Kurzinhalt:
Die zehnjährige Estrella, die in einer mexikanischen Kleinstadt lebt, hat vor kurzem ihre Mutter verloren. Nun erhält sie dank magischer Kreide drei Wünsche. Doch nachdem ihr erster Wunsch überhaupt nicht so in Erfüllung geht, wie sie sich das vorgestellt und erhofft hat, ist sie zögerlich, sie noch einmal einzusetzen. Sie flüchtet auf die Straße, wo sie schon bald auf eine Bande von Kindern trifft, die von El Shine angeführt wird. Dieser hat erst kürzlich einem Gangmitglied das Handy gestohlen, der es nun mit allen Mitteln wieder zurückhaben will – befindet sich darauf doch ein belastendes Beweisvideo, das einen hochrangigen Politiker dabei zeigt, wie er einen Mord begeht. Doch auch die Geister, die Estrella mit ihren Wünschen geweckt hat, verfolgen die Bande schon bald. Gefangen zwischen übernatürlichen und irdischen Bedrohungen, kämpfen die Kinder ums Überleben…
Review:
"Tigers Are Not Afraid" eilt kein ähnlicher Hype voraus wie "A Quiet Place" oder "Hereditary", dennoch konnte auch er bereits zahlreiche Preise bei (Genre-)Filmfestivals abräumen, und auch so manchen prominenten Fürsprecher für sich gewinnen. Einer davon ist Guillermo del Toro, der den Film in den sozialen Medien in höchsten Tönen gelobt hat. Dies ist in zweierlei Hinsicht keine Überraschung. Einerseits hat "Tigers Are Not Afraid" definitiv einen gewissen del Toro-Touch, und erinnert mit seiner Mischung aus märchenhaften Fantasy-Elementen, Kinder-Protagonisten, und dem harten und kompromisslosen Setting an dessen spanische Genre-Beiträge "The Devil's Backbone" und insbesondere "Pan's Labyrinth". Andererseits hat es sich "Tigers Are Not Afraid" aber halt auch einfach voll und ganz verdient. Momentan hat der Film weder einen deutsch(sprachig)en Kinostart, noch ist ein Heimkino-Release absehbar. Ich hoffe wirklich, dass sich dies bald ändern wird, denn insbesondere für all jene, welche die beiden oben erwähnten Filme lieben, stellt "Tigers Are Not Afraid" eine absolute Genre-Perle dar, die man sich nicht entgehen lassen sollte.
Was dabei für mich am meisten hervorstach, war die Kompromisslosigkeit, die Issa López bei ihrer Erzählung an den Tag legt. Zwar mögen Kinder im Mittelpunkt der Handlung stehen, und es einige märchenhafte Fantasy-Elemente geben (die Blutspur, die Kreide, die fliegenden Zeichen, wie der Dache vom Handy), aber wenn es um die Darstellung des harten Lebens dieser verwaisten Straßenkinder im Mexiko geht, sowie den Schicksalsschlägen, die sie während des Films erwartet, hält sich López nicht zurück, und schont weder ihre Figuren, noch den Zuschauer. Da waren schon einige wirklich harte Momente darunter, die mir ordentlich unter die Haut gingen. Zugleich jedoch ergibt sich, ähnlich wie eben z.B. bei "Pans Labyrinth" durch die Fantasy- bzw. Märchen-Elemente ein interessanter Kontrast zwischen diesen, sowie der kalten, harten und schonungslosen Realität. Auch dies hat mich enorm angesprochen. Die Figuren, insbesondere die beiden Hauptprotagonisten Estrella und El Shine, fand ich ebenfalls durchwegs sympathisch und glaubwürdig. Die hier versammelten KinderdarstellerInnen erweisen sich zudem als echte Naturtalente, und überzeugen mit schauspielerischen Leistungen, die immer natürlich und nie gekünstelt wirken. Auch optisch ist der Film überaus fein, einerseits aufgrund so interessanter visueller Ideen wie der bereits angesprochenen Blutspur, aber auch der Kameraarbeit generell. Zusammen mit Juan Jose Saravia fängt die Regisseurin die oftmals schirche Geschichte in überaus hübschen Bildern ein – auch dies sorgt für einen netten Kontrast. Und dann ist der Film auch noch durchwegs spannend. Gleich zu Beginn, mit der schrecklichen Szene in der Schule, gelang es "Tigers Are Not Afraid", meine Aufmerksamkeit zu gewinnen – und diese bis zur letzten, wunderschönen Einstellung nicht mehr loszulassen. Vor allem einzelne sowohl tragische als auch packende Momente (wie z.B., als Estrella loszieht, um das eine Gangmitglied zu ermorden; weitere seien aus Spoilergründen nicht direkt erwähnt) stechen dabei hervor. Und so hat der Film insgesamt kein Problem, sich in einem starken Horrorjahr unter die besten und empfehlenswertesten Genre-Einträge des Jahres einzureihen.
Fazit:
Ich war auf "Tigers Are Not Afraid" im Vorfeld ja durchaus gespannt, nicht zuletzt aufgrund der Vorschusslorbeeren, die ihm vorauseilten. Dass es sich bei ihm letztendlich um einen der besten Genre-Filme des Jahres handeln würde (der auch gute Chancen hat, es in meine Jahres-Top 10 zu schaffen), hätte ich aber nicht zu hoffen gewagt. Vor allem Fans von "Pans Labyrinth" dürfte diese Vermischung einer brutalen, schonungslosen Realität mit märchenhaften Fantasy-Elementen ansprechen. Wie auch schon Guillermo del Toro hält sich auch Issa López mit teils harten und tragischen Szenen nicht zurück, auch wenn Kinder im Mittelpunkt stehen. Generell zeichnet den ganzen Film eine Kompromisslosigkeit aus, mit nicht gerade wenigen Szenen, die mir so richtig unter die Haut gegangen sind. Zudem ist der Film überaus fein inszeniert und spart nicht mit hübschen Bildern (die einen interessanten Kontrast zum oftmals "hässlichen" Geschehen bilden), zeichnet sich durch überaus natürliche und starke schauspielerischen Leistungen der Kinderdarsteller aus, ist von Anfang bis Ende spannend und unterhaltsam, mit einigen wirklich packenden Szenen, und auch so manch berührendem Moment. Bleibt nur zu hoffen, dass sich bald ein hiesiger Filmverleiher dazu erbarmt, den Film – wie und wo auch immer – ins Programm zu nehmen, damit man auch hierzulande (abseits von Filmfestivals) die Gelegenheit bekommt, diesen teilweise erschütternden und herzzerreißenden Trip in die finstere Unterwelt Mexikos zu unternehmen.