Kurzinhalt:
Im Orbit eines Planeten hat sich eine Raumzeitanomalie gebildet. Man glaubt, dass der Gesang der Taygetianer damit in Zusammenhang steht. Diese werden für ihre Tränen gejagt und abgeschlachtet. Die Enterprise fliegt – mit dem Komponisten Guy Maslin an Bord, der die Musik der Taygetianer entschlüsseln soll – zum Planeten, um die Ursache der Anomalie zu ergründen. Doch diese hat auch das Interesse der Klingonen geweckt, und so kommt es zum Wiedersehen zwischen Kirk und Kor. Die beiden einstigen Rivalen bemerken dabei schon bald, dass sie letztendlich dasselbe Ziel verfolgen, und wagen eine vorsichtige, kurzzeitige Allianz. Doch nicht alle an Bord des Klingonen-Schiffes sind damit einverstanden. Maslin versucht indes, die Sprache der Taygetianer zu entschlüsseln, um mit ihnen in Kontakt treten zu können. Während der Mission verlieben sich er und Uhura zunehmend ineinander. Doch Maslin riskiert bei diesem Einsatz nicht weniger als sein Leben – denn zu viel Stress und Anspannung sorgen dafür, dass sein Körper wortwörtlich von innen heraus verbrennt. Hilflos muss Uhura mit ansehen, wie Maslin, um das Universum zu retten, sein eigenes Leben aufs Spiel setzt…
Review:
Ähnlich wie damals Mitte/Ende der 90er, wo ich erst verhältnismäßig spät zu einem Handy griff (nachdem ich bei einem Gewinnspiel eins gewann), habe ich mich auch relativ lange gegen einen eBook-Reader gewehrt. Und auch wenn es in der Tat einen Charme hat, ein gutes, altes Buch in die Hand zu nehmen, und von einer Papier-Seite zur anderen weiterzublättern, begann ich seit meinen Umstieg, die Vorzüge eines eBook-Readers zunehmend zu schätzen. Wie das geringere Gewicht (was vor allem fürs Handgepäck praktisch ist), das kleinere, dünnere Format (vergleicht das mal z.B. mit den dicken Taschenbüchern von "Game of Thrones"!), sowie vor allem auch die Möglichkeit, direkt beim Lesen Notizen zu erfassen – was gerade auch bei jenen Büchern, die ich rezensiere, überaus praktisch ist. Und obwohl "Die Tränen der Sänger" in der ursprünglichen Buchform auf recht ökonomische 314 Seiten kommt und damit bei weitem nicht zu den längeren Romanen zählt, die ich hier besprochen habe, habe ich bislang selten bis nie so viele Notizen erfasst wie bei ihm – wobei rund die Hälfte davon einfach nur auf ein fassungsloses "Oida?!" entfallen. Am schlimmsten fand ich dabei die Art und Weise, wie Uhura dargestellt wird. Ich hoffte während des Lesens – obwohl die kitschige Romanze ja eigentlich bereits etwas anderes erwarten ließ – so sehr, dass der Roman zumindest von einem Mann geschrieben worden wäre (der sich über seinen Stellvertreter Guy Maslin selbst eine Liebesaffäre mit Uhura angedichtet hätte); einfach, weil ich es immer ganz besonders bedauernswert finde, wenn solch reaktionärer Mist von einer Frau verfasst wird (auch wenn wir spätestens seit Stephenie Meyer und E. L. James wissen, dass die das mindestens genauso gut können, wie Männer).
