Originaltitel: The Bone Orchard Episodennummer: 1x01 Bewertung: Weltweite Internet-VÖ: 01. Mai 2017 (Amazon) Drehbuch: Bryan Fuller & Michael Green Regie: David Slade Hauptdarsteller:
Ricky Whittle als Shadow Moon,
Ian McShane als Mr. Wednesday,
Emily Browning als Laura Moon,
Pablo Schreiber als Mad Sweeney,
Yetide Badaki als Bilquis,
Bruce Langley als Technical Boy.
Gastdarsteller:
Jonathan Tucker als 'Low Key' Lyesmith,
Demore Barnes als Mr. Ibis,
Betty Gilpin als Audrey,
Siobhan Fallon Hogan als Airport Lady,
Joel Murray als Paunch,
Beth Grant als Jack,
John Tench als Viking Leader,
Sonja Smits als Laura's Mother u.a.
Kurzinhalt:
Seit knapp drei Jahren verbüßt Shadow Moon eine Haftstrafe, nachdem er beim Versuch, ein Casino zu betrügen, erwischt wurde. In wenigen Tagen soll er nun entlassen werden, als das Schicksal ihm einen grauenhaften Streich spielt, und seine Frau Laura bei einem Autounfall ums Leben kommt. Um an ihrem Begräbnis teilnehmen zu können, wird er vorzeitig aus der Haft entlassen. Auf dem Heimflug lernt er den mysteriösen Mr. Wednesday kennen, der mit ihm ins Gespräch kommt und ihm daraufhin einen Job anbietet. Dankend lehnt Shadow ab, hat doch sein bester Freund bereits eine Stelle für ihn vorgesehen. Da erlebt er den nächsten Schock: Dieser kam beim selben Autounfall ums Leben. Offenbar hatten die beiden eine Affäre, und der Unfall ereignete sich, als Laura ihn oral befriedigte. Angesichts dieses Schicksalsschlags und ohne Zukunftsperspektiven nimmt Shadow das Angebot von Mr. Wednesday schließlich an. Doch bevor er seine neue Stelle antritt, gilt es zuerst, dem Begräbnis seiner Frau beizuwohnen – dem er verständlicherweise mit überaus gemischten Gefühlen gegenübersieht…
Review:
Beim Überangebot, dass heutzutage dank dem Erfolg von Streamingdiensten im Hinblick auf neue TV-Inhalte besteht, muss man – sofern man so wie ich nur über einen beschränkten Anteil an Freizeit verfügt – schon genau auswählen, was man sich vorknöpft, und was man vorerst mal auf die Warteliste legt. Noch wählerischer muss ich dabei sein, wenn es darum geht, welche aktuelle Serie ich in Reviews bespreche, weil die entsprechende Zeit noch einmal knapper bemessen ist. Warum also gerade "American Gods"? Einerseits, weil mich die Serie sehr beeindruckt hat, andererseits, da ich langjähriger Fan von Neil Gaimans Arbeit bin (und mir seine Bücher früher oder später wohl hier auch vorknöpfen werde); und dass die erste Staffel nur acht Folgen hat und damit vom Aufwand her überschaubar ist, spielt zugegebenermaßen auch eine gewisse Rolle. Jedenfalls gibt's ab sofort jeden Freitag eine Besprechung zur ersten Staffel von "American Gods" – und den Anfang macht dabei, no na, die Pilotfolge "Der Knochengarten", die mir ausgesprochen gut gefallen konnte.
Als jemand, der einen Großteil von "Hannibal" gesehen hat (die zweite Hälfte von Season 3 fehlt mir noch), ist dabei – nach dem Intro, dass mich extrem an jenes von Netflix zu "Daredevil" erinnert hat (der gesamte Stil, die Farbgebung, die Schrift etc.) – Bryan Fullers Handschrift von Anfang an unverkennbar. So übernimmt er z.B. von seiner vorangegangenen Serie nicht nur den generellen optischen Stil, sowie Musik-Komponist Brian Reitzell, sondern auch die inszenatorische Spielerei der wechselnden Bildformate. Während das "normale" Geschehen in der Gegenwart im Format 16:9 bzw. 1.85:1 gezeigt wird, präsentiert er uns Träume, Visionen sowie insbesondere die umfangreichen Rückblenden in 2.35:1. Einerseits hilft dieser optische Kniff, sich bei den diversen Sprüngen zurecht zu finden, allerdings muss ich gestehen, dass die Serie optisch so toll – und filmisch -aussieht, dass ich eigentlich wünschte, er hätte gleich alles im Cinemascope-Format gedreht. Jedenfalls ist "American Gods" – wie auch schon "Hannibal" – zu den aktuell schönsten, inszenatorisch hochwertigsten und visuell imposantesten Serien zu zählen, die nicht einfach nur filmreife Optik für zu Hause bieten, sondern weite Teile der aktuellen Filmlandschaft sogar noch übertreffen, und verhältnismäßig alt und bieder aussehen lassen. Neben dem überaus brutal-blutigen Einstieg mit den in Amerika ankommenden Wikingern hatte es mir vor allem noch das Ende mit Shadow Moon in der Schlinge angetan, wo neben ihm Regen fällt und Blut spritzt. Vor allem die eine Szene mit dem roten Blut vorne, dem grünen Gras in der Mitte und dem dunkelblauen Himmel im Hintergrund war ein absoluter Hammer. Aber, ganz ehrlich: Ich könnte auch noch mindestens zehn weitere wunderschöne Szenen und Bilder nennen. Optisch ist "American Gods" jedenfalls ein absolutes Fest.
