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Aufbruch zum Mond Drucken E-Mail
Dramatisierung von Neil Armstrongs Leben Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Donnerstag, 05 Dezember 2019
 
Advents-SPECiAL

 
Aufbruch zum Mond
Originaltitel: First Man
Produktionsland/jahr: USA 2018
Bewertung:
Studio/Verleih: DreamWorks/Universal Pictures International
Regie: Damien Chazelle
Produzenten: U.a. Marty Bowen, Wyck Godfrey, Isaac Klausner & Damien Chazelle
Drehbuch: Josh Singer, nach dem Buch von James R. Hansen
Filmmusik: Justin Hurwitz
Kamera: Linus Sandgren
Schnitt: Tom Cross
Genre: Drama
Kinostart Deutschland: 08. November 2018
Kinostart USA: 12. Oktober 2018
Laufzeit: 141 Minuten
Altersfreigabe: FSK ab 12
Trailer: YouTube
Kaufen: Blu-Ray, DVD, Soundtrack
Mit: Ryan Gosling, Claire Foy, Jason Clarke, Kyle Chandler, Corey Stoll, Patrick Fugit, Christopher Abbott, Ciaran Hinds, Olivia Hamilton, Pabro Schreiber, Shea Whigham, Lukas Haas u.a.


Kurzinhalt: Neil Armstrong ist einer von vielen Testpiloten der Air Force. Anfang der 60er wird sein Leben von einem tragischen Schicksalsschlag überschattet, als seine kleine Tochter an Krebs stirbt. Daraufhin beginnt sich der ohnehin schon stille Neil noch weiter in sich zurückzuziehen, und stürzt sich in seine Arbeit. Er bewirbt sich bei der NASA als Astronaut, und wird als einer von neun neuen Mitgliedern, die sich den sogenannten "Gemini Seven" anschließen, für das Raumfahrtprogramm ausgewählt. Bei seinem ersten Flug ins All, mit Gemini 8, kommt es dann zu einer verheerenden Fehlfunktion des Triebwerks, die fast in einer Katastrophe geendet hätte. Nur Neil Armstrongs Talent, auch in kritischsten Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren, ist es zu verdanken, dass das Desaster ausblieb. Etwas, dass er auch etwas später beim Test der Mondlandefähre beweist, als er sich in letzter Sekunde mit dem Schleudersitz befreit und so sein Leben rettet. Alles Vorfälle, welche der NASA natürlich nicht verborgen bleiben. Und so wird Neil Armstrong schließlich zum Kommandanten der Apollo 11-Mission gewählt, bei der er, zusammen mit Edwin "Buzz" Aldrin und Michael Collins zum Mond fliegen und diesen als erster Mensch betreten soll…

Review: Szenenbild. Nach seinem vielbeachteten Regiedebüt "Whiplash" und dem wunderbar altmodischen Musical "La La Land", dass für mich definitiv zu den besten Filmen der ablaufenden Dekade gehört, beschloss Damien Chazelle, sich als nächstes das Leben von Neil Armstrong vorzuknöpfen – mit, natürlich, besonderem Schwerpunkt auf die Mission von Apollo 11. Ähnlich wie bei "Der Stoff, aus dem die Helden sind" (der sich übrigens als Prequel zu "Aufbruch zum Mond" anbietet) oder "Apollo 13" haben wir hier also eine Dramatisierung mehr oder weniger realer Ereignisse vor uns, wobei Chazelle die wichtigsten Eckpunkte aus Armstrongs Biographie abhakt: Seine Testflüge mit der X-15, der Flug der Gemini 8, der Unfall mit der Mondlandefähre, sowie zuletzt dann die historische Mission von Apollo 11. Mehr noch als diese beruflichen Erfolge wird "Aufbruch zum Mond" jedoch vom wohl tragischsten Detail seiner Biographie dominiert: Dem Tod seiner gerade mal zweijährigen Tochter Karen. Es ist vor allem dieser Verlust, der sich durch Chazelles Interpretation von Armstrongs Leben zieht – und schließlich auf der Oberfläche des Mondes (in einer zwei enorm vorhersehbaren, aber dennoch berührenden Szenen) ihren emotionalen Höhepunkt erreicht.

