Sowohl das Original als auch die Neuausgabe sind vergriffen, jedoch werden immer wieder Exemplare des Romans auf ebay oder dem amazon marketplace angeboten.
Kurzinhalt:
Nach seinen Taten während der Telepathenkrise wird Alfred Bester als Kriegsverbrecher von der ganzen Welt gesucht. Neben dem offiziellen Behörden ist auch Michael Garibaldi hinter ihm her – wenn auch aus persönlicheren Gründen, hat er diesem doch die Art und Weise, wie er dazu manipuliert wurde, Sheridan zu verraten, nie verziehen. Nachdem Bester einer weiteren Jagdgruppe der Nachfolgeorganisation des Psi-Corps entkommen ist, beschließt er, es leid zu sein, von einem abgelegenen Gesteinsbrocken zum nächsten zu fliehen. Stattdessen macht er das Unerwartete, und kehrt zur Erde zurück. In Paris, das er einmal als Jugendlicher besucht hat, beginnt er sich ein neues Leben aufzubauen. Er checkt in einer kleinen Pension ein, und verdient sich als Literaturkritiker ein paar Brötchen dazu. Schon bald beginnt er sich in die Chefin der Pension, Louise Bouet, zu verlieben. Zu seiner eigenen Überraschung offenbart sich schließlich, dass sie diese Gefühle erwidert. Und so erlebt Bester in Paris seinen zweiten Frühling. Dann jedoch droht die Vergangenheit ihn einzuholen…
Review:
"Final Reckoning" ist einer von nur vier Romanen, die nach der Serie – oder genauer gesagt, zwischen "Der letzte Blick zurück" und "Der Weg ins Licht" – angesiedelt sind, und somit die fortlaufende Geschichte aus der Serie weitererzählen. Andere Bücher haben zwar teilweise wichtige Lücken im Kanon geschlossen ("To Dream in the City of Sorrows"), zusätzliche Hintergrundinformationen zu bekannten Ereignissen geliefert ("The Shadow Within"), oder generell die interessante Vorgeschichte zu Figuren oder auch der Serie an sich geliefert (die Technomagier-Trilogie, sowie die ersten beiden Teile der Psi-Corps-Trilogie) – und das war ebenfalls teilweise schon ungemein spannend und aufschlussreich. Aber zu lesen, wie die Geschichte nach "Der letzte Blick zurück" weitergegangen ist, verlieht sowohl "Final Reckoning" als auch Peter Davids "Legions of Fire"-Trilogie schon noch einmal einen ganz besonderen Reiz. Doch es ist nicht nur die Idee, sondern vor allem auch die Umsetzung. "Final Reckoning" erinnerte mich dabei teilweise an Thomas Harris' "Hannibal". Auch dort versteckt sich ein flüchtiger Verbrecher in einer europäischen Stadt vor seinen Häschern, wird ein lokaler Cop auf ihn aufmerksam, und bläst zudem ein reicher Millionär, dem er Unrecht getan hat, zur Jagd. Im Gegensatz zu Hannibal darf sich Alfred Bester auf seiner Flucht jedoch zudem verlieben. Die Art und Weise, wie J. Gregory Keyes dies schildert, und damit auch deutlich macht, dass dieses Monster, dass während der Telepathenkrise abscheuliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat, hier seine eigene Menschlichkeit nun zurückgewinnt, fand ich ungemein spannend – zwingt er uns damit doch, wie schon bei "Deadly Relations", uns mit Alfred Bester zu identifizieren, wenn nicht gar zu sympathisieren. Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, dass jemals wirklich der Punkt kam, wo ich Bester wünschte, er würde nie gefunden werden, und den Rest seiner Tage in Frieden verbringen. Aber wie sich der Autor hier einer klassischen schwarz/weiß-Zeichnung der Figur wieder einmal verwehrt, und vielmehr ein so vielschichtiges wie faszinierendes Charakterportrait zeichnet, fand ich schon ungemein interessant. Nicht zuletzt, da es uns dazu zwingt, uns wieder in Erinnerung zu rufen, dass selbst die größten Monster der Menschheitsgeschichte trotz allem Menschen waren. Was wichtig ist, weil in dem Moment, wo man jemanden als Monster abspeist und ihm damit die Menschlichkeit abspricht, behauptet man zugleich, dass ein "normaler" Mensch zu solchen Gräueltaten ja gar nicht fähig wäre. Erzählungen wie "Final Reckoning" zwingen uns dazu, uns der – wenn auch in diesem Fall fiktiven – schlimmsten Seiten der Menschheit zu stellen.
