FilmRückblick 2019 - 11 denkwürdige Momente des Filmjahres
Die besten Szenen des Filmjahres 2019Kategorie: DVD & Kino - Autor: Christian Siegel - Datum: Mittwoch, 15 Januar 2020
11 denkwürdige Momente des Filmjahres
Nach der Betrachtung der schlechtesten Leistungen des letzten Filmjahres, wenden wir uns nun wieder den angenehmeren Dingen des cineastischen Lebens zu. Sprich: Jenen 11 (bzw. – mit Verfolgern – 22) Filmmomenten, die mir 2019 ganz besonders positiv aufgefallen und in Erinnerung geblieben sind. Der traditionelle Sonderpreis der Jury (= mir) geht dabei heuer an die beste "Film im Film"-Szene. Wobei es genau genommen eigentlich eine "Dreharbeiten im Film"-Szene ist; aber so klingt's besser ;-). Davon abgesehen gibt es wieder die zehn gewohnten Kategorien, von der besten Feel Good-Szene bis hin zum Magic Moment des Jahres. Wie immer gilt, dass die nachfolgende Aufstellung – no na – einige Filmszenen beschreibt und demnach Spoiler enthält. Lesen somit auf eigene Gefahr!
Sonderpreis der Jury – Die beste "Film im Film"-Szene 2019
Auch wenn ich ihn nicht zu den besten Filmen von Quentin Tarantino zählen würde, hat mir "Once Upon A Time in Hollywood" insgesamt schon sehr gut gefallen. Er verstand es jedenfalls, mich gleich abzuholen, und dann rund zweieinhalb Stunden gut zu unterhalten. Und auch wenn es dabei die eine oder andere Szene gab, die hervorstach, hatte es mir vor allem jener Moment angetan, wo wir Rick Dalton bei den Dreharbeiten zum Film beobachten, und er dann schließlich mit seinem jungen Co-Star eine Szene probt. Die meisten waren ja vor allem von Brad Pitt beeindruckt, aber ich fand Leonardo diCaprio als Rick Dalton als Caleb DeCoteau, vor allem auch in dieser Szene, absolut großartig – und beeindruckend genug, um ihm den diesjährigen Sonderpreis zu verleihen (da die Szene in keine der anderen Kategorien gepasst hätte) .
Runner-Up: Das erste Segment von "One Cut of the Dead".
Stimmungskanone des Jahres – die "Feel Good"-Szene 2019
Wie schon fast traditionell geht der Preis auch heuer wieder an eine musikalische Einlage. Nun bietet "Rocketman" diesbezüglich ja einiges an Auswahl, ich fand aber, nichts war derart ungetrübt von reiner Freude erfüllt, als sein erster größerer Auftritt im Troubadour, wo er "Crocodile Rock" zum Besten ab. Das "erhebende" der Szene wird dabei in diesem Fall sogar visuell vermittelt, mit dem schwebenden Elton John, und später kommt dann teilweise auch noch das Publikum auf die Bühne, um mit ihm mitzutanzen. Zweifellos eine beschwingte Einlage, die auch noch nicht so vom sich langsam abzeichnenden, privaten Fall des Künstlers überschattet war, wie einige spätere Szenen (wie z.B. das kurze Anspielen meiner Lieblingsnummer von ihm, "Don't Let the Sun Go Down On Me").
Runner-Up: Die beschwingt-fröhliche Tanzeinlage am Ende von "Tage wie diese".
Herzensbrecher des Jahres – die romantischste Szene 2019
Es freut mich außerordentlich, dass dieser Preis, wie schon letztes Jahr, auch heuer wieder an eine homosexuelle Liebesgeschichte geht (und das nicht etwa bewusst/absichtlich, im Sinne von, ich wähle ihn nur deswegen, sondern weil's halt in der Tat die romantischste Szene des Jahres war). Praktisch ab dem ersten Moment, wo sich Marianne und Héloise begegnen, ist die gegenseitige Anziehung spürbar. In den darauffolgenden Filmminuten verdichten sich diese dann zunehmend, es dauert allerdings, bis sich diese Spannung dann entlädt, und die beiden ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Ist es dann aber mal so weit, ist es mindestens so romantisch wie erotisch, und eine wundervolle Zelebrierung der Kraft der Liebe – die zudem durch das Wissen der Unmöglichkeit ihrer Liebe (in dieser Zeit und dieser Gesellschaft) eine inhärente Tragik bekommt, welche die Wirkung der betreffenden Szenen für mich noch einmal zusätzlich verstärkte.
