aspekte von "Casino Royale" damals wie heute zu schätzen wusste und weiß (insbesondere die Geschichte), aber mit Craig und seiner (bzw. der von den Produzenten damals gewählten) Interpretation der Figur wurde ich nur bedingt warm. Dies änderte sich dann mit "Skyfall", wo man seiner bodenständigeren, verletzlicheren Version von 007 dann zusätzlich um jene Coolness und jenen trockenen Humor bereicherte, der mir zuvor gefehlt hatte. "Spectre" war dann aufgrund einzelner in meinen Augen sehr unglücklicher Entscheidungen (wie der persönlichen Verbindung zwischen Bond und Blofeld, sowie dem Versuch, die Craig-Abenteuer rückwirkend zu einer großen, zusammenhängenden Geschichte umzuinterpretieren, was doch eher verkrampft und erzwungen wirkte) zwar wieder ein bisschen ein Rückschritt, schnitt bei mir aber insgesamt doch um einiges besser ab als dies allgemein (sowohl unter Kritikern als auch beim Publikum) der Fall zu sein schien. Zwar war die Produktion von "Bond 25", wie er anfangs nur bekannt war, auch schon vor den Release-Termin-Verschiebungen von Problemen geplagt. Angefangen bei einem nach "Spectre" der Rolle sichtlich müden Daniel Craig, seiner frühen Verletzung bei den Dreharbeiten, bis hin zu den kreativen Differenzen mit dem ursprünglich auserwählten Regisseur Danny Boyle, die zu dessen Abberufung führten. Sein Ersatzmann Cary Joji Fukunaga – bis dato wohl in erster Linie für seine Inszenierung der ersten Staffel von "True Detective" bekannt – sollte sich allerdings letztendlich als Glücksgriff erweisen. Und so nimmt das Drama rund um den fünfundzwanzigsten offiziellen Bond-Film mit dem Endprodukt letztendlich (so widersprüchlich dies angesichts der teils hochdramatischen Ereignisse im Film auch sein mag) doch noch ein Happy End.

Szenenbild. Der Einstieg ist dabei – von der mittlerweile wieder eingesetzten, traditionellen "Gun Barrel"-Sequenz mal abgesehen – sehr ungewöhnlich. Waren diese sonst zumeist sehr actionreich, bekommen wir hier erstmal einen ausgedehnten Prolog/Flashback serviert, ehe wir dann Bond und Swann dabei zusehen, wie sie sich eigentlich in ein ruhiges und glückliches gemeinsames Leben zurückziehen wollen. Unterlegt wird dies, in nur einer von vielen (auch musikalischen) Anspielungen auf frühere Bond-Abenteuer, mit einer instrumentalen Interpretation von Louis Armstrongs "We Have All the Time in the World", was allen Kennern der Bond-Filme wohl sofort deutlich machen sollte, dass die beiden auf ein tragisches Ende zusteuern. Bis zur ersten großen Actionsequenz dauert es aber eben doch ein bisschen, und die klassische Titelsequenz (unterlegt mit Billie Eilishs Song "No Time to Die", der mir persönlich sehr gut gefällt – wenn ich ihn auch nicht zu meinen All-Time-Favorites zählen würde), wieder von Daniel Kleinman designt (der mit Ausnahme von "Ein Quantum Trost" für alle Intros seit "Goldeneye" verantwortlich war), flimmert dann überhaut erst rund eine halbe Stunde nach dem MGM-Logo über die Leinwand.