Doch so spannend diese die erste Hälfte des Romans dominierende Charakterstudie auch war – das Herzstück von "Final Reckoning" ist für mich letztendlich das letzte Drittel, wo Garibaldi Besters Fährte aufnimmt, und die Jagd quer durch Paris beginnt. Was genau dort dann passiert, und vor allem auch, wie das Ganze endet, soll an dieser Stelle selbstverständlich nicht verraten werden. Nur so viel sei gesagt: Aus meiner Sicht hätte J. Gregory Keyes gar kein besseres Ende der Garibaldi/Bester-Story finden können. Aber auch die Jagd an sich war ungemein packend, und zeigte auch sehr schön, wie schwer es ist, jemanden mit Besters Begabung zu schnappen. Wie Keyes hier zunehmend die Spannungsschraube anzieht, war jedenfalls wirklich beachtlich. Um wieder zu meinem "Hannibal"-Vergleich zurückzukommen: Spannender war die Menschenhatz dort auch nicht umgesetzt. Vor allem, als ich den Roman zur Jahrtausendwende das erste Mal las, war ich vom Geschehen hier so gefesselt wie von keinem anderen "Babylon 5"-Roman – ja selbst von der "Legions of Fire"-Trilogie nicht (so grandios sie auch sein mag). Garibaldis Jagd auf Bester sprach halt zumindest mich insofern nochmal auf einer anderen, persönlicheren Ebene an, als wir Garibaldis erzwungenen Verrat von Sheridan – und die sich daraus für ihn ergebenen (Alkohol-)Probleme – unmittelbar miterlebt hat. Dementsprechend involviert war ich im Geschehen, und feuerte ich Garibaldi an. Sehr interessant – wenn auch teilweise erschütternd – waren auch die kleinen Infohäppchen darüber, was während der Telepathenkrise vorgefallen ist (und wer dabei sein Leben verlor). Und das Ende fand ich dann ebenfalls wunderbar, und auch irgendwie sehr poetisch. Kurz und gut: An "Final Reckoning" – bzw. eigentlich der gesamten Psi-Corps-Trilogie – führt für jeden englischkundigen B5-Fans aus meiner Sicht kein Weg vorbei!
Fazit:
So interessant Romane wie "The Shadow Within", "To Dream in the City of Sorrows", oder die ersten beiden Teile der "Psi-Corps"-Trilogie auch waren, die viele interessante Hintergrundinformationen zur Serie lieferten, und auch die eine oder andere Lücke in der Kontinuität schlossen – aber hier nun (zum ersten Mal) einen Roman vor sich zu haben, der die Geschichte aus der Serie weitererzählt, verleiht "Final Reckoning" noch einmal einen ganz besonderen Reiz. Vor allem als ich mir das Buch vor mehr als 15 Jahren zum ersten Mal vorknöpfte, war ich vom Geschehen ungemein eingenommen. Aber auch bei den Lesungen danach hat "Final Reckoning" für mich nicht wesentlich an Faszination eingebüßt. Dies liegt einerseits am ungemein interessanten Ansatz, Bester hier wieder einmal zu vermenschlichen, und uns trotz all seiner abscheulichen Taten – die er teilweise auch im Verlauf von "Final Reckoning" begeht – nie vergessen zu lassen, dass er kein eindimensionales Monster ist. Vor allem aber dann am ungemein spannenden letzten Drittel, wenn die Jagd auf Bester eröffnet ist. Doch es ist nicht nur die Idee, sondern auch die Umsetzung. Aus meiner Sicht hätte sich kein besserer Abschluss der Bester/Garibaldi-Story finden lassen. Schon die ersten beiden Teile der "Psi-Corps"-Trilogie fand ich ja sehr interessant und empfehlenswert – aber "Final Reckoning" darf sich eigentlich kein englischkundiger "Babylon 5"-Fan entgehen lassen.
Bewertung:
5/5 Punkten
Christian Siegel
Artikel kommentieren
Kommentar schreiben
Bitte orientiere Deinen Kommentar am Thema des Beitrages.
Persönliche Angriffe und/oder Diffamierungen werden gelöscht.
Das Benutzen der Kommentarfunktion für Werbezwecke ist nicht gestattet. Entsprechende Kommentare werden gelöscht.
Bei Fehleingaben lade diese Seite bitte neu, damit ein neuer Sicherheitscode generiert werden kann. Erst dann klicke bitte auf den 'Senden' Button.
Der vorgenannte Schritt ist nur erforderlich, wenn Sie einen falschen Sicherheitscode eingegeben haben.