"Aufbruch zum Mond" besticht dabei vor allem in audiovisueller Hinsicht. Der Soundtrack von Justin Hurwitz ist wieder einmal eine Wucht, und erweist sich hier als ebenso essentiell, wie zuvor bei "Whiplash" und "La La Land", weshalb er für mich auch ganz klar Chazelles wichtigster Kollaborateur ist. Für "Aufbruch zum Mond" hat er in erster Linie zwei schöne, einprägsame Leitmotive komponiert, die bei der abschließenden Mission dann auch zunehmend miteinander verwoben werden. Dabei setzt er auch auf heutzutage kaum gehörte Instrumente, wie das Theremin (welches vor allem in den SF-Filmen der 50ern sehr populär war). Dass es für seine Arbeit nicht einmal eine Oscar-Nominierung gab, ist einfach nur ein Witz (und zwar ein schlechter). Aber auch auf visueller und/oder inszenatorischer Ebene vermag es "Aufbruch zum Mond", zu begeistern. Bereits der Einstieg ist spektakulär, mit dem X-15-Testflug. An der Umsetzung der Mission von Gemini 8 gefiel mir dann insbesondere, dass wir fast die ganze Zeit mit den Astronauten in der Kapsel bleiben, und Chazelle überwiegend auf Außenaufnahmen verzichtet. Man fühlt sich dadurch quasi wie die Fliege an der Wand, bzw. als Teil der Besatzung. Und nicht zuletzt auch, da sich Chazelle was die Geräuschkulisse betrifft nicht zurückhält und es ordentlich dröhnen lässt, bekommt man so als Zuschauer zumindest einen Eindruck, wie sich das für die Astronauten angeführt haben muss. In erster Linie ist es aber die Umsetzung der Apollo 11-Mission (abseits kleinerer Schönheitsfehler, wie der fehlenden US-Flagge), die besticht. Hurwitz Musik steigert sich hier während des Anflugs über Minuten hinweg, um dann schließlich bei der Landung ihren Höhepunkt zu erreichen. Die nachfolgenden Aufnahmen der Mondoberfläche sind einfach nur ungemein beeindruckend, und lassen einem zum vielleicht ersten Mal Aldrins Eindruck der "überwältigen Trostlosigkeit" ("magnificent desolation", wie er es ausdrückte) nachempfinden. Jedenfalls war "Aufbruch zum Mond" wieder einmal einer jener Filme, die von einer möglichst großen Leinwand (in meinem Fall jene des altehrwürdigen Wiener Gartenbaukinos) profitierten.

Szenenbild. Jedoch: Just bei der Darstellung seiner zentralen Figur hat "Aufbruch zum Mond" meines Erachtens doch ein bisschen gepatzt. Drehbuchautor Josh Singer, Regisseur Damien Chazelle und Schauspieler Ryan Gosling stellen Neil Armstrong als stillen, privaten Menschen vor, der sich nach dem Tod seiner kleinen Tochter endgültig praktisch völlig in sich zurückzieht. Nun hat Armstrong zwar zugegebenermaßen, nicht zuletzt aufgrund der Art und Weise, wie er sich in weiteren Folge doch eher aus dem öffentlichen Leben zurückzog (wobei er auch in späteren Jahren immer wieder öffentliche Auftritte absolvierte), den Ruf eines Einsiedlers erhalten, hier wird er jedoch als richtiggehend ungesellig bis hin zu menschenfeindlich dargestellt. Nun habe ich Armstrong natürlich nicht selbst gekannt, aber diese extreme Darstellung entspricht dann doch nicht dem Bild, das ich aus den bisherigen Interpretationen (wie z.B. "From the Earth to the Moon") oder auch so mancher Dokumentation gewonnen habe. Zumal der Film leider auch so manche Aspekte seiner Person, wie seinen feinen Sinn für Humor (wie z.B. die Doku "Armstrong" beweist), leider gänzlich ausspart. Vielmehr wirkt Armstrong, so wie er hier dargestellt wird, eher wie ein Fall für den Psychiater (statt der ersten bemannten Mondlandung).

