Sowohl das Original als auch die Neuausgabe sind vergriffen, jedoch werden immer wieder Exemplare des Romans auf ebay oder dem amazon marketplace angeboten.
Kurzinhalt:
Das Waisenkind Alfred Bester wächst von klein auf in der Psi-Corps-Zentrale in Genf auf. Schon als kleiner Junge sondert er sich von seinen MitschülerInnen ab, und zeichnet sich durch ein besonderes Maß an Eifer und Erfolgsdrang aus – was jedoch, wenn sich dies nachteilig auf seinen Kader auswirkt, von den Erwachsenen auch schon mal bestraft wird. Als seine Ausbildung an der Psi-Akademie dann wirklich beginnt, tut er sich ebenfalls recht schwer, sich ins Autoritätsgefüge einzugliedern. Seinen ersten Ausflug außerhalb, der ihn nach Paris führt, nutzt er dann auch gleich dazu, einen abtrünnigen Telepathen auf eigene Faust zu jagen. Noch als junger Erwachsener wird er dann schließlich, nachdem er sich unsterblich in eine Mitschülerin verliebt hat, vor eine schreckliche Wahl gestellt. Jahre später hat sich Alfred von der Außenwelt weitestgehend abgekapselt, sich dafür aber seinen Traum erfüllt: Als Psi-Polizist sorgt er für Recht und Ordnung, und macht Jagd auf abtrünnige Telepathen. Seine Aufträge führen ihn u.a. auf den Mars, wo er eine junge Telepathin namens Lyta Alexander kennenlernt. Wenig später hofft er in Byron, einen Protegé gefunden zu haben. Sein Lebensweg führt ihn durch einige Enttäuschungen, über noch zahlreichere Erfolge – und schließlich zur Raumstation Babylon 5…
Review:
Bereits den ersten Psi-Corps-Trilogie fand ich, mit seinem Einblick in die Anfänge des Corps, ja ungemein interessant. "Deadly Relations" setzt hier aber sogar noch einmal eins drauf. Auf der einen Seite bietet er einen faszinierenden Einblick, was es heißt, im Psi-Corps aufzuwachsen bzw. zu leben, angefangen vom kleinen Kindesalter über die Pubertät bis hin zur Ausübung eines echten Berufs, in diesem Fall jenen des Psi-Polizisten. Eben dies bringt zahlreiche interessante Offenbarungen mit sich. Ich bezweifle, dass JMS' Handlungsabriss derart detailliert ist, und schreibe so faszinierende Einfälle wie die "grins" jetzt mal J. Gregory Keyes zu. Zumindest ich fand es jedenfalls mindestens so faszinierend wie erschreckend, vom Aufwachsen in dieser Jugendorganisation zu lesen, deren SchülerInnen von klein auf indoktriniert werden. Aber auch über die Abläufe und Prozesse im Psi Corps an sich erfahren wir wieder ein paar nette kleine und vor allem interessante Details. Mehr noch als mit dieser objektiv-akademischen Betrachtung der Organisation, die ich für sich schon faszinierend fand, besticht "Deadly Relations" aber natürlich dadurch, dass all dies aus der Sicht von Alfred Bester erzählt wird, und wir hier somit Zeuge seiner Lebensgeschichte – oder zumindest der wichtigsten, prägendsten Ereignisse in eben diesem – werden. Hier beschreiten die "Babylon 5"-Romane dann auch Neuland. Denn zwar mag man bei "The Shadow Within" die genauen Hintergründe der Icarus-Mission aufgerollt (und dabei natürlich auch einige Informationen über Morden offenbart) und "To Dream in the City of Sorrows" die Geschichte von Sinclair weitererzählt und so die Lücke zwischen "Chrysalis" und "Ranger Eins" erzählt haben, aber die Lebensgeschichte einer Figur auf diese Art und Weise im Detail aufzurollen und uns somit quasi eine Biographie von ihr zu präsentieren, macht "Deadly Relations" zu einer Besonderheit (auch, was die nach ihm erschienenen Romane betrifft).
