Kurzinhalt:
David Kim und seine 16jährige Tochter Margot führen nach dem Tod der Mutter eine innige Vater-Tochter-Beziehung und kommunizieren, da beide viel unterwegs sind, vornehmlich über Dienste wie z. B. iMessage, Skype oder sonstige Chats. Eines Tages ist Margot während eines Gesprächs mit ihrem Vater kurz angebunden und beendet das Gespräch. Von diesem Moment an fehlt von ihr jegliches Lebenszeichen und David macht sich auf die Suche nach ihr indem er Zugriff auf ihren Laptop nimmt und so, indem er das digitale Leben seiner Tochter durchforstet, nach Hinweisen auf ihren Aufenthaltsort sucht. Schnell wird dem Vater klar, dass die Realität nichts mit dem zu tun hat, wie sich seine Tochter ihm gegenüber dargestellt hat…
Review:
"Searching" beginnt mit einem Zusammenschnitt von Momenten, der mich direkt an die Eröffnungssequenz von Disneys "Oben" erinnert hat und in denen die Familie Kim, bestehend aus Vater David (John Cho), Mutter Pamela (Sara Sohn) und Tochter Margot (neben anderen Kleinkindern letztendlich gespielt von Michelle La), gemeinsame Momente erlebt. Es wird dabei die schulische Laufbahn Margots von der Grundschule bis zum Ende der High-School ebenso gezeigt wie der Kampf der Mutter mit der bei ihr diagnostizierten Krebserkrankung. Kleines Schmankerl hier nebenbei: Der Zusammenschnitt ist auch eine kleine Zeitreise in die technologische Entwicklung von Betriebssystemen und Webseiten der letzten 20 Jahre, da die gezeigten Aufnahmen stets durch die Nutzung von zu dem jeweiligen Zeitpunkt aktuellen Internetdiensten und Betriebssystemen "aufgezeichnet" werden. Die eigentliche Handlung des Films setzt zu einer Zeit ein, in der Vater und Tochter mit den Auswirkungen des Todes der Mutter zu kämpfen haben. Margot ist eines Abends bei ihrer Lerngruppe, was allerdings für Vater David nicht ungewöhnlich ist, so dass er zeitig schlafen geht. Während er schläft, sieht der Zuschauer, wie Margot als letztes Lebenszeichen mehrfach versucht ihren Vater zu erreichen, der hiervon jedoch erst etwas am nächsten Morgen mitbekommt und nach einiger Zeit die Polizei verständigt, die sich zusammen mit David auf die Suche nach seiner Tochter begibt.
Hört sich nach einem soliden Fundament an, auf dem man einen Thriller mit klassischer Vater-Tochter-Vermisstenstory aufbauen kann. Und tatsächlich schaffen es Hauptdarsteller Cho, den voraussichtlich auch die letzten Kinogänger spätestens seit seiner Rolle in den Reboots der Star-Trek-Serie als Lieutenant Sulu ein Begriff sein dürfte (für alle Älteren lassen die Genies "Harold und Kumar" schön grüßen), als auch Regisseur und Autor Aneesh Chaganty, dessen vorherige Werke jedenfalls mir gänzlich unbekannt sind (jaja, Banause), einige Momente zu schaffen, die den Zuschauer mit dem Charakter ehrlich mitfühlen lassen. Beispielsweise, als sich David auf der Suche nach Hinweisen zum Verbleib seiner Tochter in den Computer seiner toten Frau einloggen will und dabei kurz innehält oder dessen Reaktion nach dem Einloggen, als er das Hintergrundbild bemerkt, auf dem die Familie in glücklicheren Tagen noch komplett gewesen ist. Auch die Szenen, in denen das Publikum gezeigt bekommt, welche Texte David zwar schreibt, vor dem Absenden aber dann doch löscht, geben einen guten Einblick in das, was in seinem Kopf eigentlich so vorgeht. Dazu kommt, dass die Idee, die Handlung durch eine Aneinanderreihung von Textnachrichten, Skype-Anrufen, Google-Suchanfragen, YouTube-Videos, Facebook-Posts, Webcams oder gespeicherten Fotos zu erzählen, zwar spätestens seit dem 2015 erschienen "Unfriended" nicht mehr neu, jedoch gut und weitgehend "überzeugend" erzählt wird, obwohl man sich als Zuseher schon ab und an die Frage stellt, ob bei den Figuren absolut gar nichts mehr offline passiert. So folgen wir David, wie er auf der Suche nach seiner Tochter wie Alice im Wunderland in Form von ominösen Venmo-Zahlungen, mysteriösen Textnachrichten oder Tumblr-Accounts einen virtuellen Kaninchenbau nach dem anderen hinabsteigt und sich so langsam sein Bild vom wirklichen Leben seiner Tochter zusammenpuzzelt, das sich scheinbar gänzlich von dem unterscheidet, wie David sie zu kennen geglaubt hat.
Das eigentliche Gimmick des Films, das Erzählen der Handlung durch diese Aneinanderreihung all der digitalen Werkzeuge und Informationsschnipsel, hat dabei sowohl Vor- als auch Nachteile. Wird zu Beginn das Vergehen der Jahre und die technologische Entwicklung durch die Zusammensetzung verschiedener Schnipsel absolut passend dargestellt, wird dies, da diese Erzählweise den ganzen Film über beibehalten wird, letztlich zum Minuspunkt. Diese hat, zumindest für mich, zur Folge gehabt, dass sich die Handlung über den gesamten Film hinweg extrem komprimiert anfühlte. Und so war ich etwas überrascht, als ich am Ende des Films bemerkte, dass zwischen Beginn und Ende der Handlung gerade Mal eine Woche vergangen sein soll. Zudem fühlt sich besonders das letzte Drittel des Films an, als hätte Autor und Regisseur Chaganty keine Zeit mehr gehabt, die Geschichte ähnlich präzise und überzeugend wie den vorangegangenen Teil des Films über zu erzählen. An einer drohenden Überlänge, letztlich hat er eine Spielzeit von 102 Minuten, kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Hier hätten dem Film zehn Minuten mehr durchaus gutgetan.
Fazit:
"Searching" ist wieder ein solider Thriller, den man sich angucken kann ohne den Verlust von gut 1,5 Stunden Lebenszeit beklagen zu müssen. Zwar kommt er nicht an den ähnlich aufgebauten "Unfriended" heran, trotzdem zeigt er sehr anschaulich, wie sich Realität und virtuelle Identität unterscheiden können.