Nach diesem ausgedehnten Prolog beginnt der wohl traditionellste, und zugleich auch unbeschwerteste, Teil des Films. Das Wiedersehen mit Leiter, das erste Aufeinandertreffen mit seiner Nachfolgerin als 007, insbesondere aber die Mission in Kuba sorgen dann für ordentlich Laune. So gibt es in letzterer ein paar gut getimte, trockene Gags, die Daniel Craig erlauben, auch wieder die lockerere, witzigere Seite der Figur zu zeigen. Vor allem aber ist dieser Teil des Films vom auffälligen (wenn auch leider zu kurzen) Auftritt von Ana de Armas geprägt, die Daniel Craig bei den Dreharbeiten zu "Knives Out" kennenlernte und daraufhin für die Rolle empfahl. Sie hinterlässt letztendlich auch wesentlich mehr Eindruck als die in meinen Augen (in weitaus prominenterer Rolle) überwiegend unauffällige Lashana Lynch. Einer Art Spin-Off-Reihe rund um die weiteren Abenteuer von Agentin Paloma wäre ich jedenfalls alles andere als abgeneigt. Noch bevor es zurück nach London geht, schlägt "Keine Zeit zu sterben" dann aber wieder deutlich ernstere und dramatischere Töne an, die dann schließlich auch den Rest der Laufzeit dominieren. Über den weiteren Verlauf der Handlung soll an dieser Stelle natürlich nichts verraten werden – umso mehr, als diese doch mit einigen größeren Überraschungen aufwartet (und es den Machern scheinbar auch größtenteils gelungen sein dürfte, die hier enthaltenen Geheimnisse zu bewahren; zumindest mich traf jedenfalls so manches, was sich dann insbesondere im letzten Drittel ereignet, durchaus unerwartet). So viel sei jedenfalls gesagt: "Keine Zeit zu sterben" ist sicherlich die Weiterentwicklung und Kulmination des in "Casino Royale" eingeschlagenen Weges. Bei aller durchaus beeindruckender Action (dazu gleich) stehen hier dann eben doch eher die Figuren und ihre Gefühle – und damit einhergehend eine gewisse Melodramatik, die hier schließlich, aufbauend über alle fünf Craig-Filme, ihren Höhepunkt erreicht – im Mittelpunkt. Das mag man, oder eben nicht. Ich für meinen Teil kann jedenfalls nur festhalten, dass mich bislang noch kein Bond-Film ähnlich emotional berührt hat, wie "Keine Zeit zu sterben".

Szenenbild. Trotz dieses großen Pluspunkts ist "Keine Zeit zu sterben" nicht der ultimative Bond-Film – weder allgemein, noch soweit es die Craig-Ära betrifft. So leidet er, wie zuvor schon "Spectre", ein bisschen darunter, dass ich die vermeintlich große Liebe zwischen Swann und Bond nach wie vor eher als behauptet denn gefühlt empfand. Der Film ist zudem teilweise ein bisschen schizophren, insbesondere was den Ton betrifft. Vor allem dann im letzten, hochdramatischen Drittel gibt es einzelne Gags, die doch etwas deplatziert wirken. Rami Maleks Lyutsifer Safin ist zudem zwar sicher kein schlechter, aber dennoch in erster Linie ein zweckmäßiger Bösewicht, der zudem erst sehr spät Gelegenheit bekommt, sich so richtig in Szene zu setzen. Vor allem aber ist "Keine Zeit zu sterben" mit knapp drei Stunden dann doch etwas zu lang geraten. Zwar wurde er nie wirklich langweilig, dennoch hätte sich diese Geschichte doch noch etwas effizienter – und damit wie ich denke auch effektiver – erzählen lassen. Diese Schwächen sorgen letztendlich dafür, dass "Keine Zeit zu sterben", trotz der größeren emotionalen Wirkung, nicht ganz an "Skyfall" als Höhepunkt von Craigs Ära als 007 herankommt.

Nichts zu mäkeln gibt es hingegen an den schauspielerischen Leistungen. Neben der bereits erwähnten Ana de Armas ist es in erster Linie Daniel Craig, der mit seiner Performance hier beeindruckt – was so offen gestanden, nachdem er der Rolle nach dem Dreharbeiten zu "Spectre" doch schon etwas müde zu sein schien, jetzt nicht unbedingt zu erwarten war. Tatsächlich mag er hier die beste Leistung eines Bond-Darstellers zeigen, die bisher in einem 007-Film zu sehen war. Die Musik von Hans Zimmer verdient ebenfalls Lob. In den actionreicheren Momenten droht er zwar abseits der Zitate des Bond-Themas ein bisschen in seinen generischen Stil zu verfallen, weshalb man sich rein musikalisch zwischenzeitlich auch gut und gerne in einem Film von Nolans "Dark Knight"-Trilogie wähnen könnte. Dafür trumpft er, neben den schönen Zitaten früherer musikalischer Themen (insbesondere aus "Im Geheimdienst ihrer Majestät"), insbesondere mit der Art und Weise auf, wie er Billie Eilishs Titelsong den ganzen Film hinweg als Leitmotiv heranzieht (eine Tradition früherer Bond-Filme, die zuletzt ja leider eher in Vergessenheit zu geraten schien). Auch die Optik des Films hatte es mir angetan. Nachdem mir die Kameraarbeit von Hoyte van Hoytema (der doch eher für einen blasseren, natürlicheren Look bekannt ist) gerade auch im Vergleich zu Roger Deakins phänomenaler (und innerhalb der Bond-Filme für mich nach wie vor unübertroffener) Arbeit an "Skyfall" doch etwas zu blass und fad war, findet Linus Sandgren hier einen gesunden Mittelweg zwischen beiden Stilen, und verbindet die Natürlichkeit der Bilder aus "Spectre" mit dem bewusst überhöhten und farbgesättigten Stil aus "Skyfall". Das Ergebnis kann sich definitiv sehen lassen. Regisseur Fukunaga versteht es nicht nur, die emotionalen Momente und die Landschaften, sondern vor allem auch die Action, sehr gut einzufangen. Diese ist zwar teilweise sehr schnell, aber nie unübersichtlich, und trumpft vor allem zum Ende hin dann mit einigen längeren, packenden Einstellungen ohne erkennbaren Schnitt auf. Zugegeben, frühere Bond-Filme mögen was die Action und Stunts betrifft auch schon mal spektakulärer gewesen sein. Letztendlich passt die hier präsentierte, nicht ganz so übertriebene Action aber zum allgemein bodenständigeren Ton der Craig-Ära.

