Mit: Jaeden Lieberher, Jeremy Ray Taylor, Sophia Lillis, Finn Wolfhard, Chosen Jacobs, Jack Dylan Grazer, Wyatt Oleff, Bill Skarsgard u.a.
Kurzinhalt:
Im Oktober 1988 verschwindet Bills kleiner Bruder Georgie spurlos. Es ist bei weitem nicht der einzige Fall, kommt so etwas in Derry, Maine doch in regelmäßigen Abständen immer wieder vor. Dennoch hat Billie auch im darauffolgenden Sommer die Hoffnung noch nicht aufgegeben, ihn lebend zu finden. Zusammen mit seinen – teils alten, teils neuen – Freunden Beverly, Ben, Richie, Eddie, Stanley und Mike gründet er den sogenannten Losers Club. Schon bald werden sie allesamt von alptraumhaften Visionen geplagt, in denen unter anderem auch ein Clown, Pennywise, immer wieder eine Rolle spielt. Ihre Nachforschungen, was die Geschichte der Kleinstadt betrifft, fördert dann gar Schreckliches zu Tage: Offenbar kommt es im Abstand von 27 Jahren zu größeren Katastrophen und einer Zunahme an verschwundenen Menschen – vor allem Kindern. Schon bald erkennen die "Loser", dass das namenlose Böse, welches Derry in regelmäßigen Abständen heimsucht, in der Kanalisation lauert. Gemeinsam stellen sie sich "Es" entgegen…
Review:
Ich, meines Zeichens 1980 geboren, kenne niemanden aus meiner Generation, der nicht mit der TV-Adaption von Stephen Kings "Es" aufgewachsen ist. Selbst ich, der ich davon abgesehen sehr behütet aufgewachsen bin und als Kind und junger Jugendlicher kaum mit Horror in Berührung kam, hab den damals gesehen – wo er mir doch die eine oder andere schlaflose Nacht bescherte. Insofern halte ich es nicht für vermessen, zu behaupten, dass die damalige Fassung eine ganze Generation geprägt und beeinflusst hat – wobei ich im Gespräch mit Gleichgesinnten vor allem spannend fand, dass sich fast jeder an andere Aspekte oder Szenen erinnern kann. Bei mir war's z.B. der Besuch bei der alten Dame, mit dem Blut in der Tasse. Das Bild ist mir nie wieder aus dem Kopf gegangen. Passenderweise genau 27 Jahre später kommt nun also mit "Es" eine Neuadaption von Stephen Kings bekanntem (und möglicherweise auch besten) Roman in die Kinos. Im Gegensatz zur Vorlage und der TV-Adaption verlaufen die beiden Handlungsstränge diesmal nicht parallel, sondern konzentriert man sich vielmehr auf die damaligen Ereignisse, als die Figuren noch Kinder waren.
Nicht nur das, verlegte man den entsprechenden Teil der Handlung zudem aus den 50ern in die 80er – und springt damit auf den u.a. von der Serien-Sensation "Stranger Things" angeheizten Nostalgie-Zug auf. Als jemand, der selbst in dieser Epoche aufgewachsen ist, sprach mich das natürlich an, und insgesamt denke ich, dass es dem neuen "Es" gelingen sollte, gleich mehrere Generationen abzuholen: Jene, die King's Roman gelesen und sich an die eigene Kindheit erinnert fühlten (auch wenn diese dort noch in den 50ern angesiedelt war), jene, die so wie ich mit der TV-Adaption aufwuchsen, aber durchaus auch nun wieder die nächste Generation an jungen Erwachsenen, wobei ich persönlich – auch wenn die FSK das anders sieht – den Film für alle ab 12 (und damit im selben Alter wie die Figuren) für geeignet halte. Denn – und da sind wir schon bei jenem Aspekt, der für manche einen Knackpunkt darstellen könnte: Diesen ganzen Hype rund um "Furchterregendster Film aller Zeiten" sollte man, bevor man sich in den Kinosaal setzt, unbedingt aus dem Gedächtnis streichen. Natürlich hat "Es" seine – effektiven – Gruselmomente, aber wirklich gefürchtet habe ich mich kein einziges Mal. Was für mich persönlich auch insofern kein Problem war, als "Es" seinen Schwerpunkt weniger auf den Horror als auf den Coming of Age-Aspekt legt. Was das betrifft, erinnert er stark an einen anderen ganz großen Stephen King-Klassiker, "Stand by me" (aber auch "Die Goonies" kommen einen in den Sinn). Auch dort geht es um eine Gruppe ausgestoßener, die sich in den Sommerferien zusammenfindet, um gemeinsam ein Abenteuer zu erleben, bzw. gegen eine bestimmte Bedrohung zu bestehen. Und eben dieser Aspekt, die Freundschaft zwischen den Mitgliedern des "Loser's Club", und der Zauber dieses Sommers, stehen bei "Es" im Mittelpunkt – und eben nicht der blanke Horror.
