Volkstümliche Legenden aus der ganzen WeltKategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Donnerstag, 11 Oktober 2018
Originaltitel:
The Field Guide to Evil
Produktionsland/jahr:
Neuseeland 2018
Bewertung:
Studio/Verleih:
Legion M
Regie:
Veronika Franz, Severin Fiala, Can Evrenol, Agnieszka Smoczynska, Calvin Reeder, Yannis Veslemes, Ashim Ahluwalia, Katrin Gebbe & Peter Strickland
Produzenten:
U.a. Chris Ball, Kurtis David Harder, Ben Knechtel & Colin Minihan
Drehbuch:
Veronika Franz, Severin Fiala, Can Evrenol, Elif Domanic, Robert Bolesto, Calvin Reeder, Yannis Veslemes, Ashim Ahluwalia, Katrin Gebbe, Silvia Wolkan & Peter Strickland
Filmmusik:
Diverse
Kamera:
Diverse
Schnitt:
Diverse
Genre:
Horror/Fantasy
Kinostart Deutschland:
noch nicht bekannt
Kinostart USA:
noch nicht bekann
Laufzeit:
117 Minuten
Altersfreigabe:
noch nicht geprüft
Trailer:
Noch kein Trailer vorhanden
Kaufen:
Noch nicht verfügbar
Mit: Marlene Hauser, Luzia Oppermann, Birgit Minichmayr, Claude Duhamel, Sarah Navratil, Niharika Singh, Lili Epply u.a.
Kurzinhalt:
In dieser Horror-Anthologie lernen wir sieben volkstümliche Legenden aus der ganzen Welt kennen. In "Die Trud" wird eine junge Frau, die gerade ihr sexuelles Erwachen erlebt, und dieses auf eine Art und Weise auslebt, die damals als unmoralisch betrachtet wurde, von einem Wesen besucht, dass eben dieses bestraft. In "Al Karisi" muss eine viel zu junge Mutter nicht nur ihre im sterben liegende Mutter versorgen, sondern auch ihr Neugeborenes gegen einen Dämon beschützen. In "The Kindler and the Virgin" wird einem Reisenden von einer Jungfrau unbegrenztes Wissen angeboten, sobald er die Herzen von drei kürzlich verstorbenen Wesen verspeist hat. In "The Melon Heads" freundet sich ein Junge mit einem dieser sogenannten Melonenköpfe an – doch dieser verfolgt finstere Absichten. In "Whatever Happened to Panas the Pagan?" besuchen wir ein griechisches Trinkgelage in den 80ern, unter das sich ein Goblin schleicht. In "Palace of Horrors" besuchen Forscher zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Tempel in Indien, der ein schreckliches Geheimnis verbirgt. In "A Nocturnal Breath" wird ebenfalls unmoralisches Verhalten bestraft, diesmal jedoch in einer Variante der Drude, die als kleines mausartiges Monster den Körper langsam von innen heraus zerfrisst – außer, man gibt ihn an andere Lebewesen weiter. Und in "The Cobbler's Lot" erzählt man uns die tragische Geschichte zweier Schuster-Brüder, die sich beide in die gleiche Frau verlieben – bei der es sich noch dazu um die Königin handelt…
Review:
Horror-Anthologien sind in den letzten Jahren zunehmend wieder in Mode gekommen. Sind diese sonst oftmals sehr US-zentriert, legte man bei "The Field Guide to Evil" vielmehr größten Wert auf Internationalität (ob dies auch die vergleichsweise niedrige IMDB-Wertung erklärt?). Und so lud man sieben – bzw. acht (da für Österreich das Duo Veronika Franz und Severin Fiala antrat) – Regisseure dazu ein, volkstümliche Legenden ihres Landes zu nehmen, und einen (Horror-)Kurzfilm darüber zu erzählen. Das österreichische Segment "Die Trud" machte dabei dann auch gleich den Anfang, und auf die Gefahr hin, voreingenommen zu wirken, aber für mich war dieses auch gleich das Highlight der Anthologie. Hauptgrund dafür war für mich das Ende. Franz und Fiala sind die Einzigen, welche das besagte Volksmärchen als eben dies entlarven: Als Märchen. Die noch dazu oftmals weniger eine moralische Fabel sind, die den Kindern etwas beibringen, sondern vielmehr sie verängstigen und unterdrücken soll. Wie sich Kathi hier über diesen Aberglauben erhebt und daraufhin ihre vermeintlich unmoralischen Gelüste frei auslebt, war schon sehr schön mitzuerleben – und auch insofern wichtig, als mir die Geschichte ansonsten (da just eine lesbische Beziehung bestraft wird) wohl nicht wirklich geschmeckt hätte.