Inhaltlich gelang es "Der Knochengarten" ebenfalls rasch, mich zu fesseln. Ohne jegliches Vorwissen über die Serie und die erzählte Geschichte – vom Kinotrailer abgesehen – geschweige denn die Romanvorlage war das Geschehen zwar schon sehr mysteriös, habe ich erstmal sicherlich noch nicht alles verstanden, und blieb vieles nach dieser Pilotfolge auch noch im Dunkeln. Dennoch war ich vom Geschehen praktisch von Anfang an fasziniert, und interessiert daran, mehr zu erfahren – im Gegensatz zu anderen Serien mit ebenfalls verwirrend-mysteriösen Beginn, wo es auch schon mal vorgekommen ist, dass ich bald die Geduld bzw. das Interesse verlor. Wohl unter anderem, da ich mir die (alte) Serie erst kürzlich zum ersten Mal seit einer Ewigkeit wieder angesehen habe, und sie damals fürs Fernsehen so wegweisend war, musste ich oft an "Twin Peaks" denken. Sowohl vom Mystery-Charakter, einzelnen Sets, der opulenten Ausstattung, sowie dem ganzen Feeling und der Atmosphäre her. Und ja, das ist selbstverständlich als Kompliment gemeint. Einzig die Szene mit Bilquis war mir persönlich dann doch etwas zu schräg. Davon abgesehen gelang es "Der Knochengarten" aber sehr gut, mich in die düstere und zunehmend alptraumhafte Stimmung der Serie hineinzuziehen.
Was die Serie jedoch ebenfalls auszeichnet, und für Neil Gaimans Stil so typisch ist, ist dass sich trotz aller finsterer Geschehnisse und der dichten Atmosphäre auch einiges an Humor finden lässt. Bereits die erste Rückblende zeichnete sich durch die eine oder andere augenzwinkernde Bemerkung aus, und auch in weiterer Folge gab es noch einige amüsante Momente und/oder Kommentare. Dies ist für mich dann auch der wesentliche Unterschied zu Fullers vorangegangenen Serie "Hannibal", die praktisch durchgehend ernst und trist war – und verleiht "American Gods" für mich schon noch einmal zusätzlichen Reiz. Zumal der Humor gut platziert ist, und nicht auf Kosten der düsteren Grundstimmung geht. Auffällig auch, dass Fuller und sein Team die größere Freiheit, die sich ihnen im Vergleich zu einer Network-Serie bieten, voll und ganz auskosten. Bereits "Der Knochengarten" hält sich somit was nackte Tatsachen, Brutalität und vor allem auch Flüche betrifft nicht im Geringsten zurück. Andere mag dies verschrecken oder es aufgesetzt erscheinen, ich hingegen begrüße die diesbezüglichen Möglichkeiten von Streaming-Serien im Vergleich zur normalen TV-Landschaft voll und ganz. Abschließend sei auch noch ein Blick auf die Besetzung geworfen. Dabei sticht natürlich in erster Linie Ian McShane hervor, den ich seit "Deadwood" ins Herz geschlossen habe, und der sich mir bereits in dieser Pilotfolge und ohne Kenntnis der Romanvorlage oder des weiteren Verlaufs in dieser ambivalenten und undurchsichtigen Rolle als Idealbesetzung erweist, und diese darüber hinaus durch seine Ausstrahlung und sein Charisma zusätzlich aufwertet. Auch der mir bislang unbekannte Ricky Whittle (sorry, "The 100" nie gesehen) macht als grüblerisch-stiller Shadow Moon bislang einen sehr guten Eindruck. Auch Pablo Schreiber ("Orange is the New Black") hinterlässt bei seinem ersten Auftritt hier gleich Eindruck. Und angesichts des Castings von Emily Browning als seine gerade verstorbene Ehefrau hoffe ich doch, dass wir sie in späteren Folgen trotzdem wieder zu Gesicht bekommen werden (Goldmünze?), weil sonst fände ich sie doch etwas verschwendet. Der Rest blieb vorerst noch eher unauffällig – insgesamt macht die hier versammelte Darstellerriege bislang aber jedenfalls einen sehr guten und hochkarätigen Eindruck.
Fazit:
Zugegeben, mein Verständnis darüber, was hier abgeht, hält sich nach der ersten Folge erstmal noch in sehr argen Grenzen. Vor allem der Ausklang mit dem elektronischen Face-Hugger und dem Mann in der Limousine war höchst mysteriös. Aber auch was Mr. Wednesday, seine Pläne, und seine Absichten im Hinblick auf Shadow Moon betrifft, tappe ich abseits vereinzelter Vermutungen noch ziemlich im Dunkeln. Und doch bin ich nicht etwa verwirrt oder gar frustriert, sondern vielmehr fasziniert und gespannt, zu erfahren, was es mit der Geschichte auf sich hat. Neben der hochkarätigen Besetzung, aus der für mich vor allem Ian McShane (in seiner vielleicht besten Rolle seit Al Swearengen) hervorsticht, dem zwar langsam aber dennoch Interesse schürenden Handlungsaufbau, der alptraumhaften Atmosphäre und dem zwischendurch immer wieder eingestreuten, auflockernden Humor lag dies in erster Linie an der Inszenierung. Zwar ist man diesbezüglich von Streaming- und/oder HBO-Serien mittlerweile recht verwöhnt, "American Gods" gelingt es jedoch, sich selbst in dieser hochkarätigen Riege sehr weit oben zu platzieren, und erweist sich vom ersten bis zum letzten Bild als Augenschmaus. Jedenfalls ist es schon lange keinem Serienauftakt mehr gelungen, mich ähnlich zu begeistern. Jetzt musst der Rest der Serie nur noch halten, was "Der Knochengarten" versprochen hat.