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Kurzgeschichten Drucken E-Mail
Titel: "Shadow of His Thoughts"
Autor: J. Michael Straczinsky
Veröffentlicht: Amazing Stories #597

Titel: "Genius Loci"
Autor: J. Michael Straczinsky
Veröffentlicht: Amazing Stories #599

Titel: "Space, Time, and the Incurable Romantic"
Autor: J. Michael Straczinsky
Veröffentlicht: Amazing Stories #602

Titel: "Hidden Agendas"
Autor: J. Michael Straczinsky
Veröffentlicht: Official Babylon 5 Magazine #22

Titel: "True Seeker"
Autorin: Fiona Avery
Veröffentlicht: Official Babylon 5 Magazine #23

Titel: "The Nautilus Coil"
Autor: J. Gregory Keyes
Veröffentlicht: Official Babylon 5 Magazine #24

 

Einleitung: Zwischen Sommer 1999 und August 2000 wurden insgesamt sechs offizielle Kurzgeschichten zu "Babylon 5" veröffentlicht. Die ersten drei in den Ausgaben #597, #599 und #602 der Zeitschrift "Amazing Stories", die weiteren drei in den Ausgaben #22, #23 und #24 des offiziellen "Babylon 5"-Magazins. Vier davon wurden von J. Michael Straczinsky selbst verfasst, die anderen beiden wurden von Fiona Avery (Drehbuchautorin der beiden Crusade-Folgen "Der Quell der Ewigkeit" und "Dureenas Geheimnis", sowie zwei weiteren Episoden, die nie gedreht wurden, darunter das berühmt-berüchtigte "Value Judgments" mit einem Auftritt von Alfred Bester) sowie J. Gregory Keyes (Autor der "Psi-Corps"-Trilogie) beigesteuert. Auf einen Sammelband aller Geschichten wartet man bis zum heutigen Tag vergeblich, allerdings werden die entsprechenden Magazine immer wieder auf Ebay und anderen Internet-Marktplätzen feilgeboten, und sind die Geschichten selbst teilweise auch elektronisch als PDF im Internet abrufbar (wenn wir auch über die Legalität solcher Angebote besser den Mantel des Schweigens hüllen). Anbei nun kurze Inhaltsübersichten und Reviews zu allen sechs Novellen.


Shadow of His Thoughts: Nur wenige Tage nachdem er zum Imperator von Centauri Prime ernannt wurde, folgt Londo Mollari einer alten Tradition seines Volkes, wonach der Imperator mittels einer altmodischen Kutsche zum Fluss Tuwain reisen muss, um eine neue oberste Seherin zu ernennen – nachdem die alte bei der Bombardierung des Planeten ums Leben kam. Ihre Nachfolgerin erweist sich dabei als derart begabt, dass die Drakh darauf bestehen, sie aus der Welt zu schaffen. Londo, der in seinem Leben schon genug Leid gesehen und auch selbst verursacht hat, sucht – obwohl unter der direkten Kontrolle des Keepers – nach einem Weg, ihr Leben zu retten…

Die erste Kurzgeschichte von JMS ist meines Erachtens auch gleich die Beste. Das mag an meiner Vorliebe für Londo – für mich die mit Abstand tragischste Figur der Serie – liegen, wobei ich eigentlich schon auch grundsätzlich finde, dass es JMS hier ganz einfach am besten gelungen ist, eine nette kleine Geschichte zu finden, die perfekt ins Novellen-Format passt. Sie ist schön, klein, charakterorientiert, rein auf Londo fokussiert, wirft einen Blick in sein Innenleben nachdem er vom Keeper übernommen wurde, und stellt ein moralisches Problem ins Zentrum, mit dem ich als Leser so richtig mitfiebern konnte. Man kann es Londo nachfühlen, das er der seinen eigenen Machenschaften geschuldeten Tode müde ist, und deshalb mit jeden Mitteln vermeiden will, dem Chor seiner Opfer eine weitere Stimme hinzuzufügen. Einzig der kleine Kontinuitätsfehler rund um Lady Morellas Prophezeiung (die zwei, und nicht wie von JMS behauptet fünf Jahre zuvor stattfand; das hat er wohl mit "Visionen des Schreckens" verwechselt) trübt die Freude ein wenig. Insgesamt ist "Shadow of His Thoughts" aber eine wirklich klasse, charakterorientierte Geschichte, von JMS toll geschrieben, mit einem packenden zentralen moralischen Dilemma für Londo, und einem befriedigenden und wirklich schönen Ausgang (der Brief!). Aus meiner Sicht stellt die erste B5-Kurzgeschichte jedenfalls eine Pflichtlektüre insbesondere für Londo-Fans dar – wobei sie vor allem als eine Art Prolog zu Peter Davids famoser "Centauri"-Trilogie großartig funktioniert.
9/10


