Kurzinhalt:
Im letzten Jahr der Fünfjahresmission patrouilliert die Enterprise Nahe der Neutralen Zone. Einige Crewmitglieder werden dabei von Alpträumen und/oder Visionen geplagt, in denen ihnen an Bord des Schiffes auf einmal eine andere, ungewohnte Rolle zukommt. So sieht sich Spock z.B. als Captain, während Jim Kirk kurz denkt, nur ein junger Fähnrich zu sein. Des Rätsels Lösung liegt in Experimenten der Romulaner. Diese versuchen nämlich, durch gezielte Eingriffe in die Vergangenheit eine neue, alternative Zeitlinie zu schaffen – in der Hoffnung, dass das romulanische Reich so ihren größten Konkurrenten, die Föderation, los wird. Dazu werden drei ganz spezifische Personen der Menschheitsgeschichte ausgewählt und bei einem Attentat ermordet. Wie geplant kommt es daraufhin zu einer Verschiebung der aktuellen Zeitlinie, in der Spock in der Tat das Kommando über das Schiff – nun ShiKarh genannt, da die Föderation bzw. die Sternenflotte nie gegründet wurden, und es somit unter vulkanischer Flagge fliegt – während James T. Kirk nach einer ungerechtfertigten Mordanklage quasi als Buße auf das Schiff versetzt wurde, und dort im Rang eines Fähnrichs feststeckt. Doch auch in dieser Realität werden die Crewmitglieder schon bald von Träumen und Visionen eines anderen Lebens geplagt – bis Spock schließlich erkennt, was vor sich geht, und zusammen mit Kirk einen waghalsigen Versuch unternimmt, um die alte Zeitlinie wiederherzustellen…
Review:
"Zeit zu töten" zählt insofern zu den berühmt-berüchtigteren "Star Trek"-Romanen, als die ursprüngliche Fassung aufgrund der starken homoerotischen Untertöne zwischen Kirk und Spock aus dem Verkehr gezogen wurde; dementsprechend sind die wenigen in privater Hand befindlichen und nicht zurückgerufenen Exemplare in den letzten Jahrzehnten zu regelrechten Sammlerstücken mutiert. Nun muss ich sagen: Ich finde es ja grundsätzlich schon mal beachtlich, dass man Mitte der 80er als nicht einfach nur Fan-, sondern vielmehr Slash-Fiction-Autor/in überhaupt die Gelegenheit bekam, einen offiziell lizenzierten Roman zur Serie zu schreiben. Zumal Gene Roddenberry diese Slash-Fiction ja doch eher ein Dorn im Auge war. Nicht etwa, weil er grundsätzlich etwas gegen homosexuelle Beziehungen gehabt hätte, sondern weil es einfach nicht zu den Charakteren passte, so wie er sie geschrieben und konzipiert hat. Nicht zuletzt hat er in seiner Romanfassung zu "Der Film" eine Fußnote eingebaut, wo sich Kirk selbst zu den Gerüchten einer homoerotischen Beziehung zu Spock äußert, und letztendlich nur gelassen anmerkt, dass dies halt nicht seiner persönlichen sexuellen Präferenz entspricht; zugleich aber auch klar wird, dass er solche nicht grundsätzlich ablehnt. Man darf annehmen, dass die Figur hier voll und ganz für den Autor spricht. Nun gebe ich zu: Ich nehme solche Slash-Fiction grundsätzlich ja sehr gelassen. Mir persönlich erschließt sich zwar der Reiz nicht, aber wenn jemand Kirk und Spock – oder auch anderen Figuren – unbedingt eine homosexuelle Beziehung andichten will, jo mei. Provoziert fühle ich mich durch sowas jedenfalls nicht. Allerdings bin ich da letztendlich bei Gene Roddenberry: In lizenzierten Romanen – auch wenn diese Lizenzromane ja eh auch nicht zum Kanon gehören – hat so etwas für mich nichts verloren; einfach, weil es nicht der Charakterdarstellung aus der Serie entspricht. Kann ich auch den Verlag verstehen, dass er die – irrtümlich gedruckte – Erstfassung wieder zurückgeholt hat, und sehe darin keine Zensur oder ähnliches.
Das nachfolgende Review bezieht sich nun aber natürlich nicht auf die berüchtigte Erstauflage, sondern vielmehr die deutsche Übersetzung, die auf das überarbeitete – und um die zu offensichtlichen Anspielungen gekürzte – Manuskript basiert. Wobei bestimmte Untertöne trotzdem nach wie vor vorhanden und erkennbar sind. Das Problem daran ist in meinen Augen, wie zuvor schon angemerkt, dass diese gar innige Beziehung zwischen Spock und Kirk – auch wenn ihre Freundschaft zweifellos ein wichtiger Bestandteil der TOS-Abenteuer war – nicht zu den Figuren so wie wir sie aus der Serie (oder auch den Filmen) kennen, passt. Zumal ich es offen gestanden auch ziemlich verkehrt finde, automatisch davon auszugehen, dass eine romantisch-sexuelle Beziehung immer tiefempfundener sein muss als eine platonische Freundschaft. Aber ja, ganz ehrlich: Letztendlich waren diese Töne –wenn auch störend, da für mich nicht zu den Figuren passend – eh noch das kleinste Problem von "Zeit zu töten". Ich würde ja behaupten, dass ich mich beim Lesen zeitweise tatsächlich in einer Fanfiction-Erzählung wähnte, aber einerseits würde ich damit so mancher Fanfiction unrecht tun, und andererseits fühlte ich mich irgendwie vielmehr stark an die modernen "Star Trek"-(Real-)Serien erinnert. Angefangen bei einigen teils übertrieben emotionalen Szenen, über Kontinuitäts- und Logikfehler (z.B. warum sollte in der alternativen Zeitlinie Spocks Pon Farr im fünften Jahr der Fünfjahresmission ausbrechen?) bis hin zur Tendenz, sich gewisse Dinge ohne Rücksicht auf Verluste zurechtzuschustern, weil es die Autorin halt so will – oder besser gesagt, braucht; nämlich, um die Geschichte so wie von ihr gewünscht erzählen zu können. Dies betrifft nicht zuletzt das Ganze "atomare Erinnerungsmatrix/molekulares Gedächtnis des Universums"-Geschwurbel, weil Spock und Kirk sonst ja nie erkennen würden, dass die Zeitlinie geändert wurde. Von ihrer telepathischen Kommunikation über Lichtjahre hinweg ganz zu schweigen (da wären wir übrigens auch wieder beim Thema "Ich fühlte mich teilweise an die modernen Trek-Serien erinnert"; weil Michael und Sarek lassen grüßen).
