Kurzinhalt:
Der in erster Linie aus Western bekannte Darsteller Rick Dalton droht langsam aber sicher seine rosigsten Karriere-Tage hinter sich zu haben. So wurde er zuletzt zunehmend in einmaligen Gastrollen – als Schurke – besetzt. Auch seine jüngste Rolle, im Pilotfilm zur neuen Serie "Lancer", geht wieder in diese Richtung – bietet ihm aber zumindest die Gelegenheit, zu zeigen, was er schauspielerisch drauf hat. Dennoch warnt ihn sein Agent Marvin Schwarz vor dem psychologischen Eindruck, den es auf die Zuschauer haben wird, wenn der frühere Star seiner eigenen Serie "Bounty Law" nun auf dem TV-Schirm bei seinen Kämpfen – weil er eben nur mehr Bösewichte spielt – den Kürzeren zieht. Er schlägt vor, Ricks Karriere mit Auftritten in Italowestern wieder zu beleben. Rick reagiert darauf aber erstmal ziemlich ungehalten, da er von diesen Spaghettiwestern nichts hält, und bereitet sich vielmehr auf seinen ersten Drehtag beim "Lancer"-Pilotfilm vor. Sein guter Freund, Stuntman und Fahrer Cliff Booth teilt indes Ricks nach unten zeigenden Karrieretrend. Während Dalton den Pilotfilm dreht, fährt er in Los Angeles durch die Gegend, wo er dann schließlich auf Pussycat trifft, die sich der Kommune von Charles Manson angeschlossen hat – mit der er in weiterer Folge aneinandergerät…
Review:
Ich lasse mich gerne von euch eines Besseren belehren, aber meines Wissens hat es so etwas wie den Roman zu "Once Upon a Time in Hollywood" noch nie gegeben. Klar, sogenannte "Novelizations" – als Romane zu Filmen, die meist (noch/nur) auf dem Drehbuch basieren – haben grundsätzlich eine lange Tradition. Dann gab es da noch den Sonderfall mit Arthur C. Clarke bei "2001 – Odyssee im Weltraum", der gemeinsam mit Stanley Kubrick die Story ausgearbeitet hat, ehe letzterer darauf aufbauend seinen Film drehte, während Clarke wiederum daraus einen Roman erarbeitete. Manche mögen jetzt noch Gene Roddenberry, der den Roman zu "Star Trek: Der Film" schrieb, in die Runde werfen, allerdings war dieser "nur" der Produzent des Films, und auf künstlerischer Seite kaum an diesem beteiligt (die Story kam von Alan Dean Foster, das Drehbuch von Harold Livingston, und Regie führte Robert Wise). Insofern behaupte ich: Dass ein Filmemacher eine Romanadaption zu einem seiner eigenen Werke veröffentlicht, ist eine Novität. Wobei ich mir zugegebenermaßen nicht einmal sicher bin, ob man in diesem spezifischen Fall wirklich von einer Adaption sprechen kann. Die oftmals im Deutschen verwendete Bezeichnung "Roman zum Film" trifft es wohl insofern besser, als ich ihn eher als Begleitwerk zum Film sehe. Natürlich gibt es zwischen solchen Romanen und den Filmen immer gewisse Unterschiede, da erstere eben meist auf einem (möglicherweise sogar frühen) Drehbuchentwurf basieren. Und doch ist Quentin Tarantino bei seiner Romanversion von "Once Upon a Time in Hollywood" noch einmal einen Schritt weitergegangen. Denn ja, auf der einen Seite finden sich hier natürlich einige zusätzliche (und sehr interessante) Szenen, die wohl dem Drehbuch entstammen. Darüber hinaus wurde aber auch einiges aus dem Film gestrichen und/oder stark gekürzt, und so Fluss und Schwerpunkt der Story nachhaltig verändert.
Am auffälligsten ist dies sicher rund um den kompletten dritten Akt aus dem Film. Alles rund um die Rückkehr von Rick Dalton (mit seiner frischgebackenen Ehefrau im Schlepptau) und Cliff Booth, und dem durch ihre Anwesenheit veränderten Ablauf der tragischen Ereignisse vom 08. August 1969 wird im Roman nur äußerst kurz und knapp abgehandelt – und das nichtmal als Epilog, vielmehr wird es nach rund zwei Drittel mal schnell eingeschoben, wo die Story noch über dieses Ereignis hinaus in die Zukunft springt, und Dalton am Telefon über diesen schicksalhaften Tag spricht. Tarantino zeigt hier ein instinktives Verständnis dafür, dass Film halt einfach teilweise ganz anders funktioniert, als Literatur. Ich hätte die abschließende Szene hier im Roman grundsätzlich auch irrsinnig gern im Film gesehen, aber als Abschluss wäre es zu unspektakulär gewesen. Da passte es somit schon, dass man sich auf den 08. August konzentrierte, und mit einem packenden und brutalen Finale in den Abspann ging. An Romane stellt man allerdings von vornherein andere (dramaturgische) Anforderungen, bzw. stehen hier doch üblicherweise stärker die Figuren und die Story, statt die Action, im Mittelpunkt. Doch dies ist nicht der einzige Aspekt, wo sich Tarantinos Gespür für die Unterschiede der beiden Medien zeigen. So war jener Moment im Film, wo wir Rick Dalton mit seiner jungen Kumpanin beim Drehen einer wichtigen, schwierigen Szene verfolgen, sicherlich eines der Highlights. Dies lag aber eben in erster Linie an DiCaprios Performance – was sich natürlich nicht in Text übertragen lässt. Wohl genau deshalb blendet Tarantino wenn "Action" gerufen wird im Roman einfach ab. In erster Linie nutzt er den Roman aber, um uns einerseits einige interessante Hintergründe zu liefern, um mit Trivia-Wissen rund um Film- und Fernsehen aufzutrumpfen (wobei dieses aufgrund der Unwissenheit, was davon auch für unsere Realität – wo es ja keinen Rick Dalton gegeben hat – Gültigkeit besitzt, für mich nochmal zusätzlichen Reiz erhielt), und vor allem auch die Charakterisierung der Figuren zu vertiefen.