Runner-Up: Das herrlich überzogene – und damit die grundsätzlich meist wenig im Realismus verankerten Enden romantischer Komödien bewusst überspitzende – Ende von "Long Shot – Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich".
Schenkelklopfer des Jahres – die lustigste Szene 2019
Für mich war "Booksmart" ja generell die lustigste und damit zugleich eben auch beste Komödie des letzten Filmjahrs. Wunderbar, eine klassische Teenie-Komödie, die oftmals doch sehr stark auf die männliche Perspektive fokussiert sind, mal aus der Sicht zweier Streberinnen zu erleben, die in der Nacht vor der Abschlussfeier noch einmal so richtig die Sau rauslassen wollen. "Booksmart" strotzt nur so vor amüsanten Sprüchen und Momenten, was die Auszeichnung als Schenkelklopfer des Jahres betrifft, fällt meine Wahl aber die köstliche Szene, wo die beiden im Uber ihres Direktors mitfahren, sich auf ein allfälliges amouröses Abenteuer mit der Sichtung eines Pornos vorbereiten wollen, und ihr Handy dann mit dem Lautsprecher des Autos verbunden wird. Ich habe gebrüllt vor Lachen!
Runner-Up: Ein Unentschieden zwischen der köstlichen Szene in "Extra Ordinary", wo man ein Menschenopfer durch spontane Entjungferung zu verhindern gedenkt, und dem katastrophal verlaufenden Besuch der Gutachterin vom Jugendamt aus "Marriage Story".
Schock des Jahres – der beste Twist 2019
"Parasite" ist ein gar wunderbarer Film, der so manch überraschende Entwicklung bietet. Ich behaupte aber mal: Auf diese bestimmte Wendung ca. zur Mitte des Films wären wohl die wenigsten gekommen. Es ist zwar zugegebenermaßen weniger ein Schock als eine Überraschung, bestimmt dann jedoch den weiteren Verlauf des Films, und fügt vor allen Dingen dem hier gezeigten Klassenkampf eine weitere, überaus interessante Dimension hinzu – und verstärkt damit zugleich die den Film dominierende Gesellschaftskritik. Ohne diese Wendung wäre "Parasite" zwar auch immer noch sehr cool, aber eben längst nicht so interessant und aussagekräftig gewesen – was den Twist eben zu weitaus mehr macht als einem reinen Gimmick.
Runner-Up: Auch der Verfolger-Preis geht an ein Gesellschaftsdrama, diesmal aus Österreich – denn nach noch recht freundlichen Beginn schlägt "Nobadi" dann mit dem Mord eine von meiner Seite aus gänzlich unerwartete Richtung ein, die dann in weiterer Folge auch in einem zutiefst bedrückend-deprimierenden Finale münden sollte.
Augenöffner des Jahres – die imposanteste Szene 2019
In keiner Kategorie hatte ich heuer eine ähnlich große und eindrucksvolle Auswahl, wie hier. Optisch war das abgelaufene Filmjahr 2019 wirklich ausgezeichnet, und es gäbe nun wahrlich genug Szenen, die mehr als würdige Sieger in dieser Kategorie gewesen wären. Vom bombastischen Finale von "Avengers: Endgame" über die teils wie Gemälde wirkenden Einstellungen aus "Porträt einer jungen Frau in Flammen" bis hin zu den großartig restaurierten Originalaufnahmen aus "Apollo 11". Den Sieg holte sich allerdings ausnahmsweise mal ein Film, der sich weder in meiner Top 10 noch meinem Verfolgerfeld wiederfinden wird. Weil: Insgesamt betrachtet mag "Ad Astra" zwar nett und gut gewesen sein, konnte aber mit jüngeren Genre-Meisterwerken wie "Interstellar" oder "Arrival" nicht mithalten. Was aber auch nichts daran ändert, dass einige der von ihm präsentierten Aufnahmen ungemein imposant waren – wobei vor allem auch der Weltraumaufzug zu Beginn hervorstach. Da hat sich IMAX endlich mal wieder so richtig ausgezahlt.