Szenenbild. Womit wir auch schon beim letzten Punkt sind: "Keine Zeit zu sterben" setzt den in "Casino Royale" begonnenen Weg, James Bond zu vermenschlichen, konsequent fort. In der Interpretation von Daniel Craig ist dieser kein unfehlbarer, unzerstörbarer Superheld, sondern in erster Linie ein Mensch, mit Gefühlen und Schwächen, der einige innere Dämonen mit sich herumträgt, und durchaus auch mal scheitert. Auch hier wieder: Das muss man nicht zwingend mögen. Dennoch muss man festhalten, dass sich die fünf Craig-Filme in dieser Hinsicht treu geblieben sind. Wie sie generell, auch inhaltlich, eine Einheit bilden. Wie zuvor erwähnt: Man merkt der fünfteiligen Reihe schon an, dass da nicht von Beginn an ein großer Masterplan dahinterstand, sondern man sich von Film zu Film hangelte. Und doch sind die Filme letztendlich stärker miteinander verbunden, als das bislang der Fall war, und ergeben ein großes Ganzes, eine epische Geschichte, mit einem definitiven Anfang und Ende. Denn trotz aller Anspielungen auf frühere Abenteuer, sowie die Übernahme von Judy Dench als M, steht die Craig-Ära letztendlich für sich, und bilden seine Filme quasi ihr eigenes "Bond"-Universum. Was es all jenen, die mit seinen Einsätzen als 007 nicht viel anfangen konnten, eben auch erlaubt, sie einfach zu ignorieren – so man das denn will. Ich gehöre da definitiv nicht dazu.

Fazit: Mit "Keine Zeit zu sterben" geht Daniel Craigs Ära als James Bond mindestens so mutig, melodramatisch und vor allem auch kontrovers zu Ende, wie sie begonnen hat. Man setzt hier den in "Casino Royale" begonnenen, im Vergleich insbesondere zur Brosnan-Ära deutlich bodenständigeren, Weg konsequent fort, und erreicht letztendlich was die Vermenschlichung dieser Heldenfigur betrifft den Höhepunkt. Nach einem ungewöhnlichen – und ungewöhnlich langen – Prolog gibt es zwar noch eine launige Mission in Kuba, die für unbeschwerte Unterhaltung sorgt, danach dominieren jedoch zunehmend die ernsten und dramatischen Töne, bis der Film zuletzt eine emotionale Tiefe erreicht, die zumindest ich im Bereich der Bond-Filme (bislang) für beispiellos halte. Produktionstechnisch gibt es dabei, angefangen bei Cary Joji Fukunagas Inszenierung, über Hans Zimmers Musik, Linus Sandgrens Kameraarbeit bis hin zu den schauspielerischen Leistungen (wobei neben dem eindrucksvollen kurzen Auftritt von Ana de Armas in erster Linie Daniel Craig besticht, der zusammen mit Léa Seydoux das Herz und die Seele des Films bildet) nichts zu mäkeln. Inhaltlich wiederum hatte es mir vor allem die sich durch den Film ziehende Thematik der Sünden der Väter bzw. ganz allgemein der Vergangenheit angetan, und wie Gewalt weitere Gewalt auslöst. Der zwar nicht ganz so emotionale, dafür aber stringenter erzählte "Skyfall" bleibt zwar auch von Daniel Craigs letztem Einsatz als James Bond unerreicht – was nicht zuletzt auch daran liegt, als man sich hier mit knapp drei Stunden für seine letzte Mission als Doppelnull-Agent doch eine Spur zu viel Zeit nimmt. Dennoch ist "Keine Zeit zu sterben" ein würdiger und hochdramatischer Abschluss (s)einer Ära, der einen vor allem auch gespannt darauf zurücklässt, welche Richtung die Reihe nun in weiterer Folge einschlagen wird. Denn an einem lässt nicht zuletzt die altbekannte Einblendung am Ende des Abspanns keinen Zweifel: "James Bond will return". Wann, wie, und in welcher Form auch immer.

Wertung: 8 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2021 MGM)





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