Auch was technologische Möglichkeiten betrifft, erfindet die Autorin nach freiem Belieben. So gelingt es an Bord der Enterprise irgendwie, die "Träume" holographisch sichtbar zu machen. Dass eine Sonarabtastung im All aufgrund der mangelnden Schallübertragung nicht viel Sinn macht, scheint sich auch noch nicht bis zu ihr herumgesprochen zu haben. Und warum sollten die romulanische Attentäter, wenn sie ja ohnehin "nur" Androiden sind, romulanische Züge tragen? Wenn ich die für eine verdeckte Operation auf der Erde der Vergangenheit baue, dann gebe ich denen doch bitte von vornherein ein menschliches Aussehen?! Und davon, dass am Ende ein Ring aus der falschen Realität seinen Weg in die echte Zeitlinie findet, lasst uns bitte gar nicht erst anfangen. Die Dialoge fand ich teilweise ebenfalls furchtbar (wie z.B. Uhuras "Kater"-Spruch zu einem Kollegen auf der Brücke; oder auch "Im mentalen Kosmos besaß die Göttin der Zeit keine Macht" – ich meine, was zur Hölle?!), und die Figuren allesamt nicht sonderlich gut getroffen. Die Autorin übertreibt es auch mit den McCoyismen, und macht zudem den Anfänger(innen)fehler, außerirdischen menschliche Ausdrücke in den Mund zu legen (Beispiel: Warum sollte ein Romulaner von einer Katze sprechen?!). Kein Pluspunkt war – zumindest in meinem Fall – auch die Verwendung der romulanischen Kommandantin aus "Die unsichtbare Falle" (die hier Thea genannt wird); nicht zuletzt, als auch bei ihr die Darstellung hier nur bedingt zu jener aus der Serie passen wollte. Und vielleicht tue ich der Autorin unrecht, aber ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie da was verwechselt hat, und die sogenannte Talos-Maschine eigentlich die Tantalus-Maschine hätte sein sollen. Insgesamt wollte bei "Zeit zu töten" jedenfalls nur äußerst selten zwischendurch mal "Star Trek"-Feeling aufkommen – auch das erinnerte mich durchaus an die aktuellen Realserien aus dem Universum. Immerhin: Ähnlich wie diese gibt es auch bei "Zeit zu töten" einzelne ganz gelungene Momente und/oder gute Dialoge – wie z.B. den Insider-Gag rund um die roten Uniformen. Aber, auch wie bei den modernen Trek-Serien, waren diese Lichtblicke letztendlich viel zu selten und zu klein, um noch etwas retten zu können.
Fazit:
Holler, Holler, Weltraumkoller. Beim Lesen von "Zeit zu töten" fühlte ich mich allzu oft an die mich überhaupt nicht ansprechenden modernen "Trek"-Serien erinnert. Angefangen bei einigen übertrieben emotionalen Momenten über Kontinuitätsfehler und logische Ungereimtheiten bis hin zu unwissenschaftlichem Geschwurbel. Hier ist grundsätzlich alles möglich, was die Autorin braucht, um die Geschichte wie von ihr gewünscht zu erzählen. Wie sie sich generell in allen Aspekten das "Star Trek"-Unviersum –und die Figuren – so zusammenschustert, wie sie es will, statt sich vielmehr den in der Serie etablierten Gegebenheiten anzupassen. Als Ergebnis davon fühlte sich "Zeit zu töten" für mich nie wirklich wie ein "Star Trek"-Roman an – sondern eben leider wie schlechte Fanfiction; ein Eindruck, der von den Slashfiction-Untertöten nur noch verstärkt wurde. Und, he: Wenn die Autorin – die ja auch ihre Wurzeln in dieser Art der Fiktion hat – eine solche Geschichte erzählen will, nur zu. Was den Verlag jedoch dabei geritten hat, das Manuskript zu kaufen (sprich, ihr dafür auch noch Geld zu geben) und es – selbst in der eh schon "zensierten" Form – als echten, lizensierten "Star Trek"-Roman zu verkaufen, werde ich nie verstehen. Ganz ehrlich: Da gebe es nun wahrlich weitaus bessere Fanfiction-Geschichten da draußen, die es sich verdient hätten, in den Status des B-Kanons erhoben zu werden, als dieser Blödsinn.
Bewertung: 0.5/5 Punkten
Christian Siegel
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