Genius Loci: Sechs Wochen nachdem sie gemeinsam von Babylon 5 aufgebrochen sind, stoßen G'Kar und Lyta auf ein verlassenes Schiff des Psi Corps. Als sie dessen Flugroute zurückverfolgen, führt sie dies zu einem bisher unbekannten, paradiesischen Planeten. Nachdem sie bei der Landung voneinander getrennt wurden, macht Lyta die Bekanntschaft von mehreren Telepathen, die dort seit Jahren friedlich leben. Hat sie etwa tatsächlich einen möglichen Heimatplaneten für Telepathen gefunden? G'Kar stößt indes auf eine Gruppe von Narn, die auf dem Planeten eine Kolonie gegründet haben. Doch der Schein trügt…

"Genius Loci" ist eh auch ganz nett, hält jedoch dem Vergleich mit "Shadow of His Thoughts" nicht stand, und ist generell wohl eins der "Star Trek"-igsten Abenteuer des "Babylon 5"-Universums. Die Interaktionen von Lyta und G'Kar sind nett, sowohl Mysterium als auch Auflösung rund um den Planeten wissen durchaus zu gefallen, und vor allem der Ausgang war dann durchaus stark. Aber irgendwie fehlt der letzte Tick, ist die Geschichte letztendlich doch eher belang- und folgenlos (weshalb ich auch vergleichsweise wenig über sie zu sagen habe), und fühlt sich das Ganze auch irgendwie nicht so recht wie "Babylon 5" an. Kann man schon lesen, muss man aber nicht.
7/10


Space, Time and the Incurable Romantic: Dreihundert Jahre nach seinem Tod an Susan Ivanovas Sterbebett wird Marcus Cole, der nachdem man ihn gefunden hatte eingefroren wurde, wieder aufgetaut und zum Leben erweckt. Anfangs weiß er mit seinem neuen Leben nicht wirklich etwas anzufangen. Dann jedoch erfährt er, dass Ivanovas Gedankenmuster in einem Schrein auf Minbar gespeichert sind. Da mittlerweile auch die Klontechnologie weit fortgeschritten ist, sieht Marcus doch noch eine letzte Chance auf ein Happy End seiner Liebesgeschichte mit Susan…

"Space, Time and the Incurable Romantic" ist wohl die mit Abstand umstrittenste der sechs offiziellen B5-Kurzgeschichten. Ich selbst konnte bei der Phoenix ComiCon 2013 miterleben, wie Marcus-Darsteller Jason Carter minutenlang über sie abgelästert hat. Doch trotz des Unmuts einiger Fans ist die Geschichte tatsächlich offizieller Kanon, und wird somit die tragische Liebesgeschichte zwischen Marcus und Susan rückwirkend doch noch in ein Happy End umgewandelt. Das allein wäre schon problematisch genug, aber die Art und Weise, wie dies passiert, ist derart an Byrons langen Haaren herbeigezogen, dass man nicht weiß, ob man Lachen oder Weinen soll. Und wenn Marcus dann am Ende die wieder zum Leben erweckte Susan geradewegs anlügt weil er meint, dass sie nur so (mit ihm) glücklich sein könnte, und uns das Ganze als Happy End verkauft wird, krampf es mich endgültig zusammen – weil das fand ich dann doch mehr als nur fragwürdig. Als berüchtigste der B5-Novellen kann ich mich zwar nicht dazu durchringen, euch zu empfehlen, sie auszulassen. Und Marcus ist eine derart charmante Figur, dass es trotz des problematischen Inhalts durchaus Spaß macht, ihm zuzulesen. Aber engagiert euch vielleicht besser einen Man in Black der euch danach blitzdingsen kann, damit ihr sie wieder aus eurem Gedächtnis verbannen könnt.
3/10


Hidden Agendas: Wenige Wochen nachdem sie das Kommando über die EAS Titans, einen Zerstörer der neuen Warlock-Klasse übernommen hat, stattet Captain Ivanova Babylon 5 einen Besuch ab. Grund ist ihre Vermutung, dass der Kreuzer zumindest teilweise auf Schattentechnologie basiert. Präsident Sheridan, Michael Garibaldi und Lyta Alexander schmieden daraufhin einen Plan, um diese unschädlich zu machen…