Runner-Up: Noch eine Spur schlechter, aber optisch ebenfalls überaus imposant: "Die wandernde Erde". Die Szenen der titelspendenden wandernden Erde waren schon sehr eindrucksvoll – und vor allem auch etwas, dass man in dieser Form bislang noch in keinem Film gesehen hat.
Ohrenöffner des Jahres – der beste Dialog 2019
Das Schöne an der von mir für diese Kategorie gewählten Szene ist, dass letztendlich der ganze Film auf diesen Moment hinzuarbeiten scheint. Die ganze Zeit über versucht Charlie, die Ruhe zu bewahren, sich seinen Frust und seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, und frisst er seinen Ärger in sich hinein – bis sich all diese angestauten Gefühle dann schließlich beim Besuch einer zukünftigen Ex-Frau Nicole in seinem Apartment entladen, und sich die beiden ein Schreiduell liefern. Die Szene gewinnt dabei weniger wegen dem Inhalt des Gesprächs, als der entblößten, rohen Emotionen, die darin zum Ausdruck kommt – und die sowohl von Adam Driver als auch Scarlett Johansson eindringlich vermittelt werden.
Runner-Up: Eher ungewöhnlicher- zugleich aber auch wieder passenderweise (da die o.a. Szene stark auf Charlies Gefühle fokussiert ist, der Film jedoch insgesamt einen guten Job dabei macht, beide Seiten zu beleuchten) geht auch der Verfolger-Preis an "Marriage Story", in diesem Fall Nicoles eindringliche Schilderung ihrer Ehe mit Charlie – die guten sowie die schlechten Seiten – an ihre Anwältin.
Nägelbeißer des Jahres – die spannendste Szene 2019
Es ist echt beachtlich. Man weiß auf rein rationaler Ebene genau, dass alles gut gehen muss – da es diesen Film, zumindest in dieser Form, sonst wohl nie gegeben hätte. Oder aber, man vermutlich im Vorfeld schon irgendwie davon erfahren hätte, wenn der Film eine echte Tragödie aufrollen würde. Doch trotz des klaren Ausgangs gelang es "Free Solo" dank der eindrucksvollen Aufnahmen, der mitreißenden Musik, sowie vor allem natürlich der halsbrecherischen Freeclimber-Einlage von Alex Honnold, mehr Spannung zu verströmen als alle Blockbuster des Jahres 2019 zusammengenommen. Ähnlich mitgefiebert wie bei seinem Versuch, den Freeclimb-Rekord am El Capitan zu brechen, habe ich sonst bei keinem anderen Film im abgelaufenen Jahr. Somit beweist "Apollo 11" – wie auch mein Verfolger-Kandidat: Manchmal ist das wahre Leben eben doch spannender, als die Fiktion.
Runner-Up: Und noch eine Doku, mit ganz ähnlichen Vorzeichen. Denn auch bei "Apollo 11" gilt: Wir wissen natürlich schon, wie das ausgeht. Dass es dann gerade auch der Mondlandung an sich gelingt, eine enorme Spannung zu verströmen, ist gleichermaßen Regisseur (und Cutter) Todd Douglas Miller und Komponist Matt Morton zu verdanken.