Neben der Story sticht aber auch die Inszenierung hervor. Ursprünglich dachte ich, man hätte einen digitalen Filter übers Bild gelegt, um ihm dieses alte Aussehen zu geben. Stattdessen kam im nachfolgenden Q&A heraus, dass sie auf 35mm-Film gedreht haben, der noch dazu schon eine Weile im entsprechenden Lagerraum herumlag und wohl schon lang abgelaufen war. Daher wohl auch das Grieseln und die Schleier im Bild. Hat für diese Geschichte aber prima gepasst, und sie optisch nochmal aufgewertet. Einzig die beiden großen Schockeffekte hätten ein bisschen weniger billig (sprich, mit lautem Geräusch auf der Tonspur begleitet) sein dürfen. Davon abgesehen haben Veronika Franz und Severin Fiala mit "Die Trud" für mich aber wieder bewiesen, dass sie zu den aktuell weltweit besten Horror-Regisseuren zählen. Das zweite, aus der Türkei stammende Segment, war dann für mich auch gleich das zweite Highlight der Anthologie – und das sehr zu meiner eigenen Überraschung, da ich a) mit den bisherigen Langfilmen von Can Evrenol nicht viel anfangen konnte, und mich b) zu Beginn das zeitgenössische Setting kurz stutzig machte – da solche Folklore für mich einfach automatisch mit der Vergangenheit verbunden ist, und dort irgendwie besser passt. Allerdings war "Al Karisi" durchgehend spannend, sehr gut inszeniert, und wirklich sehr creepy. Da verzeiht sich dann auch leichter, dass das Ende von "The Ring" geklaut war. Mit dem polnischen Beitrag (von Agnieszka Smoczynska, der Regisseurin des durchaus netten Films "Sirenengesang") ging es dann aber leider mit der Anthologie rasant bergab. Hübsch anzuschauen war er ja, vor allem der märchenhafte und cool belichtete Wald. Mit der Story konnte ich aber leider nicht wirklich was anfangen – und das, obwohl ich im Einleitungstext durchaus Potential gesehen hätte. Vor allem aber muss ich gestehen: Ich habe die Geschichte bzw. den Kurzfilm letztendlich auch nicht verstanden – weshalb er mir a) irgendwie sinnlos erschien und b) mich doch eher langweilte.
Und doch war "The Kindler and The Virgin" noch gar nichts im Vergleich zum grauenhaften amerikanischen Beitrag "The Melon Heads", der für mich zugleich auch der mit Abstand schwächste aus der Reihe war. Mir kam vor, Calvin Reeder wollte sich damit über das gesamte Thema der Anthologie lustig machen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es – auch wenn die USA jetzt noch nicht so alt sein mögen – echt keinen besseren, US-originären Mythos gegeben hätte, als Melonenköpfe (hätte man sich nicht z.B. an Legenden der amerikanischen Ureinwohner orientieren können?). Der Film sah dann auch noch von allen absolut am billigsten aus. Auf mich machte das den Eindruck, als hätte man sich von vornherein keine Mühe gegeben, und von den rund 30.000 Dollar Budget legiglich 5.000 in den Film an sich gesteckt, und den Rest versoffen, verspielt, für Prostituierte ausgegeben, oder sonst wie angebracht. Auf der Leinwand sieht man das (volle) Budget jedenfalls nicht. Von vorne bis hinten cheesy, billig und blöd. Aber vielleicht ist das auch einfach eine kulturelle Geschichte.
