Mit: Sophia Lillis, Samuel Leakey, Alice Krige, Jessica De Gouw, Fiona O'Shaughnessy u.a.
Kurzinhalt:
Als es sich ihre Mutter nicht mehr leisten kann, die beiden Geschwister Gretel und Hänsel zu versorgen, setzt sie die beiden kurzerhand vor die Tür. Sie sollen sich irgendwo Arbeit suchen, und für sich selbst sorgen. Die beiden irren daraufhin ziellos im Wald umher, wo sie zuerst auf einen freundlichen Jäger stoßen, der sie für eine Nacht aufnimmt. Danach weist er ihnen den Weg ins nächstgelegene Dorf, wo sie sicher eine gute Arbeit finden werden. Doch als die beiden vor lauter Hunger vergiftete Pilze essen, kommen sie vom Weg ab, und landen schließlich an einem Haus, in dessen Inneren sie ein Festmahl erblicken. Hänsel schleicht sich hinein, und öffnet seiner Schwester die Tür. Die beiden sind gerade dabei, sich den Bauch vollzuschlagen, als sie von der Besitzerin des Hauses entdeckt werden. Holda gibt sich zuerst freundlich, und lädt sie dazu ein, ein paar Tage bei ihr zu verbringen, um sich zu stärken. Schon bald erkennt Gretel jedoch, dass es sich bei Holda um eine Hexe handelt – und diese etwas gar Furchtbares mit den beiden im Schilde führt…
Review:
Eigentlich war ich von den ersten beiden Filmen, die Oz/Osgood Perkins (seines Zeichens Sohn des "Psycho"-Stars Anthony Perkins) als Regisseur zu verantworten hatte, ja eher nicht so begeistert. "Die Tochter des Teufels" (von mir noch als "February" gesehen, später dann in "The Blackgoat's Daughter" umbenannt) war zwar immerhin noch so mittelmäßig, bei der Netflix-Produktion "I Am the Pretty Thing That Lives in the House" wäre ich aber fast eingeschlafen. Der verwechselte eine überkandidelte Artsy-Fartsy-Inszenierung mit Anspruch und Atmosphäre. Aber: Ich bin nun mal großer Kino-Fan, was auch bedeutet, dass ich meinen Teil beizutragen versuche, um die Kinolandschaft hierzulande in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen. Für Genre-Beiträge, die gerade auch vor der aktuellen Pandemie allzu oft/gern in den Heimkino-(und neuerdings auch Streaming-)Markt verbannt wurden, gilt das umso mehr. Insofern war für mich klar, dass ich ihm mit "Gretel & Hänsel" doch nochmal eine Chance geben würde. Zumal gerade auch hierzulande die Verbindung zur Vorlage größer ist, als vielleicht in den USA – weil ich denke, mit diesem Märchen der Gebrüder Grimm sind wir wohl alle aufgewachsen. Und darauf, wie eine Hollywood-Interpretation des Stoffes aussehen könnte, war ich durchaus schon neugierig.
Aus meiner Sicht hat sich die Entscheidung, ihn sich anzusehen, auch durchaus gelohnt. Wobei ich auch gleich sage: 1.) ist das Perkins sicherlich bislang mainstreamigster Film, was man nun sowohl gut als auch schlecht finden kann. 2.) etwas besonderes ist der absolut nicht, vielmehr ist er ein doch recht generischer Gruselstreifen, bei dem maximal das ungewöhnliche (historisch-märchenhafte) sowie der nette feministische Grundton hervorstechen. Und 3.) ist "Gretel & Hänsel" in der Art und Weise, wie er sich doch in erster Linie auf seine Atmosphäre verlegt, sicherlich nichts für jedermann bzw. -frau. Denn: Die Vorlage ist ja doch eher kurz und damit inhaltlich dünn (nicht zuletzt lässt sich die Geschichte in einem dreistrophigen Kinderlied erzählen), weshalb Oz Perkins wenn es darum geht, sie auf einen abendfüllenden Spielfilm aufzublähen, auf lange Einstellungen und viel Stille und Stimmung setzt. Was auch heißt: Entweder man kipp, so wie ich, zumindest ansatzweise hinein und lässt sich von der Atmosphäre gefangen nehmen, oder man wird ihn als zu inhaltsarm, zu ausgedehnt und damit schleppend erzählt, und dementsprechend in letzter Konsequenz als langweilig empfinden. Für mich hat er jedoch zumindest ansatzweise funktioniert. Ja, wie gesagt, die Story ist jetzt alles andere als komplex (auch wenn Perkins im Vergleich zur Vorlage ein paar nette neue Ideen einbaut), die Story wohlbekannt und damit vorhersehbar, und echte Spannung und/oder Gruselstimmung sucht man hier auch eher vergeblich. Was mich aber durchaus überzeugen konnte, war die visuelle Umsetzung. Dies betrifft die Kameraarbeit – insbesondere die teils starken Farben, mit denen Perkins/Olivares hier arbeiten – ebenso wie die Designs, wobei insbesondere das Aussehen des "Pfefferkuchenhauses" hervorsticht.
