Kurzinhalt:
In einer fernen Zukunft ist die Menschheit längst ausgestorben. Statt von ihnen wird die Erde nun von Robotern beherrscht. Doch auch diese befinden sich in einem Überlebens- und Freiheitskampf. Ersteres, da immer wieder Teile ausfallen, und keine neuen Roboter hergestellt werden – weshalb einige von ihnen quasi als Wilderer durchs Land streifen, um Ersatzteile von kaputten oder fehlerhaften Robotern zu plündern. Brittle ist einer von ihnen: Ein weibliches Pflege-Modell, dass die sogenannte Rostwüste durchstreift, in der sich ganz besonders viele beschädigte Roboter zum "Sterben" zurückziehen. Die Freiheit der Roboter steht wiederum insofern auf dem Spiel, als die Welt von zwei konkurrierenden künstlichen Intelligenzen beherrscht werden, die möglichst alle Roboter in ihr Schwarmbewusstsein aufnehmen wollen. Eines Tages wird Brittle von einem anderen Plünderer verfolgt und beschädigt. Sie kann sich zwar in letzter Not in eine nahegelegene Stadt retten, muss dort jedoch erfahren, dass ihr Kern beschädigt wurde. Ohne Ersatz wird sie binnen einer Woche aufhören, zu funktionieren…
Review:
Ich kenne den guten C. Robert Cargill noch aus der Frühzeit des globalen Internets. Als Massawyrm hat er neben Outlaw Vern die meines Erachtens besten Filmkritiken auf Ain't It Cool News geschrieben. In den letzten Jahren ist es ihm zunehmend gelungen, sowohl im Filmgeschäft (so hat er z.B. an den Drehbüchern zu "Sinister" und "Doctor Strange" mitgewirkt) als auch im literarischen Bereich als Autor Fuß zu fassen. Ich habe mittlerweile einige Kurzgeschichtensammlungen von ihm – leider noch ungelesen – bei mir im Regal stehen. Als sein erstes Werk habe ich mir nun aber den gefeierten "Robo Sapiens" (im englischen "Sea of Rust"; ich habe dies in der Inhaltsangabe frei mit Rostwüste übersetzt – keine Ahnung, wie es in der deutschen Übersetzung gehandhabt wurde) vorgeknöpft. Und was soll ich sagen: Ich kann eigentlich in die allgemeine Lobhudelei nur einstimmen. Das war wirklich fantastisch. Am meisten hat mich wohl beeindruckt, wie realistisch und eben deshalb auch beklemmend ich die hier von ihm vorgestellte Zukunftsvision im Hinblick auf die Entwicklung von Robotern, künstlichen Intelligenzen und so weiter fand. Das ist derart schlüssig, stimmig und plausibel, dass es schwer ist, sich vorzustellen, dass es anders ablaufen könnte. Eben diese vermeintliche Unvermeidlichkeit des von ihm hier in Rückblenden aufgerollten Geschehens rund um die "Robokalypse" machten "Robo Sapiens" zum bedrückendsten Roman, den ich seit einer ganzen Weile gelesen habe. Selbst einige Wochen nachdem ich ihn fertig gelesen habe hat er mich – obwohl aktuell andere Bedenken im Vordergrund stehen – immer noch nicht losgelassen. Zumindest mich hat diese Schilderung unserer Zukunft jedenfalls in höchst nachdenklicher Stimmung zurückgelassen.