Uhura hatte – nicht nur wegen ihrer Hauptfarbe – absolute Vorbildfunktion. Eine Frau auf der Brücke! Heutzutage eine Selbstverständlichkeit – selbst im Sessel des Captains – aber Ende der 60er doch ziemlich progressiv. Weshalb ich es als höchst bedauerlich empfand, wie sie hier nun von Melinda Snodgrass zu einer liebeskranken Angebeteten des Gary Sue-Charakters Guy Maslin reduziert wird, die natürlich gleich darüber nachdenkt, ihre Karriere an den Nagel zu hängen, um ihrem Genie von zukünftigem Ehemann auf seine Tournee durch die gesamte Galaxis zu begleiten. Eigene Ziele, eigene Träume, Selbstverwirklichung? Pah, wer braucht das schon, wenn er – oder besser sie – einen Mann anhimmeln und ihm treu zur Seite stehen kann?!?! Oder, wie es Snodgrass selbst beschreibt: "Die Träume von einem eigene Kommando, von Ruhm, Ehre und Abenteuern zwischen den Sternen – das alles verblasste, als sie an Maslin dachte." Und ja, ich weiß, "Die Tränen der Sänger" wurde schon 1984 veröffentlicht, und damals sah man das noch nicht ganz so kritisch. Trotzdem: Selbst für damalige Verhältnisse ist das Frauenbild, dass Snodgrass hier von Uhura zeichnet, doch eher auf der rückständigen Seite der Skala einzuordnen. Jedenfalls fand ich die Art und Weise, wie Melinda M. Snodgrass hier mit Uhura umgeht, einfach nur bedauerlich. Ich meine, bei aller Fortschrittlichkeit, eine Frau auf die Brücke zu setzen, kann man der Original-Serie nämlich durchaus vorwerfen, dass sie leider selten bis nie viel beitragen durfte (etwas, worüber sich "Galaxy Quest" ja auf gelungene Art und Weise lustig machte). Jetzt gibt es endlich mal einen Roman, der sie in den Mittelpunkt stellt – und es fällt ihnen nichts Besseres ein, als eine Liebesgeschichte zu erzählen und sie somit zu einem reinen love interest zu reduzieren? Das ist doch wirklich schade.
Doch das allein ist noch lange nicht das einzige Problem von "Die Tränen der Sänger". Denn nicht nur die Darstellung von Uhura, sondern auch jene der "Klingonenbraut" Kali war – gerade auch aus den Fingern einer Frau – bedauerlich. Weil natürlich darf sich diese in der Mitte des Romans von ihrem Mann retten lassen (noch dazu mit den Worten "Kor, o Kor, ich bin ja so froh! Wie hast du mich gefunden? Es tut mir leid, dass ich mich so dumm verhalten habe."), was denn auch sonst? Wie mit dem Gary Sue-Bezug schon angekündigt, hat das Ganze in der Art und Weise, wie hier eine Gastfigur das Universum retten darf – und sogar die Liebe einer Hauptfigur gewinnt – einen ziemlich starken FanFiction-Touch. Eher unfreiwillig komisch fand ich zudem, wie Snodgrass hier dem psychologischen Phänomen des Burnouts, das in den 80ern zunehmend Aufmerksamkeit gewann, in eine körperliche Erkrankung umwandelt (wo der Betroffene bei zu großem Stress und Anspannung eben wortwörtlich von innen heraus verbrennt). Zudem ist nicht nur Uhura in meinen Augen nicht sonderlich gut getroffen. Vor allem Kirk wird hier zum Aufreißer abgestempelt, den zwar viele aufgrund der Romanzen, die ihm in der Serie immer wieder angedichtet wurden, in ihm sahen – was sich jedoch in meinen Augen in dieser Ausprägung in der Vorlage nicht wiederfindet. Klar war er dem einen oder anderen schönen "Planetengirl" nicht abgeneigt, aber wie objektifizierend er sich hier teilweise über Frauen äußert, das hätte ich in dieser Form in der Serie nie wahrgenommen. Und auch mit den Sticheleien zwischen Spock und McCoy übertreibt sie maßlos. Ein kleiner – vernachlässigbarer – Fehler unterläuft ihr dann auch noch, wenn sie behauptet, die Ereignisse aus "Kennen Sie Tribbles?" hätten sich auf einem Planeten zugetragen; in Wahrheit war's natürlich eine Raumstation. All dies lässt mich vermuten, dass Snodgrass als sie "Die Tränen der Sänger" schrieb noch eher rudimentär mit "Star Trek" vertraut war, und ihren Roman eher von den Erzählungen ihre Freunden und Bekannten weg verfasste, als auf die tatsächliche Vorlage aufbauend.
