Mit: Saoirse Ronan, Laurie Metcalf, Tracy Letts, Lucas Hedges, Timothée Chalamet, Beanie Feldstein, Lois Smith, Stephen Henderson, Odeya Rush u.a.
Kurzinhalt:
Sacramento, Kalifornien, im Jahr 2002: Christine MacPherson, die darauf besteht, von allen Lady Bird genannt zu werden, ist siebzehn Jahre jung, und geht auf eine katholische High School. Ihr Abschlussjahr an eben dieser gestaltet sich dabei durchaus turbulent. Sie findet neue Freunde, zerstreitet sich jedoch zugleich mit ihrer ältesten und treusten Freundin Julie. Mit Danny erlebt sie ihre erste große Liebe, ehe sie sich in den aufregenden Kyle, der in einer Band spielt, verschaut. Und mit ihrer Bewerbung fürs College stellt sie die Weichen für ihre Zukunft. Ohne ihrer Mutter etwas davon zu erzählen, bewirbt sie sich nicht nur an einem örtlichen College, sondern auch in New York. Als ihre Mutter dies herausfindet, hängt der Haussegen schief. In all dem Trubel versucht Lady Bird, so wie jeder Mensch in dem Alter, zu sich selbst zu finden…
Review von Bettina Schwarzkopf:
"Lady Bird" ist das hochgelobte und heiß angepriesene Debüt von Greta Gerwig, die nicht nur Regisseurin, sondern auch Autorin des Films ist. Die Handlung basiert auf zum Teil wahren Gegebenheiten, die Gerwig selbst erlebt hat. Dennoch ist der Film kein Selbstporträt oder eine Autobiografie, sondern eine tragische Liebeskomödie. Insgesamt ist "Lady Bird" eine wunderschöne Darstellung des Lebens in Sacramento und dem Wunsch erwachsen zu werden. Und trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob der Film so großartig war, wie viele meinen. Diese Unsicherheit des Gefallens beginnt mit der Handlung und setzt sich bei den Charakteren fort. "Lady Bird" ist für mich ein Film ohne wirklichen Höhepunkt. Der Zuschauer wird Zeuge eines Lebensabschnitts von Christine McPherson, die ein recht komplizierter Mensch ist und eigentlich nur Teil der "kulturellen" Gesellschaft sein will. Dazu gehören erste Erfahrungen mit Jungs zu sammeln, Freundschaften auszutesten, familiäre Konflikte zu bewältigen und den christlichen Glauben als Halt in einer schnelllebigen Welt zu akzeptieren. Auf dieser Reise wird es um und mit Lady Bird nie langweilig, aber nebst bedeutungsschwangeren Zitaten und einem tollen Soundtrack plätschert die Handlung eben nur vor sich hin, bis sie ein für mich zufriedenstellendes Ende findet.
Bei den Charakteren des Films bin ich, insbesondere was die Namensgeberin und ihre Mutter anbelangen, zwiegespalten. Natürlich ist das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter nicht immer so, wie es uns die Werbung vorgaukeln will. Allerdings finde ich es auch merkwürdig, dass in der einen Sekunde die richtig großen Fetzen fliegen und in der nächsten sich beide freudig in den Armen liegen, weil das ideale Sonntagskleid gefunden wurde. Es wirkt auf mich teilweise sehr übertrieben. Dennoch wächst man an und mit Lady Bird und ihrer Mutter Marion. Das liegt natürlich an der großartigen schauspielerischen Leistung von Saoirse Ronan ("Brooklyn - Eine Liebe zwischen zwei Welten", "Abbitte") und Laurie Metcalf ("Roseanne", "The Big Bang Theory"). Beide verkörpern ihren Charakter so unglaublich überzeugend, dass es wiederum schwerfällt, trotz der überzeichneten und zugespitzten Auseinandersetzungen sie nicht zu mögen. Und letztlich geht es auch um die facettenreiche Liebesgeschichte zwischen Mutter und Tochter. Ebenfalls beeindruckt bin ich von der visuellen Inszenierung der Geschichte. Greta Gerwig hat sich mit Sam Levy einen idealen Partner für die Kameraführung ausgesucht, um ihre Vision wahr werden zu lassen. In diesem Zusammenhang gibt es zwar keine experimentellen Kamerawinkel oder besonderen Special Effects. Es ist eine ausschließlich klare Kameraführung, welche von den unterschiedlichen Lichtverhältnissen profitiert und damit die Gemütslage der einzelnen Szenen zu unterstützen weiß. Die Musik, komponiert von Jon Brion, begünstigt diesen positiven Eindruck und hilft ebenso den Film mögen zu wollen. Nach 95 Minuten alltäglicher Probleme zwischen Mutter und Tochter wartet noch ein nettes Video zum Entstehungsprozess von "Lady Bird". Zum einen ist es natürlich eine Beweihräucherung aller teilnehmenden Personen, aber auf der anderen Seite erfährt der Zuschauer, wie der Name der irischen Hauptdarstellerin wirklich ausgesprochen wird und welche Ereignisse im Film auf wahren Begebenheiten basieren und an welchen Stellen etwas für Hollywood hinzugedichtet wurde.
Fazit:
"Lady Bird" porträtiert auf vielschichtige Weise das Leben eines Teenagers, der nicht wirklich in die Welt von Sacramento hineinpassen möchte. Ein Leben voller kultureller Höhepunkte soll es für Lady Bird werden, doch der eigentliche Höhepunkt im Film selbst bleibt aus. Das exzentrische Mädchen steht in ständigem Streit mit der Mutter, die eigentlich auf ihre anstrengende Art nur versucht dem Kind die Realität vor Augen zu führen. Am Ende ist es aber die Liebe zwischen Mutter und Tochter, die den Film sehenswert macht und über die leidigen Auseinandersetzungen hinwegsehen lässt.