Wenig überraschend lag letztendlich für mich auch genau darin die größte Stärke des Romans. Bester ist seit jeher eine der interessantesten Figuren aus dem Ensemble, und aus den "non-regulars" zweifellos der Auffälligste, der beim Zuschauer am meisten Eindruck hinterlassen hat. Was ihn dabei u.a. so hervorstechen ließ ist, dass er trotz seiner teilweise erschreckenden Taten kein reiner, schnurrbartzwirbelnder Bösewicht ist, sondern JMS ihn von Beginn an ambivalenter anlegte – zwar als Widersacher, aber eben nicht als klassischer Bösewicht. Natürlich, seine Ansichten, gerade auch im Hinblick auf "Normale", sind erschreckend, aber in der Art und Weise, wie er seine "Schäfchen" schützen will, kommt doch auch eine gewisse fürsorgliche Seite zum Vorschein. Gleiches gilt natürlich für die Offenbarung aus "Der Feind meines Feindes", wo wir auf die Liebe seines Lebens trafen. Es waren genau solche, oftmals überraschende, Erkenntnisse, die Bester trotz aller unentschuldbarer Taten zu einer so ambivalenten und damit auch interessanten Figur machten – und eben diesen von JMS in der Serie beschrittenen Weg setzt J. Gregory Keyes mit "Deadly Relations" nun nahtlos fort. Dadurch, dass wir fast alles nur aus Besters Perspektive erleben, ist der Leser angehalten, wenn nicht gar dazu gezwungen, sich bis zu einem gewissen Grad mit diesem zu identifizieren, und sich in ihn hineinzuversetzen. Natürlich kann alles, was er erlebt und alle möglichen schrecklichen Dinge, die ihm und den Menschen um ihn herum widerfahren sind, nie eine Entschuldigung für seine abscheulichen Taten sein. Keyes versucht jedoch auch nie, diese zu entschuldigen – was ihm jedoch, zumindest in meinem Fall, gelang ist, mir Bester und seine Denkweise begreiflich zu machen, und mich auch verstehen zu lassen, warum er die Dinge tut die er tut, und wie er sie sich gegenüber rechtfertigt. Positiv auch, dass sich auch wirklich jedes kleine Detail dass man im Verlauf der Serie über Bester erfahren hat – die Begegnung mit Lyta, die folgenschwere Mission mit Byron, die Totenbettscans usw. – hier wiederfindet. Und gut geschrieben ist "Deadly Relations" ohnehin auch wieder. Insgesamt gelang es J. Gregory Keyes damit in meinen Augen, auf den ohnehin schon gelungenen Vorgänger noch einmal eins draufzusetzen.
Fazit:
"Deadly Relations" stellt für alle (der englischen Sprache ausreichend mächtigen) "Babylon 5"-Fans im Allgemeinen und Fans der Figur von Alfred Bester im Besonderen eine absolute Pflichtlektüre dar. So aufschlussreich wie fesselnd erzählt J. Gregory Keyes hier aus dem Leben von Alfred Bester, und lässt uns den Psi-Polizisten, von dem wir es lieben, ihn zu hassen, näher kennenlernen. Dabei folgt der Autor JMS in der Serie vorgegebene Stoßrichtung, ihn nie zu verdammen, sondern ihn vielmehr zu vermenschlichen – jedoch auch ohne ihn dabei zu verharmlosen und uns vergessen zu lassen, zu welchen abscheulichen Taten er fähig ist. Ich persönlich fand diesen Ausflug in Besters Gedanken- und Gefühlswelt – sowie insbesondere natürlich auch in seine Vergangenheit – jedenfalls ungemein interessant. Darüber hinaus erhalten wir hier auch einen detaillierten Einblick, was es heißt, im Psi-Corps aufzuwachsen, auf die Psi-Akademie zu gehen, bzw. auch wie es ist, in der Psi-Corps Stadt in Genf zu leben. Auch dies fand ich faszinierend. Die natürliche Einbindung aller wichtigen, in der Serie erwähnten Ereignisse aus Besters Leben (wie z.B. die Begegnung mit Lyta Alexander) trägt dann ebenso noch ihren Teil zum Gelingen des Romans bei, wie J. Gregory Keyes guter Schreibstil. Und das Ende leitet dann auf wunderbare Art und Weise in die Episode "Die Macht des Geistes" über.
Bewertung:
4.5/5 Punkten
Christian Siegel
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