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Vier Fliegen auf grauem Samt Drucken E-Mail
Der letzte Teil von Argentos loser Tier-Trilogie Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Donnerstag, 22 Oktober 2020
 
Halloween-SPECiAL

 
Vier Fliegen auf grauem Samt
Originaltitel: 4 mosche di velluto grigio
Produktionsland/jahr: Italien 1971
Bewertung:
Studio/Verleih: Seda Spettacoli/Cinema International Corporation (CIC)
Regie: Dario Argento
Produzenten: Salvatore Argento/td>
Drehbuch: Dario Argento, Luigi Cozzi & Mario Foglietti
Filmmusik: Ennio Morricone
Kamera: Franco Di Giacomo
Schnitt: Françoise Bonnot
Genre: Thriller
Kinostart Deutschland: 19. Mai 1972 (BRD)
Kinostart Italien: 17. Dezember 1971
Laufzeit: 104 Minuten
Altersfreigabe: FSK ab 16
Trailer: YouTube
Kaufen: Blu-Ray, DVD
Mit: Michael Brandon, Mimsy Farmer, Jean-Pierre Marielle, Bud Spencer, Francine Racette u.a.


Kurzinhalt: Roberto Tobias wird von einem Mann verfolgt. Als er diesen zur Rede stellt, kommt es zu einem Gerangel, im Zuge dessen er ihn unabsichtlich mit einem Messer ersticht. Daraufhin erhält er bedrohliche Briefe und Anrufe von jemandem, der die Tat scheinbar beobachtet hat. Aufgrund des von ihm verübten Mordes kann er sich jedoch nicht einfach so an die Polizei wenden. Seine Lage verschlimmert sich, als es in seinem privaten Umfeld zu weiteren Morden kommt – und der Täter offenbar versucht, auch diese ihm anzuhängen. Daraufhin beauftragt er einen Privatdetektiv, um den wahren Schuldigen ausfindig zu machen. Doch bevor Arrosia Roberto darüber informieren kann, was er herausgefunden hat, wird er selbst zum Opfer. Damit ruhen Robertos letzte Hoffnungen auf einer neuartigen wissenschaftlichen Methode, mit der sich das Letzte, was ein Verstorbener vor seinem Tod gesehen hat, von der Retina ablesen lässt. Doch eben dieses Bild – vier Fliegen auf grauem Samt – gibt mehr Fragen als Antworten auf…

Review: Szenenbild. "Vier Fliegen auf grauem Samt" hat mir definitiv wieder besser gefallen als der Quasi-Vorgänger "Die neunschwänzige Katze", an "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" (im Original – ins Deutsche übersetzt – "Der Vogel mit dem Kristallgefieder" – deshalb hat sich eben auch "Tier"-Trilogie als Bezeichnung für diese nicht wirklich miteinander verbundenen Filme eingebürgert) kam Argento für mich aber auch hier nicht mehr heran. Einer meiner Kritikpunkte war dabei für mich die – pseudo-wissenschaftliche – Behauptung, auf unserer Retina würde sich das letzte Bild, das wir sehen bevor wir sterben, einbrennen. Zwar kann ich so einen Holler grundsätzlich in einem Thriller ruhig mal akzeptieren (die übernatürlichen Elemente im Horrorbereich kann ich ja auch nehmen; von den oftmals großen physikalischen Freiheiten im Action-Genre ganz zu schweigen), nicht zuletzt auch, als es diesmal nicht so zentral für die Story war wie bei "Die neunschwänzige Katze". Trotzdem irritierte es mich insofern ein bisschen, als es einem bis dahin sehr bodenständigen Thriller zum Ende hin auf einmal doch noch eine "übersinnliche" Komponente verlieh.