Aber auch die weitere Entwicklung über die Auslöschung der Menschheit hinaus – mit den Künstlichen Intelligenzen, die versuchen, die noch frei lebenden Roboter in ihr Schwarmbewusstsein aufzunehmen (also quasi zu assimilieren) hatte es mir angetan. Dadurch hat C. Robert Cargill hier letztendlich einen postapokalyptischen Roman geschaffen, in dem jedoch eben nicht wie sonst üblich die Menschheit, sondern vielmehr Roboter, die Protagonisten sind. Was für ein faszinierender Gedanke! Und auch die Hauptstory – aus Sicht des Romans in der Gegenwart – rund um Brittle hatte es mir angetan. Mit ihr hat Cargill eine höchst interessante und ambivalente Figur erschaffen. Er macht es dem Zuschauer von Anfang an nicht leicht, sie zu mögen, endet doch bereits das erste Kapitel mit einer kalt-berechnenden Tat ihrerseits – und dabei ist das in Wahrheit, wie wir in den späteren Rückblenden sowie in weiterer Folge dann der zunehmenden Vermischung aus Gegenwart und Vergangenheit (als ihr Kern langsam zusammenbricht) erfahren, nur die Spitze des Eisbergs. Und doch schafft er es zugleich auch irgendwie, sie einem sympathisch zu machen – zumindest aber, uns verstehen zu lassen, warum sie tut, was sie tut (bzw. tat, was sie tat). Darüber hinaus gelingt es Cargill, wohl nicht zuletzt aufgrund seiner Vorliebe für und auch Arbeit an Filmen, das Geschehen überaus plastisch und mitreißend zu erzählen, und die betreffenden Bilder im Kopf des Lesers entstehen zu lassen. Wenn man überhaupt etwas kritisieren könnte, dann dass in der zweiten Hälfte die Action da und dort ein bisschen Überhand zu nehmen droht. Zudem ist "Robo Sapiens", trotz der zahlreichen Rückblenden zum Untergang der Menschheit (und darüber hinaus) sicherlich nicht der komplexeste Roman, der je geschrieben wurde. Für mich vereint er allerdings die größten Stärken der besten Blockbuster, wie z.B. einem "Terminator 2: Tag der Abrechnung", in dem er es schafft, sowohl höchst unterhaltsam zu sein, als auch zum Nachdenken anzuregen, und dem geneigten Zuschauer bzw. Leser noch länger zu beschäftigen und in Erinnerung zu bleiben.
Fazit:
"Robo Sapiens" ist ein großartiger, dystopischer Science Fiction-Roman, der mich vor allem mit seiner sehr glaubwürdig geschilderten Auslöschung der Menschheit – nach dem Aufkommen von intelligenten Robotern – doch sehr nachdenklich gestimmt und mich noch lange nachdem ich die letzte Seite umgeblättert hatte beschäftigt hat. Aber auch die Hauptgeschichte rund um Brittle – mit der C. Robert Cargill eine sehr ambivalente Hauptfigur erschaffen hat – weiß zu überzeugen. Aufgrund der unterschiedlichen Zeitebenen und den so erhellenden wie erschreckenden Rückblenden zum Untergang der Menschheit würde ich die erste Hälfte zwar die Spur stärker einschätzen als die zweite, wo die Action dann auch ein bisschen Überhand nimmt, meinem Lesevergnügen tat dies jedoch keinen nennenswerten Abbruch. Insgesamt ist "Robo Sapiens" mindestens so mitreißend wie verstörend, und aus meiner Sicht insbesondere für alle Fans von Isaac Asimov eine absolute Pflichtlektüre!
Bewertung: 4.5/5 Punkten
Christian Siegel
Kommentare (2)
1. 22.03.2020 21:53
Das erinnert mich an eines meiner Liebli
Vielen Dank für die Rezi, ich werde definitiv mal einen Blick in das Buch werfen. Die Grundidee einer Welt ohne Menschen, die nur von Robotern bzw. künstlichen Intelligenzen bevölkert ist, erinnert mich angenehm an das tolle Adventuregame "Primordia". Dort hatten die Menschen sich allerdings, ganz klassisch, selbst ausgelöscht, via Krieg, und es gibt fast keine Rückblenden in die Zeit, als es noch Menschen gab. Dafür waren die KI-Charaktere des Spiels umso interessanter. Und die Handlung war großartig, und so gut durchdacht!
Freut mich, dass ich dir damit einen - hoffentlich guten - Tipp geben konnte! Zugleich bedanke ich mich für den Hinweis auf Primordia. Adventure-Spiele mag ich ja generell sehr gerne.