Wie gesagt, natürlich gibt es nichtsdestotrotz einige Gruselszenen, die zudem – trotz vereinzelter etwas hakeliger CGI-Effekte – sehr effektiv umgesetzt wurden. Andy Muschietti, dessen "Mama" ich "nur" gut fand, versteht es definitiv, eine packende Atmosphäre aufzubauen. Nur selten verlegt er sich auf billige Schockmomente, die zudem allesamt sehr gut aufgebaut sind und sich nicht rein auf das Aufdrehen der Lautstärke verlassen. Es ist schon länger her, dass ich den Roman gelesen habe (sollte ich aber wohl unbedingt wieder mal tun), insofern kann ich nicht sagen, inwiefern die betreffenden Szenen eine Umsetzung der dort beschriebenen Momente sind, aber da war definitiv das eine oder andere denkwürdige dabei. Trotzdem hat für mich letztendlich aber der bodenständige Horror, der ohne Es Zaubertricks auskommt, am besten gefallen. Seien es so kindlich-irrationale Ängste, wie allein in einen dunklen Keller zu gehen, oder auch sich vor einem gruseligen Bild zu fürchten. Vor allem aber stach für mich der immer wieder aufblitzende "weltliche" Schrecken hervor, wie z.B. durch einen gewaltbereiten Bully, oder – insbesondere – Beths Vater (wo der Kindesmissbrauch zwar nie explizit gezeigt wird, aber dennoch offensichtlich ist). Eben dies waren dann auch jene Momente, die mir wirklich unter die Haut gegangen sind.
Worin sich der neue "Es" sowohl vom Roman als auch der damaligen TV-Umsetzung unterscheidet, ist im Zugang: Statt beide Zeitebenen parallel zu erzählen, konzentriert man sich hier rein auf das Abenteuer, dass der Losers Club als Kinder/Jugendliche erlebte. Aus meiner Sicht hat der Film von eben diesem Fokus profitiert, und auch die Laufzeit erschien mir nicht zu lang. Man legt hier den Schwerpunkt ganz klar auf die Figuren, allen voran Bill, Beverly und Ben – aber auch die anderen Mitglieder in Losers Club bekommen ihre ganz eigene Identität, und sind klar voneinander abgegrenzt. Angesichts so vieler Horrorfilme, wo die Figuren nur als Kanonenfutter dienen, fand ich dies jedenfalls überaus erfrischend und positiv. Wobei neben dem Drehbuch vor allem auch das Casting nicht hoch genug gelobt werden kann. Es ist schon schwer genug, ein oder zwei wirklich talentierte KinderdarstellerInnen zu finden (wobei auffällt, dass das diesbezügliche Niveau in den letzten 10-15 Jahren enorm angestiegen ist), aber gleich sieben solcher Neuentdeckungen, das ist wirklich beachtlich. Jedenfalls geben sie alle, ausnahmslos, tolle, natürliche Performances ab, die hervorstechen, wobei vor allem Jaeden Lieberher als Bill und Sophia Lillis als Beverly im Gedächtnis bleiben. Kurioserweise ist es just Bill Skarsgard, der aus dem Ensemble etwas negativ hervorsticht. Zugegebenermaßen mag dies an den Fußstapfen von Tim Curry liegen, in die er treten muss – und dessen Clownsschuhe sich für ihn als mindestens zwei Nummern zu groß erweisen. Er ist nicht schlecht, aber es fehlt ihm die bedrohlich-verführerische Ausstrahlung von Curry; im Gegensatz zu diesem, der aus nichts viel herausgeholt hat, lebt Skarsgard in erster Linie von den Effekten, die um ihn herum animiert werden. Zumindest in diesem einen Aspekt ist die TV-Umsetzung somit dieser neuen Adaption überlegen. In allen anderen hingegen sticht das 2017-Es jenes aus 1990 eindeutig aus.
Fazit:
Die Neuadaption von "Es" erweist sich – wie auch der Roman, auf die sie basiert – als perfekte Kombination aus Horror- und Coming of Age-Film. Dabei sollte man sich vorab darauf einstellen, dass letztere Aspekte definitiv im Vordergrund stehen, und das kolportierte "Furchterregendste Film aller Zeiten" völliger Quatsch ist. Ja, er hat seine – effektiven – Gruselmomente, das Fürchten lehren dürfte er aber, unter Berücksichtigung der von der FSK vorgegebenen Altersgrenze, niemanden (wobei ich ihn durchaus auch schon ab 12 Jahren – und damit dem Alter der Figuren entsprechend – für ok halte). Und dennoch liegt die größte Stärke des Films für mich weder in den – effektiven und sehr atmosphärisch umgesetzten – Gruselszenen, noch im alltäglichen Horror (der mich sogar noch um einiges mehr begeistern konnte), sondern vielmehr in den Figuren, und der Darstellung der Art und Weise, wie sie Ereignisse hier diese vier "Loser" zusammenschweißt. Zumal der Film nicht nur sehr gut inszeniert ist und die Ära perfekt einfängt, sondern vor allem auch die blutjunge Besetzung besticht (einzig – just – Bill Skarsgard fällt ab und hält dem Vergleich mit TV-Pennywise Tim Curry nicht stand). Jedenfalls ist "Es" kein Horrorfilm, der verstören, sondern vielmehr gut unterhalten will – und eben dies gelingt ihm ausgezeichnet. Er bietet die klassische Achterbahnfahrt, und lässt einen nach jedem Schrecken erleichtert auflachen – etwas, dass im vollen Kinosaal (und mit dem richtigen Publikum) bestimmt besser funktioniert als zu Hause. Und am Ende entlässt er einem mit dem guten Gefühl, dass das Gute über das Böse triumphiert, man jede noch so große Herausforderung überwinden kann, solange man sich ihr entschlossen, mit Zuversicht, ohne Angst und vor allem mit treuen Freunden an der Seite stellt, und am Ende alles gut ausgehen wird. Zumindest, bis zur unvermeidlichen (und von mir jetzt schon gespannt erwarteten) Fortsetzung.