Ein weiteres Problem ist, dass es mir wesentlich schwerer fiel, eine Bindung zu Roberto aufzubauen, als dies bei den "Vorgängern" mit der jeweiligen Hauptfigur der Fall war. Ich weiß auch nicht, irgendwie fand ich zu Roberto nie wirklich einen Zugang. Es hilft sicher auch nicht, dass es Michael Brandon – zumindest in dieser Rolle – am nötigen Charisma vermissen ließ (was neben so schillernden, ausdrucksstarken Figuren wie Nina Tobias, Gianni Arrosio und Diomede – gespielt von Bud Spencer! – umso auffälliger und störender ist). Und einzelne Elemente – wie das mit der Puppe, oder auch die (grundsätzlich aber sehr gut inszenierten) Alpträume – wirken etwas beliebig, und fügten sich mit dem Rest nur bedingt zu einem stimmigen Ganzen zusammen. Und wie schon bei "Die neunschwänzige Katze" wird die Auflösung auch hier teilweise ein bisschen künstlich hinausgezögert, bis ist das Drehbuch etwas von der Hilfe der nicht ganz so gescheiten Protagonisten abhängig (wie z.B., wenn Arrosio nicht gleich mit seinem Verdacht zu Roberto geht; aber auch später, als Dalia ihn natürlich nicht erreicht). Davon abgesehen hat mir "Vier Fliegen auf grauem Samt" aber wieder gut gefallen. Er profitiert neuerlich vom recht bodenständigen Setup – wenn dieses auch nicht mehr ganz so alltäglich ist wie bei den Vorgängern. Der Fall ist zudem schön verzwickt aufgebaut, und lädt bis zuletzt zum Miträtseln ein. Wunderbar fand ich auch die Figur von Detektiv Arrosio. Ja, die Darstellung mag etwas klischeehaft und überzeichnet sein, letztendlich ist er aber eine charmante, sympathische Figur – und hatte ein derart offen homosexueller Charakter damals generell doch eher Seltenheitswert.

Szenenbild. Die Musik von Morricone war ebenfalls wieder gelungen (wenn auch nicht mehr ganz auf dem Niveau der beiden vorangegangenen; ob das etwas mit den Unstimmigkeiten mit Argento zu tun hatte, die dann ja auch dazu führten, dass die beiden danach nicht mehr zusammenarbeiten sollten?). Die größte Stärke von "Vier Fliegen auf grauem Samt" war aber auch hier wieder Dario Argentos Inszenierung. Es gibt zahlreiche Szenen, wo es Argento fantastisch versteht, die Spannungsschraube anzuziehen; der Showdown, der Angriff auf Dalia, vor allem aber die Verfolgung von Amalia im Irrgarten, die sowohl visuell bestechend als auch ungemein packend umgesetzt war, und wo mir nicht zuletzt die Idee, solche Hilfeschreie zu hören jedoch der Person nicht helfen zu können, in Mark und Bein ging. Wenn ich an diese starken Einzelmomente denke, würde ich "Vier Fliegen auf grauem Samt" am liebsten noch einen Wertungspunkt mehr geben. Leider aber kann er sich abseits dieser Höhepunkte was Spannung, Aufbau und Dramaturgie betrifft nicht ganz mit Argentos Besten messen.

Fazit: "Vier Fliegen auf grauem Samt" begeistert vor allem mit einigen starken Einzelszenen. Dario Argento versteht (oder verstand?) es einfach, spannende Momente auf die Leinwand zu bringen, und so gibt es auch hier wieder einige wirklich packende Szenen. Im Gesamtpaket ist "Vier Fliegen auf grauem Samt" aber leider nicht ganz so stark, was auch daran liegt, dass die Story abseits dieser Höhepunkte trotz eines grundsätzlich netten Aufbaus nur bedingt verstand, mich mitzureißen. Dies dürfte nicht zuletzt auch an Roberto liegen, der für mich ganz klar der schwächste Protagonist aus dieser "Tier-Trilogie" ist. Trotz eines grundsätzlich wieder gelungenen Setups fiel es mir irgendwie sehr schwer, eine Bindung zu ihm aufzubauen. Zumal Michael Brandon von einigen wesentlich charismatischeren DarstellerInnen um ihn herum überschattet wird. Auch mit dem titelspendenden pseudo-wissenschaftlichen Element rund um das auf der Retina eingebrannte Bild tat ich mir schwer. Und aufgrund einiger etwas beliebig wirkender Elemente – wie z.B. rund um die Puppe – wird "Vier Fliegen auf grauem Samt" teilweise ein bisschen wie ein Mischmasch. Insgesamt bot "Vier Fliegen auf grauem Samt" aber solide – und an den erwähnten Spannungsspitzen sogar herausragende – Thriller-Unterhaltung.

Wertung:6 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 1972 Cinema International Corporation)


Weiterführende Links:
Halloween-SPECiAL 2020





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