Nicht wirklich glücklich war ich auch mit den weltgestalterischen Fähigkeiten der Taygetianern, die mir für eine Science Fiction-Geschichte doch etwas zu übertrieben fantastisch waren. Weiters findet sich in "Die Tränen der Sänger" das billige, einfallslose und mittlerweile auch einfach viel zu oft beobachtete Klischee, dass jemand durch eine zufällige Bemerkung plötzlich die Lösung für ein Problem, dass ihn seit Tagen beschäftigt, findet. Der letzte wesentliche Kritikpunkt ist dann ihr Schreibstil. Sei es die oben bereits zitierten Textstellen, oder auch Zeilen wie "Sie schlang die Arme um seinen Hals und schmiegte sich mit einer Verzweiflung an ihn, die fast den Kokon seiner Selbstbeherrschung zerbrochen hätte" bzw. "Auf dem Strand mochten sie unbeholfen wirken, aber im dunklen Ozean des Weltraums bewegten sich ihre astralen Körper mit der anmutigen Eleganz erfahrener Tänzer" – "Die Tränen der Sänger" brachte mich regelmäßig zum Augenrollen. So ziemlich das einzig gute am Roman ist die Rückkehr von Kor, und der wachsende Respekt, der zwischen ihm und Kirk im Verlauf der Geschichte zunehmend zum Ausdruck kommt. Und auch die hier enthalte, kaum verhohlene Tierschutz-Message (damals wohl in erster Linie auf die Abschlachtung von Robben gemünzt, heutzutage musste ich in der Art und Weise, wie hier die drohende Ausrottung einer Spezies Auswirkung auf die gesamte Welt – und sogar die Galaxis – rundherum hat, in erster Linie an das Bienensterben denken) liegt ja eigentlich genau auf meiner Wellenlänge. Leider aber wurden diese positiven Aspekte durch das absolut rückständige Frauenbild, dass sie hier propagiert, mehr als nur kompensiert.
Fazit:
"Die Tränen der Sänger" ist ein Roman, der sein fürchterlich rückständiges Frauenbild unter dem Deckmantel "Star Trek" in eine schnulzige Liebesgeschichte verpackt (moderne "Klassiker" der Literatur wie "Twilight" und "Fifty Shades of Grey" lassen grüßen). Die Quintessenz: Frauen sollen ihren Männern zur Seite stehen, und sich über diese verwirklichen, statt ihren eigenen Wünschen und Träumen zu folgen. Ich weiß echt nicht, was schlimmer ist: Dass man für diese rückständige Aussage mit Uhura ein absolutes Vorbild unter der Frauenbewegung zur "Hausfrau" degradiert, oder dass dieser reaktionärer Scheißdreck von einer Frau geschrieben wurde. Nicht, dass die Geschichte abseits dieser furchtbaren Aussage so viel besser wäre. Die Fähigkeiten der Taygetianer, welche die Galaxis mit ihren Sängen nach eigenen Wünschen gestalten können, waren mir für "Star Trek" viel zu fantastisch, und auch abseits von Uhura sind die Figuren nicht wirklich gut getroffen, wobei mir vor allem der jedem Rock hinterherlaufende Kirk ein Dorn im Auge war. Einzig den Auftritt von Kor fand ich Klasse. Mit "Wem gehört Data?" hat Melinda M. Snodgrass eine der besten Episoden der "Next Generation" geschaffen, weshalb ich sie auch nicht gänzlich verdammen will. Mit ihrem einzigen "Star Trek"-Roman "Die Tränen der Sänger" hat die Autorin aber weder sich, noch Uhura, geschweige denn dem Leser, einen Gefallen getan.
Bewertung: 1/5 Punkten
Christian Siegel
Mitreden! Sagt uns eure Meinung zum Roman im SpacePub!
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