Doch es ist nicht nur Armstrong. Auch Buzz Aldrin tut man mit der Darstellung hier (durch den von mir jetzt nicht unbedingt geschätzten – das mag hier auch noch mitspielen – Corey Stoll) nicht gerade einen Gefallen, wirkt er doch teilweise wie ein richtiges, arrogantes Arschloch. Wieder: Das mag halt einfach der Wahrheit näher sein, als die bisherigen Interpretationen, deckt sich aber halt nicht mit meinem eigenen Eindruck, den ich als an der Raumfahrt im Allgemeinen und der Mission von Apollo 11 im Besonderen interessierter Mensch bisher gewonnen hätte. Und so hatte ich ich bei "Aufbruch zum Mond" – ob richtig oder falsch, sei dahingestellt – den Eindruck, dass dieser die Geschichte doch etwas verzerrt. Und alle, die mir nun meine – wohlwollende – Meinung zu "Bohemian Rhapsody" vorwerfen wollen, seien daran erinnert, dass der Film trotz aller künstlerischen Freiheit (Verschiebungen, Verkürzungen, Übertreibungen) die schillernde Persönlichkeit von Freddie Mercury wahrheitsgetreu und vor allem auch in all seinen Facetten einfing. Und eben genau das gelang "Aufbruch zum Mond" in meinen Augen nun mal nicht; nicht zuletzt auch deshalb, als mir Goslings Armstrong zu sehr auf den Verlust seiner Tochter reduziert (auch wenn ich sofort glaube, dass das ein Verlust ist, der einen verändert, und den man nie wirklich überwindet). Und das ist halt dann schon ein nicht unwesentlicher Knackpunkt. Den Darstellern ist hier übrigens der geringste Vorwurf zu machen. Zwar war ich von Ryan Gosling auch schon mal schwerer beeindruckt, als hier, das liegt aber sicherlich zu einem nicht unwesentlichen Teil ganz einfach daran, dass er hier einen fast schon apathisch wirkenden Mann spielt, der sich von allem und jedem um ihn herum abschottet, und kaum mal Gefühle zeigt. Was es halt auch einem Darsteller ungemein schwer macht. Corey Stoll ist wie gesagt nicht mein Lieblings-Darsteller (was auch an meiner Enttäuschung mit "The Strain" liegen mag, dass ich bereits im Verlauf der ersten Staffel abgebrochen habe), und Lukas Haas erleidet das Schicksal seiner Figur, und gerät als Michael Collins leider völlig in den Hintergrund du wird praktisch vergessen. Dafür war ich von Claire Foy (die sich seit der Scheibenwelt-Verfilmung "Going Postal" ungemein schätze) umso begeisterter. Eine wundervolle, emotionale, nuancierte Performance, mit der sie mich wirklich (wieder einmal) beeindruckt hat. Weshalb ich sie auch, neben Inszenierung und Score, zu den größten Stärken des Films zähle.

Fazit: Szenenbild. "Aufbruch zum Mond" ist vor allem audiovisuell ein Erlebnis. Angefangen bei Justin Hurwitz großartiger Filmmusik über das teils ohrenbetäubende Sounddesign, dass einem das Gefühl gibt, mit den Astronauten in der Kapsel zu sitzen, bis hin zur wundervollen, optisch ungemein eindrucksvollen Rekonstruktion der Mission von Apollo 11 liegt genau in diesem Aspekt die größte Stärke des Films. Davon abgesehen ist Damien Chazelles dritte Regiearbeit aber leider bestenfalls ok. So war der Film insgesamt für meinen Geschmack doch die Spur zu sentimental. Zudem hätte ich mir, trotz des Originaltitels "First Man" der deutlich macht, dass Neil Armstrong hier nun mal im Mittelpunkt steht, doch noch etwas mehr Fokus auf das Raumprogramm im Allgemeinen gewünscht. Der größte Knackpunkt ist jedoch die Darstellung von Neil Armstrong selbst, der hier nicht einfach nur wie eine ruhige Person, sondern richtiggehend menschenscheu bis -feindlich wirkt, und der mir – bei allem Verständnis für die Tragweite eines solchen Verlustes – dann doch zu sehr auf den Tod seiner Tochter reduziert wird. Frühere Darstellungen in Film- und Fernsehen, sowie auch die mir bekannten Dokumentationen, vermittelten mir dann doch ein etwas anderes und was seine einsiedlerischen Tendenzen betrifft nicht ganz so dramatisches Bild. Einen Gefallen macht man dieser wichtigen Figur der Menschheitsgeschichte mit seiner Darstellung hier in meinen Augen jedenfalls nicht unbedingt. Insgesamt fühlte sich "Aufbruch zu Mond" für mich letztendlich wie das genaue Gegenteil der "From the Earth to the Moon"-Episode "Ein gewaltiger Schritt für die Menschheit" an, welche die Vorbereitung auf die Mission großartig darstellte, dann jedoch bei der Umsetzung des Flugs an sich ein bisschen enttäuschte. Hier ist es genau umgekehrt: Die Mission selbst ist absolut spektakulär und eindrucksvoll umgesetzt, und mit Abstand der Höhepunkt des Films. Den Aufbau dahin fand ich allerdings eben doch nur so lala.

Wertung:7 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2018 UPI)


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