Mit:Violetta Schurawlow, Tobias Moretti, Sammy Sheik, Friedrich von Thun, Robert Palfrader, Murathan Muslu, Nursel Köse, Ercan Kesal, Verena Alternberger u.a.
Kurzinhalt:
Die türkischstämmige Özge kehrt nach einer langen Nachtschicht als Taxifahrerin in Wien zurück nach Hause und beobachtet zufällig im Nachbarhaus den grausamen Mord an einer Prostituierten. Der Täter bemerkt sie und jagt sie fortan. Als sich Özges Cousine in der Wohnung aufhält, lauert ihr der Mörder auf und bringt sie im Glauben um, sie sei Özge. Nachdem sie bei ihrer Familie sowie ihren Freunden und Bekannten abgewiesen worden ist, findet sie nur noch bei dem unbequemen Polizeiermittler Steiner Unterschlupf, doch der Mörder ist ihr auf den Fersen…
Review:
Der Österreicher Stefan Ruzowitzky dürfte vielen Zuschauern insbesondere durch seine vielbeachteten und durchaus gelungenen Thriller "Anatomie" und "Anatomie 2" ein Begriff sein. Den bislang größten Erfolg seiner Karriere verbuchte er 2008 mit dem NS-Drama "Die Fälscher", indem er zum ersten Mal überhaupt den Oscar nach Österreich in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" holte. Insofern befand sich das Drehbuch des TV-erprobten Martin Ambroch ("Spuren des Bösen") in guten Händen, möchte man meinen. Und tatsächlich macht Ruzowitzky alles richtig. Er baut von Anfang an eine immens düstere, beklemmende Atmosphäre auf, indem er gekonnt mit Licht- und Schatteneffekten jongliert, mit der Kamera unmittelbar "im" Geschehen bleibt, die Spannung immer wieder auf die Spitze treibt und sie schließlich in einem unerträglich fesselnden Finale zum Höhepunkt führt. So ist "Die Hölle - Inferno" unter inszenatorischen Gesichtspunkten ein mitreißender, perfekt montierter Thriller, an dem es nichts zu mäkeln gibt.
Auch der exzellente Cast steht dem in nichts nach. Neben Altstars wie Friedrich von Thun und Tobias Moretti sticht insbesondere die usbekisch-stämmige Violetta Schurawlow (u.a. Nebenrollen in "Honig im Kopf", "Allein gegen die Zeit") hervor, die hier erstmals eine Hauptrolle stemmt. Und das gelingt ihr bravourös, betrachtet man, dass die Rolle ihr neben exzessivem Schauspiel auch körperlich sehr vieles abverlangt. Ganz klar empfiehlt sie sich mit ihrem hiesigen Engagement für tragende Rollen - Ich bin sehr gespannt, an welcher Stelle man wieder von ihr sehen und hören wird! Jedoch wird dem aufmerksamen Leser nicht entgangen sein, dass sich im oberen Teil eine etwas umständliche Formulierung eingeschlichen hat. Diese bezieht sich darauf, dass es unter "inszenatorischen Gesichtspunkten" nichts zu mäkeln gibt. Genau: Wo Regie, Cast und Technik alles vollkommen richtig machen, liegt die Krux nämlich im Drehbuch. Der Stoff an sich ist ja durchaus brisant: Es geht um religiösen Fanatismus, am Rande auch um den Umgang mit Altersdemenz sowie Frauen- und Fremdenfeindlichkeit. All diese Aspekte bringt Drehbuchautor Martin Ambroch völlig zufriedenstellend unter. Doch bei der Zeichnung des Antagonisten versagt er schließlich. Nicht nur, dass er in keinster Weise überzeugt, da er beinahe gänzlich auf sein Schattendasein beschränkt bleibt. Kaum ist er überführt, folgt auch schon der große Showdown. Weiterhin wirken auch die Umstände, unter denen man ihn aufspürt, arg konstruiert und weit hergeholt. Darüber hinaus sind auch seine Motive kaum schlüssig. Eher beiläufig stößt die Hauptprotagonistin Özge in einem Buch, in dem sie just die entsprechende Seite aufschlägt, auf die entscheidenden Hinweise. Ein solcher Thriller nur dann so richtig funktionieren, wenn auch der Bösewicht ordentlich ausgearbeitet ist. Und die genannten Defizite haben mir den Filmspaß insgesamt doch ein wenig verdorben. Das ist umso ärgerlicher, berücksichtigt man, dass der Film in anderen Bereichen deutlich punkten kann.
Fazit:
"Die Hölle - Inferno" stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass auch im deutschsprachigen Raum gute deutsche Thriller-Kost möglich ist. Die Inszenierung von Stefan Ruzowitzky ist mit Abstand die beste Leistung, die hierzulande in letzter Zeit abgeliefert wurde. Mit Violetta Schurawlow ist der Thriller perfekt besetzt, und ich brenne (Dieses Wortspiel musste jetzt sein!) förmlich darauf, mehr von ihr zu sehen. Schwach hingegen ist das Drehbuch, welches den Antagonisten kaum nachvollziehbar macht. Insbesondere die oben genannte Buch-Szene ist das Paradebeispiel eines Deus ex machina. Ich persönlich habe mich übrigens auch mit dem gesprochenen Dialekt am Anfang etwas schwergetan, aber so dürfte es manchem Österreicher sicher auch mit den "Werner"-Filmen ergehen.