Adrenalinlieferant des Jahres – die beste Actionszene 2019
Ohne Konkurrenz durch Bond oder Hunt war es für John Wick ein vergleichsweise leichtes, sich diese Auszeichnung zu holen – was jedoch nicht heißen soll, dass er sich diese Auszeichnung nicht verdient hätte. Zwar konnte das dritte Kapitel in meinen Augen mit den ersten beiden Abenteuern von John Wick nicht mehr ganz mithalten, die Action war aber wieder mal über jeden Zweifel erhaben. Gar nicht so leicht, da eine bestimmte S zene herauszupicken, ich entscheide mich letztendlich aber nicht – wie man vielleicht erwarten könnte – für den Showdown, sondern vielmehr eine coole Actionsequenz zuvor, wo John und Sofia Hand an Pfote mit den Hunden kämpften, und versuchten, aus Berradas Lager zu entkommen.
Runner-Up: Der spektakuläre Showdown aus "Avengers - Endgame"; plus lobende Erwähnungen für die coole und in dieser Form noch nie gesehenen Moonbuggy-Überfall-Sequenz aus "Ad Astra", sowie die starken Kampfchoreographien aus "Triple Threat".
Tränendrücker des Jahres – die berührendste Szene 2019
Die Ausgangssituation versprach ja schon förmlich eine emotionale Achterbahnfahrt – und genau die hat "The Farewell" dann auch geliefert. Emotional berührt hat mich hier vor allem der Abschied. Einem geliebten Menschen Lebewohl zu sagen, ohne zu wissen, wann bzw. ob überhaupt man sie je wiederzusehen – oder gar, wie in diesem Fall, zu glauben, dass dies das letzte Mal ist, dass man die betreffende Person sieht – ist ungemein hart. Und zugleich etwas universelles, mit dem sich wohl jeder von uns bis zu einem gewissen Grad identifizieren kann. Eben deshalb hat sich "The Farewell" in dieser Kategorie dann eben auch denkbar knapp gegenüber dem Verfolger durchgesetzt.
Runner-Up: Neben "The Farewell" hatte ich 2019 vor allem auch noch bei "Porträt einer jungen Frau in Flammen" mit den Tränen zu kämpfen – insbesondere bei der Szene mit dem Porträt und der dort zur erkennenden Seitennummer im Buch (wobei der Abschied und die allerletzte Szene – wo Adele Haenel in 1-2 Minuten alle möglichen Emotionen durchspielt, und dabei neuerlich ihr außergewöhnliches Talent beweist – ebenfalls sehr bewegend waren).
Gänsehautszene des Jahres – der Magic Moment 2019
Ich habe den Film ja bereits in meinem Review ausführlich gelobt, und werde das in wenigen Tagen wenn wir bei meiner Top 10-Liste angekommen sind noch einmal machen, aber: Ich kann echt nicht oft genug erwähnen, was für eine herkulische Leistung "Endgame" darstellt. Eine aus zweiundzwanzig Filmen bestehende, zusammengehörige und aufeinander aufbauende Reihe hat es ja generell noch nie gegeben, aber den Abschluss dann auch noch derart perfekt hinzubekommen, ist echt eine Meisterleistung. Was macht es da schon, wenn Tony Starks Tod sonnenklar war, und dementsprechend die gewünschte emotionale Wirkung nicht ganz erzielen konnte? Eine starke Szene war es auch so. Der Preis geht aber vielmehr an die nachfolgende Gedenkszene, wo die Kamera nacheinander an all seinen Weggefährten, die uns über diese 22 Filme umfassende Saga begleitet haben, vorbeischwebt. Schöner und passender hätte man "Avengers: Endgame" – und damit auch diese Ära der Marvel-Filme – gar nicht abschließen können.
Runner-Up: Auch auf Platz 2 dieser Kategorie findet sich ein Comic-Film: Es ist zwar alles andere als eine glückliche oder gar erhebend-triumphale Szene, das Ende aus "Joker", wo dieser vom Mob gefeiert wird und Arthur Fleck somit endlich "zu Hause" angekommen zu sein scheint, traf mich aber vor allem wegen der dieser Szene innewohnenden Tragik – und der großartigen Art und Weise, die der Film auf diesen Moment hinarbeitete.
Welche Filmmomente sind euch im abgelaufenen Kinojahr besonders positiv in Erinnerung geblieben? Wir freuen uns über eure ganz persönlichen Lieblingsszenen 2019 in den Kommentaren!