Kurzinhalt:
An Bord der Enterprise herrscht Trauerstimmung: Spock befand sich auf einer Undercovermission unter den Klingonen – nun geht man davon aus, dass er ums Leben gekommen ist. Seine letzte Nachricht deutet darauf hin, dass die Klingonen einen Plan ausgearbeitet hatten, um in die Vergangenheit der Erde zu reisen. Während Kirk und die anderen versuchen, zu rekonstruieren, was genau vorgefallen ist, erwacht Spock im Seattle des Jahres 1867. Der Vulkanier hat bei der Reise durch die Zeit sein Gedächtnis verloren, dennoch ist offensichtlich, dass er nicht "von hier" stammt. Zum Glück wird er als erstes von Aaron Stemple gefunden, ein freundlicher Zeitgenosse, der Spocks Wunden trotz seiner offensichtlich außerirdischen Herkunft versorgt, und ihn, nachdem sich der Vulkanier dann soweit wieder erholt hat, als seinen Neffen Ishmael ausgibt. Ohne Erinnerung an sein früheres Leben – und an die Gefahr, die von den Klingonen ausgeht – beginnt sich Spock langsam aber sicher in Seattle einzuleben…
Review:
Als ich den Autorennamen auf dem Cover las, erfüllte mich das kurz mal mit großer Sorge – ist Barbara Hambly im Bereich der "Star Wars"-Legends-Romane als Autorin von "Palpatines Auge" und "Planet des Zwielichts" mindestens so berüchtigt wie berühmt. Ersteren zähle auch ich zu den schlechtesten "Star Wars"-Romanen aller Zeiten; "Planet des Zwielichts" war aber eh auch kein Highlight. Insofern habe ich mir offen gestanden auch von "Ishmael" jetzt nicht unbedingt viel erwartet. Und auch wenn ich ihn jetzt sicher nicht zu den allerbesten "Star Trek"-Romanen zählen würde, aber gerade auch im Vergleich zu ihren beiden "Star Wars"-Einträgen hat mich "Ishmael" durchaus positiv überrascht. Hambly erzählt hier eine Geschichte, in der Spock zwar seine Erinnerungen verliert (und sich deshalb zeitweise auch etwas anders als üblich verhält; so kommt ihm vor allem anfänglich doch da und dort ein Lächeln über die Lippen), aber trotzdem von der Persönlichkeit im Großen und Ganzen immer noch er selbst bleibt. Dass sie ihn darüber hinaus in die Vergangenheit der Erde versetzt, gibt ihrer Geschichte dann noch einmal einen zusätzlichen Reiz, weil sich somit dieser ja trotz allem nach wie vor in erster Linie von Logik geprägte Vulkanier in einer alles andere als von Logik geprägten Umgebung wiederfindet. Schon allein diesen Kontrast fand ich sehr gelungen. Eine weitere Stärke kann der Roman allerdings in unserem Sprachraum (und noch dazu der Gegenwart) hingegen leider nicht wirklich ausspielen: Denn bei den Personen, auf die Spock in der Vergangenheit trifft, handelt es sich um die Protagonisten der hierzulande weitestgehend unbekannten Serie "Here Come the Brides" – wo Aaron Stemple von niemand geringerem als Mark Lenard gespielt wurde, der bei "Star Trek" eben wiederum mehrmals als Spocks Vater Sarek zu sehen war. So oder so war das aber jedenfalls eine nette Idee – und sollte "Ishmael" zudem (sofern ich jetzt nicht irgendetwas übersehen habe) zum ersten Crossover zwischen "Star Trek" und einer anderen Serie machen.
Eben dieses Setting macht "Ishmael" allerdings doch eher zu einem ungewöhnlichen "Star Trek"-Roman. Dies hat zwar teilweise durchaus seinen Reiz, aber z.B. sonderlich viel "Science Fiction" sollte man sich hier nicht erwarten. Zudem schwelt die Bedrohung durch die Klingonen überwiegend nur überaus zart im Hintergrund, weshalb sich die Spannung die längste Zeit doch in sehr argen Grenzen hält. Die Story rund um die Brautschau (die ja im Mittelpunkt von "Here Come the Brides" steht) hat mich leider auch nicht wirklich angesprochen. Und auch die Handlung in der "Gegenwart", rund um Kirk & Co., fällt doch ziemlich ab. Letztendlich lebt "Ishmael" aber halt doch eher von der netten Grundidee – die es Hambly zudem erlaubt, einen doch wieder deutlich "menschlicheren" Spock zu zeigen – als von der Story an sich, die zwischenzeitlich doch recht banal rüberkommt. Trotzdem, aufgrund des außergewöhnlichen Settings, und insbesondere den unter Gedächtnisschwund leidenden Spock, der sich in eben diesem zurechtfinden muss, hat "Ishmael" durchaus einen gewissen Reiz, und hebt sich vor allem auch durchaus wohltuend aus dem "Star Trek"-Roman-Einheitsbrei ab. Dass er zudem flüssig geschrieben ist, und die Figuren – insbesondere Spock – gut getroffen scheinen, wertet ihn dann noch zusätzlich auf. Und der Abschlussgag rund um die familiäre Verbindung hatte es mir ebenfalls angetan. Insgesamt ist "Ishmael" zwar sicher nicht der beste Roman zur klassischen "Star Trek"-Serie, der "fish out of water"-Aspekt macht ihn jedoch insbesondere für Spock-Fans definitiv lesenswert.
Fazit:
Wer ein klassisches "Star Trek"-Abenteuer erwartet, wird mit "Ishmael" vermutlich eher nicht allzu glücklich werden. Barbara Hamblys erster Roman für das Franchise hebt sich nämlich vom Standardprogramm doch recht eindeutig ab; einerseits aufgrund des Settings im Seattle des Jahres 1867, und andererseits mit dem starken Fokus auf Spock. Aber auch, dass dieser unter Amnesie leidet, trägt zum eher ungewöhnlichen Eindruck des Romans bei. Beides zusammen erlaubt es der Autorin, Spock mal von einer anderen Seite zu betrachten und zu zeigen. Darin sah ich dann auch die größte Stärke – während die Story an sich jetzt weder sonderlich prickelnd noch übermäßig spannend war. Alles rund um Kirk & Co. in der "Gegenwart" wirkte zudem doch eher wie eine unliebsame Pflichtübung. Und den Crossover-Reiz mit "Here Come the Brides" kann der Roman hierzulande, da diese Western-Serie bei uns größtenteils unbekannt ist, auch nicht so recht ausspielen. Insgesamt lässt Barbara Hambly's erster Ausflug ins "Star Trek"-Universum ihre beiden Beiträge für "Star Wars" aber klar und deutlich hinter sich.
Bewertung: 3/5 Punkten
Christian Siegel
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