Kurzinhalt:
Fünfundzwanzig Jahre nach der Entdeckung der langen Erde, und zehn Jahre nach der Expedition der Mark Twain, und dem abschließenden atomaren Terroranschlag in Madison, hat die Menschheit die Eroberung der langen Erde fortgesetzt. Und obwohl dies überwiegend friedlich verläuft, lauern an der einen oder anderen Stelle auch Konflikte, die sich in Kriege auszuwachsen drohen. So verläuft das Zusammenleben mit einer anderen einheimischen Spezies der langen Erde, den Trollen, nicht überall harmonisch. Dabei geht vor allem das Video eines weiblichen Trolls, die sich gegen ihre Peiniger erhebt, einen von ihnen tötet, und "I will not!" signalisiert, um alle Welten. Aber auch die eigenen Siedler bereiten der Regierung auf der Referenz-Erde Kopfzerbrechen. So hat die Kolonie Valhalla ihre Unabhängigkeit erklärt. Man schickt daraufhin ein Kriegsschiff durch die lange Erde, das Stärke demonstrieren und die Kolonien wieder unter Kontrolle bringen soll. Währenddessen lässt sich der mittlerweile ein beschauliches Leben führende Joshua Valienté von Lobsang dazu überreden, einen Versuch zu unternehmen, einen drohenden Krieg zwischen Menschen und Trollen zu verhindern. Und während sich all dies in erster Linie in westlicher Richtung der langen Erde abspielt, bricht eine chinesische Expedition auf, um den Osten zu erforschen, und bis zu zwei Millionen Welten – und damit weiter als jeder Mensch zuvor – zu reisen…
Review:
"The Long Earth" hat mir ja ziemlich gut gefallen. Von der Fortsetzung war ich jedoch ziemlich enttäuscht. In erster Linie sticht dabei der irreführende Titel ins Auge, denn zum angesprochenen Krieg kommt es nie. Nun bin ich ja durchaus jemand, der – gerade auch in unserer heutigen Zeit – utopische Zukunftsvisionen schätzt (nicht zuletzt liebe ich ja "Star Trek", auf das man in diesem Roman mehrmals referenziert). Aber einerseits hätte ich die Erforschung der Frage, wie so ein "langer" Krieg über so viele Parallelwelten denn überhaupt aussehen kann, sehr interessant und reizvoll gefunden (welche Taktiken man dabei anwendet, die Logistik dahinter, und so weiter), und andererseits hat "The Long War" damit halt automatisch das Problem, dass der Titel falsche Erwartungen weckt. Was immer dann kein großes Drama ist, wenn das, was man stattdessen bekommt, noch besser oder zumindest gleichwertig ist zudem, womit man gerechnet hat.
Und eben daran hapert es bei "The Long War": Denn keinen der (zahlreichen; dazu gleich) parallel verlaufenden Handlungsstränge fand ich sonderlich interessant. Da hatte mir die Erkundung der langen Erde im ersten Teil weitaus mehr zu bieten. Ich fand zudem, dass diesmal Terry Pratchetts Handschrift, im Gegensatz zum Vorgänger, kaum mehr zu erkennen war. Überaus vereinzelt mag ein amüsanter Dialog hervorstechen, der nach ihm klingt, aber im Wissen ob seiner damals schon fortgeschrittenen Alzheimer-Erkrankung würde es mich nicht überraschen, wenn Baxter den Roman überwiegend allein geschrieben und Pratchett dann nur mehr da und dort überarbeitet hätte. Nicht, dass ich an Baxter grundsätzlich was auszusetzen hätte. Der Typ hat mit "Zeitschiffe" einen der meines Erachtens besten Science Fiction-Romane aller Zeiten geschrieben (und "Titan" war ebenfalls phantastisch). Aber wenn Pratchetts Roman so groß auf dem Cover prangert, erwartet man sich halt schon, auch seinen Stil deutlich erkennen zu können.
Was bei "The Long Earth" auch noch der Fall war – hier könnte ich es jedoch leider nicht mehr behaupten. Mein größter Kritikpunkt ist allerdings, wie zerfahren der Roman wirkt. Wie die Inhaltsangabe schon deutlich macht, erzählt "The Long War" mehrere parallel verlaufende Geschichten, die jedoch überwiegend unabhängig voneinander funktionieren. Manche überschneiden sich sporadisch, vor allem zum Ende hin, andere bleiben bis zuletzt völlig für sich. Nun hatte zwar "The Long Earth" auch immer wieder kurze Intermezzi, die andere Aspekte der Eroberung der langen Erde beleuchteten, und vor allem Helens Blogeinträge boten konstant Abwechslung von den Abenteuern von Valiente und Lobsang. Dennoch lag der Schwerpunkt dort eben ganz klar auf der Expedition der Mark Twain, die zudem zahlreiche wunderbare Offenbarungen, Einfälle und Entdeckungen bot (sowie das wundervolle, amüsante Zusammenspiel zwischen den beiden). "The Long War" hingegen wirkt völlig zerfahren, wie zusammenhangloses Stückwerk. Beide Autoren haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie das besser können.
Fazit:
"The Long War" ist das möglicherweise (bzw. hoffentlich) schwächste Buch aus Terry Pratchetts Bibliographie (was ich von Stephen Baxter hingegen nicht behaupten kann, der hat tatsächlich auch schon noch schlechteres abgeliefert). Das lag weniger daran, dass vom titelspendenden Krieg bis zuletzt jede Spur fehlte, und ich die dadurch geweckten falschen Erwartungen für problematisch halte, als vielmehr, dass das, was man anstelle dessen bekommt, wie ein müder Abklatsch des ersten Teils wirkt, aber sowohl dessen Witz als auch dessen Fantasie, Charme, seine Originalität und den Sense of Wonder überwiegend vermissen lässt. Überaus kritisch sehe ich zudem die zahlreichen parallel verlaufenden Handlungsstränge, die teilweise bis zuletzt voneinander gänzlich losgelöst sind – was dem Roman einen sehr zerfahrenen Eindruck gibt. Und generell wollte mich das Geschehen hier einfach nie so recht packen. Zwischendurch blitzt zwar dann doch immer wieder mal ein kurzer Funke jener Qualitäten auf, die mir am ersten Teil so gut gefallen konnte. Insgesamt hat mich "The Long War" aber – gerade auch als Fortsetzung zum wunderbar-faszinierenden "The Long Earth" – doch ziemlich enttäuscht.
Bewertung:
1.5/5 Punkten
Christian Siegel
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