Das Highlight an "Hidden Agendas" ist zweifellos der Auftritt von Susan Ivanova. Die Kurzgeschichte gibt uns einen kleinen – und den einzigen offiziellen (Claudia Christian selbst hat nämlich ebenfalls zwei Geschichten über Ivanovas Abenteuer auf der EAS Titans geschrieben) – Einblick darin, was Ivanova nach ihrem Abschied von Babylon 5 so getrieben hat. Die daraus resultierende Geschichte ist zwar längst nicht so gut und interessant wie jene gewesen wäre, wenn Claudia Christian die Serie nicht verlassen hätte, ist aber immerhin besser als nichts. Zumal man mit der Schattentechnologie in modernen Kreuzern der Erdallianz wohl schon einen Punkt aufbrachte, der in weiterer Folge in "Crusade" größere Bedeutung erlangt hätte (und wer weiß, eventuell wäre die EAS Titans dort nochmal aufgetreten und hätte vielleicht sogar eine entscheidende Rolle gespielt). Und auch wenn die Story letztendlich auch nichts Besonderes ist, verfügt sie wenigstens über eine stärkere Verbindung zum Storyarc als "Genius Loci" – und beantwortet zudem die Frage, was denn eigentlich mit Ulkeshs Schiff passiert ist. Definitiv lesenswert!
8/10


True Seeker: Im Jahr 2269 begibt sich die Telepathin Alisa Beldon, die unter den Minbari lebt und von ihnen als wahre Suchende angesehen wird, nach Narn. Sie begleitet dabei Jerrica Thomas, ein junges Narn-Mädchen dass bisher unter Menschen auf der Erde gelebt hat, und der sie dabei helfen will, ihre Familie zu finden. Als sich Alisas überraschende Herkunft offenbart, geraten sowohl Allison und sie, als auch G'Kars frühere Assistentin Na'Toth, in große Gefahr…

Fiona Avery ist zweifellos eine gute Autorin, die zudem mit "Value Judgments" eine Knaller-Episode zu "Crusade" beigesteuert hätte, wenn die Serie nicht vorzeitig abgesetzt worden wäre. Mit "True Seeker" hat sie sich aber irgendwie keinen Gefallen getan. So nett die Grundidee auch sein mag, sich eine Nebenfigur aus der Serie herauszugreifen und zu erzählen, wie es dieser nachdem wir sie das letzte Mal gesehen haben ergangen ist, hat man als B5-Fan halt doch zur Stammbesetzung einen wesentlich größeren Bezug. Insofern war G'Kars Auftritt gegen Ende für mich dann auch ganz klar der Höhepunkt der Geschichte, wobei neben seiner Rede vor dem Kha'Ri vor allem noch sein Dialog mit Jerrica hervorstach (Vor allem ihren Kommentar "I read your book in freshman literature class. It was pretty good… for a first draft." fand ich wirklich witzig). Der Rest war zwar grundsätzlich auch ok, aber ich fand Alisa Beldon als Protagonistin leider nicht sonderlich interessant. Und Na'Toth hat durch ihre rücksichtslose Vorgehensweise bei mir eher Punkte verloren, als gewonnen. Insgesamt war die Kurzgeschichte aber schon ok.
5/10


The Nautilus Coil: Lyta Alexander bittet Michael Garibaldi um Hilfe: Sie will mit einem Schiff in den Raum der Vorlonen eindringen, um dort nach jenem Planeten zu suchen, auf dem die Telepathen geschaffen wurden. Die Informationen dazu konnte sie kürzlich beim Überfall der abtrünnigen Telepathen auf eine Einrichtung des Psi-Corps aus den dort gespeicherten, streng geheimen Datei entnehmen. Das Psi-Corps hat offenbar bereits eine entsprechende Expedition gestartet. Lyta hofft, diese abfangen und so verhindern zu können, dass das Corps noch stärkere Telepathen heranzüchten kann. Für seine Hilfe erklärt sich Lyta auch endlich dazu bereit, Besters Block aus Garibaldis Geist zu entfernen…

"The Nautilus Coil" ist die perfekte Ergänzung zu J. Gregory Keyes höchst empfehlenswerter Psi-Corps-Trilogie, und wird dabei am besten zwischen "Deadly Relations" und "Final Reckoning" gelesen. Zwar erreicht die Geschichte nicht deren Niveau, und scheint letztendlich für den Abschluss der Story rund um Kevin Vacit wichtiger zu sein als für die Entwicklung von Garibaldi und Lyta. Zudem hätte ich einen klareren Abschluss dem hier präsentierten sehr offenen Ende vorgezogen. Und beim Namen des Volkes, Nephilim, musste ich automatisch an "Wing Commander: Prophecy" denken. Aber vor allem das erste Drittel ist super, nicht zuletzt, da dort die eine oder andere Lücke in der Kontinuität – allen voran um Garibaldis Block – geschlossen wird. Und auch der Rest förderte ein paar nette kleine Details rund um die Schaffung von Telepathen durch die Vorlonen zu Tage. Insgesamt ist "The Nautilus Coil" ein nettes und gelungenes Intermezzo zwischen Teil 2 und 3 der Psi-Corps-Trilogie – das mir nicht wirklich schmeckende offene Ende verhindert jedoch eine höhere Bewertung.
6/10
Christian Siegel
"Babylon 5"-Logo © Warner Bros.





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