Der griechische Beitrag "Whatever Happened to Panagas the Pagan?" war dann in erster Linie eins: Sehr schräg. Die Goblinmaske war ganz interessant, und die Unterwelt optisch nett gemacht. Aber Goblins und 1980er war eine doch eher eigenwillige Mischung, auf die ich mich nie wirklich einlassen konnte. Hundert Jahre früher hätte das schon etwas besser gepasst. Und so hatte leider in weiterer Folge, trotz der Kürze, doch etwas mit dem Schlaf zu kämpfen. "Palace of Horrors" aus Indien war da schon wieder etwas interessanter. Vor allem Einstieg und Ausklang, mit den alten Bildern, fand ich nett. Storytechnisch ist es allerdings zugegebenermaßen nichts Besonderes; wenn auch durchaus ok. Eine klassische Sage halt, die dank der schwarz/weiß-Optik nett umgesetzt war. Und die Augen der Priesterin waren wirklich gruselig. Den deutschen Beitrag "A Nocturnal Breath" fand ich dann in erster Linie im Wechselspiel mit "Die Trud" sehr interessant. Denn die beiden haben nicht nur das Setting, sondern auch die Sage gemein, auf die sie sich beziehen – und dass Katrin Gebbe eine ganz andere Interpretation der Drude auffährt. Spannend fand ich dabei, gerade auch im Vergleich zum österreichischen Beitrag, den gänzlich unterschiedlichen Ansatz bei der Inszenierung. Wo Franz und Fiala auf eine veraltete Optik setzten, inszeniert Katrin Gebbe mit modernsten Mitteln, wodurch sich sowohl zu "Die Trud" als auch dem Setting an sich ein netter Kontrast ergibt. Und vor allem auch der Ausgang des Geschehens konnte mir sehr gut gefallen (auch dies deckt sich mit "Die Trud"). Zumal ich bei Lily Epply halt auch kein Problem damit hatte, mir vorzustellen, dass man da selbst als Bruder in Versuchung gerät. Von der Geschichte her war "A Nocturnal Breath" jedoch in meinen (patriotisch gefärbten?) Augen dem österreichischen Beitrag doch recht deutlich unterlegen. Zumal ich ihn leider auch nie wirklich gruselig fand.
"The Cobbler's Lot" aus Ungarn sorgt dann schließlich für einen überaus charmanten und vor allem auch hervorstechenden Ausklang der Anthologie, den ich als ihren drittstärksten Beitrag einschätzen würde. Weil das war ja wirklich mal originell. Zugegebenermaßen hat das Ergebnis mit Horror nicht mehr viel zu tun, stattdessen präsentiert uns Peter Strickland ("Berberian Sound Studio") hier ein schönes, klassisches Märchen. Da dieses jedoch als altmodischer Stummfilm umgesetzt ist, hatte "The Cobbler's Lot" doch einiges an Reiz. Zudem ist die Geschichte durch eben diesen Zugang nicht einfach nur überaus charmant, sondern vor allem auch sehr zeitlos erzählt. Jedenfalls konnte mich letztendlich sowohl die Story an sich, als auch die Art und Weise, wie sie erzählt war, ansprechen. Und der Schlusspunkt war dann ebenfalls überaus nett. Damit bietet "The Cobbler's Lot" einen schönen, originellen Ausklang, der nochmal eine klassische, moralische Fabel in den Mittelpunkt stellt, und damit einen hervorstechenden und erinnerungswürdigen Schlusspunkt setzt.
Fazit:
Klar ist die Qualität bei Horror-Anthologien mitunter sehr schwankend – auch "The Field Guide to Evil" bietet hier keine Ausnahme. Und irgendwie ergibt es sich ja schon fast zwingend aus den sehr unterschiedlichen Zugängen, dass einem nicht alle Segmente gleichermaßen zusagen werden. Letzten Endes überwogen für mich aber die positiven Elemente – und Geschichten. Vor allem der österreichische Beitrag "Die Trud" hatte es mir dabei angetan, sowohl von der hervorstechenden Inszenierung als insbesondere auch dem Ausgang her. Danach folgt in meiner persönlichen Rangliste der wirklich gruselige türkische Kurzfilm "Al Karisi", dicht gefolgt vom zweifellos originellsten Segment, dem ungarischen "The Cobblers' Lot", der als klassischer Stummfilm umgesetzt ist. Gut gefallen konnten mir darüber hinaus auch noch "A Nocturnal Breath" (Deutschland) und "Palace of Horrors" (Indien). Auf der anderen Seite des Spektrums finden sich "The Kindler and The Virgin" (den ich, ich gebe es zu, ganz einfach nicht verstanden habe), "What Ever Happened to Panagas the Pagan?" (der mir dann doch etwas zu schräg war) sowie mit dem amerikanischen Kurzfilm " The Melon Heads" der absolute Tiefpunkt dieser Sammlung an Folklore-Geschichten wieder. Insgesamt ist "The Field Guide to Evil" aber eine solide Horror/Fantasy-Anthologie, deren niedrige IMDB-Wertung sich mir nicht erschließt.