Wertung:6 von 10 Punkten
Bettina Schwarzkopf
Review von Christian Siegel:
Hand aufs Herz: Sonderlich innovativ ist "Lady Bird" nicht. Zugleich beweist der Film jedoch in meinen Augen, dass eben dies auch nicht zwingend erforderlich ist, wenn die besagte Geschichte auf so überaus gelungene Art und Weise erzählt wird, wie dies hier nun mal der Fall ist. "Lady Bird" ist dabei ganz und gar das Kind von Greta Gerwig, die Freunden des Independent-Kinos aus Rollen in – u.a. – "Greenberg", "Frances Ha", "Mistress America" und "Maggie's Plan" wohlbekannt sein sollte. Von ihr geschrieben und inszeniert, trägt dieser gewisse autobiographische Züge – immerhin ist Gerwig selbst zur gleichen Zeit in Sacramento aufgewachsen, und dort auf eine katholische High School gegangen. Letztendlich diente ihr dieses Setting aber nur als Vorlage, um eine eigenständige Geschichte über eine fiktive Figur zu erzählen – und eben dies gelingt ihr bei ihrem Regiedebüt mit Bravour. Unterstützt wird sie dabei von Saoirse Ronan, die in den letzten Jahren ebenfalls kontinuierlich von sich reden ließ, und seit ihrer Breakout-Rolle in "Abbitte" zu den vielversprechendesten Jungdarstellerinnen Hollywoods zählt, und dies sowohl in den Jahren danach als auch hier wieder bestätigt. Ihre Rolle hier hat mich dabei ein bisschen an jene aus "Brooklyn" letztes Jahr erinnert. In beiden Fällen spielt sie eine starke junge Frau, die ihren eigenen Weg geht – jedoch erst einmal für sich entscheiden muss, wo dieser hinführt.
Solche Coming of Age-Filme wie "Lady Bird" sind immer eine gewisse Gratwanderung. Auf der einen Seite müssen sie individuell genug sein, um nicht einfach wie der x-te Aufguss desselben Films zu wirken, zugleich jedoch auch noch so allgemein sein, dass sich der Zuschauer bis zu einem gewissen Grad mit der Hauptfigur – egal welchen Geschlechts – identifizieren kann. Eben dies gelang Greta Gerwig im Falle von "Lady Bird" grandios. Sie erzählt die spezifische Geschichte dieser jungen Frau, sowohl was ihr Umfeld, ihren Umgang, ihre Eltern, ihre Schule, ihre Freunde und so weiter betrifft. Und doch finden sich da und dort diese kleinen Details und universellen Momente, die es zumindest in meinem Fall (obwohl ich nie eine junge Frau war) geschafft haben, mich "abzuholen" und an meine eigene Jugend zu erinnern. Zugegeben, die ganz großen dramatischen Höhepunkte mögen "Lady Bird" fehlen; aber auch das fand ich letztendlich irgendwie schön und passend. Die Handlung plätschert gemächlich vor sich hin, und erzählt unaufgeregt und dadurch irgendwie lebensecht vom Erwachsenwerden. Der Film ist dabei von Anfang bis Ende unterhaltsam, bietet zwischendurch immer wieder sowohl amüsante als auch berührende Momente, und gerade auch durch die behutsame Inszenierung, welche auf übertriebene Dramaturgie verzichtet baute sich im Verlauf des Films eine emotionale Wirkung auf, die dafür sorgte, dass ich bei der Montage am Ende die Tränen zurückhalten musste. Insgesamt ist "Lady Bird" einfach ein durch und durch schöner Film, fantastisch geschauspielert, und von Regie-Debütantin Greta Gerwig mit derart sicherer Hand inszeniert, dass man sich nur wünschen kann, sie in Zukunft noch öfter hinter der Kamera zu erleben.
Fazit:
"Lady Bird" ist ein wundervolles Portrait einer jungen Frau an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Dabei erfindet er zugegebenermaßen das Rad jetzt nicht unbedingt neu, allerdings ist das Ganze von Greta Gerwig derart stimmig, kompetent und vor allem charmant erzählt, dass man sich von ihr gerne an der Hand nehmen und durch diese Coming of Age-Geschichte führen lässt. Der zarte Nostalgie-Charakter hilft dem Film dabei ebenso, wie die bestechende Leistung der wieder einmal großartigen Saoirse Ronan in der Titelrolle. Und auch die so schwierige Gratwanderung, einerseits eine eigenständige und individuelle Geschichte zu erzählen (um in der Masse solcher Filme nicht unterzugehen und dem Zuschauer das Gefühl zu vermitteln, ihn schon zig Mal gesehen zu haben) und andererseits universell genug zu bleiben, um den Zuschauer abzuholen und an einzelne Momente oder auch einfach das allgemeine Gefühl in diesem so schwierigen wie interessanten Lebensabschnitt zu erinnern, gelingt "Lady Bird" mit Bravour. Und so schön zurückhaltend und unaufgeregt der Film größtenteils auch inszeniert war, am Ende hätte er mich trotzdem fast nochmal zu Tränen gerührt. Wie gesagt, sonderlich revolutionär ist "Lady Bird" nicht – aber was macht das schon, wenn ein derart wundervoller und einfach nur durch und durch schöner Film dabei herauskommt?!