Zugegeben, nicht alle profitieren davon. Denn während der Film zwar die Gerüchte aufgreift, dass Cliff Booth seine Frau ermordet haben könnte, es aber dem Zuschauer überlässt, ob es sich dabei um einen "echten" Flashback oder nur eine Visualisierung der Gerüchte handelt, liefert Tarantino im Roman auf diese Frage nun eine definitive Antwort. Zudem fehlt dem Roman-Booth naturgemäß Brad Pitts unvergleichlicher Charme. So gesehen denke ich, dass die Figur im Buch, was die Sympathiewerte betrifft, wesentlich schlechter abschneiden wird als im Film. Was natürlich nicht als Kritik, sondern nur als Warnung, gemeint ist. Und generell halte ich Booth für die einzige Ausnahme dieser Regel, denn ansonsten profitieren wirklich alle von der tieferen Betrachtung. So u.a. auch Sharon Tate. Im Film kann ihr Besuch von "Rollkommando" doch etwas selbstverliebt wirken. Im Roman stellt Tarantino klar, dass (zumindest in dieser ja trotz allem fiktiven Geschichte) sie vielmehr unsicher war, wie gut ihr diese – für sie untypische – komödiantische Rolle geglückt ist, und eben dies der Grund dafür war, dass sie sich in die Nachmittagsvorstellung des Films gesetzt hat. Auch die von manchen kritisierte Szene rund um Bruce Lee erscheint im Roman teilweise in einem etwas anderen Licht. Und generell erfahren wir sehr viele Hintergründe, für die im Film kein Platz war, nicht zuletzt rund um den "Lancer"-Piloten, der hier teilweise als "Roman im Roman" umgesetzt wird. In erster Linie ist es aber Rick Dalton, der von der tiefergehenden Betrachtung seiner Figur hier stark profitiert, und über den wir hier generell mehr erfahren (so erleben wir hier z.B. zum Ende hin einen Bar-Besuch nach dem ersten Drehtag zum "Lancer"-Pilotfilm, wo Dalton erklärt, warum er die "Gesprengte Ketten"-Story nicht mehr hören kann). Alles rund um ihn hat mir dann letztendlich am Roman auch am besten gefallen. Und nicht zuletzt gesteht der Roman ihm ein wunderschönes Happy End zu, als der abgehalfterte Schauspieler, der mit seinem Leben und seiner Karriere hadert, durch die Zusammenarbeit mit Trudi wieder die Freude an seiner Arbeit zurückgewinnt.
Fazit:
Quentin Tarantinos Roman "Once Upon a Time in Hollywood" erweist sich weniger als Adaption seines Films, als vielmehr als eine Art Begleitwerk zu diesem. Vieles, was dort nur angekratzt wurde, wird hier nun näher beleuchtet, es werden ein paar spannende Hintergründe (wie z.B. zur Handlung des "Lancer"-Pilotfilms) aufgedeckt, und vor allem die Figuren profitieren von der tiefergehenden Betrachtung (zumindest überwiegend; denn Cliff Booth dürfte hier im Vergleich zum Film doch eher Sympathien einbüßen). Generell legt Quentin Tarantino hier teilweise ganz andere Schwerpunkte, was ich sehr spannend fand. So wird z.B. der komplette dritte Akt aus dem Film extrem gekürzt, und auch an eine ganz andere Stelle platziert. Generell beweist Tarantino immer wieder sein Gespür dafür, was in einem Film besser funktioniert, als in einem Roman; wie z.B. wenn Szenen dort in erster Linie von den schauspielerischen Leistungen lebten, und deshalb hier verkürzt oder überhaupt erst gar nicht vorkommen. All dies sorgt dafür, dass wir hier eben keine klassische Romanfassung eines Films/Drehbuchs vor sich haben, wo sich der Mehrwert im Vergleich zum Film auf maximal ein paar zusätzliche Szenen (die im Drehbuch standen, dann jedoch aus dem Film herausgeschnitten wurden) beschränken. Vielmehr ergänzen sich hier aus meiner Sicht Film und Roman perfekt, und wertet das eine jeweils das andere auf. Somit halte ich Quentin Tarantinos ersten Roman für alle Fans von "Once Upon a Time in Hollywood" für eine absolute Pflichtlektüre; aber auch jene, die mit dem Film nicht so viel anfangen konnten, können (sollten?) aufgrund der großen Unterschiede durchaus einen Blick riskieren.
Bewertung: 4/5 Punkten
Christian Siegel
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