Auch das Sounddesign sticht hervor; man achte z.B. darauf, dass lange bevor offenbart wird, was genau Gretel und Hänsel da essen (auch wenn man es sich zugegebenermaßen schon früh denken kann), immer wieder Fliegen im Hintergrund zu hören sind. Und die zwar sehr zurückhaltende, in diesem generell sehr zurückgenommen Film aber wie die Faust aufs Auge passend und seine Stimmung perfekt unterstützende Musik von Rob trug für mich ebenfalls ihren Teil zu seinem gelingen bei. Last but not least: Besetzungstechnisch macht "Gretel & Hänsel" ebenfalls einen hervorragenden Eindruck. Sophia Lillis hat sich mit ihren Auftritten bei "Es" für mich jetzt schon zu einer modernen Horror-Ikone gemausert (einen Eindruck, den sie mit ihrem Engagement hier auch aktiv zu verfolgen scheint). Alice Krige ist im Genre auch keine Unbekannte (man denke nur an "Silent Hill"), und spielt beide Seiten ihrer Hexe ausgesprochen gut. Und Jessica de Gouw sehe ich seit "These Final Hours" auch immer wieder gerne. Und nachdem sich in der ersten Stunde in der Tat noch nicht sonderlich viel tut (wobei ich den Film selbst hier nie langweilig fand), dreht er zum Ende hin dann doch nochmal nett auf. Wie gesagt, das wird sicherlich nicht für jeden (gleich gut) funktionieren, ich für meinen Teil fand ich aber ok.
Fazit:
"Gretel & Hänsel" ist für mich ein klassischer Kandidat für eines der 1-Euro-Leihangebote bei Amazon Prime, oder auch, wenn er mal wo gratis in einem Streaming-Angebot enthalten sein sollte. Dann kann man ihm in meinen Augen ruhig eine Chance geben, ist er doch grundsätzlich solide gemacht, und erweist sich als durchaus interessante Interpretation des klassischen Märchens der Gebrüder Grimm. Für mich stachen dabei in erster Linie die gelungene visuelle Umsetzung – was sich sowohl auf die Kameraarbeit als auch das Setdesign bezieht – sowie die Besetzung hervor. Insbesondere das Katz- und Mausspiel zwischen Sophia Lillis und Alice Krige mitzuverfolgen macht durchaus Laune. Allerdings: Was die Handlung betrifft, ist "Gretel & Hänsel" zugegebenermaßen doch eher dünn, weshalb er sich sehr stark auf die Bilder, die Musik und die Atmosphäre verlegt. Entweder man kippt, so wie ich, zumindest ansatzweise hinein, und wird davon in Beschlag genommen – oder aber man wird ihn unweigerlich fad und inhaltsleer finden. Generell ist der Film sicherlich nichts Besonderes. Falls einem die Machart liegt, wird man hier aber mit einem grundsoliden Genrebeitrag belohnt. Insofern ist "Gretel & Hänsel" zwar sicherlich kein "Muss", in meinen Augen aber durchaus ein "Kann".