FilmRückblick 2016 - 10 "Direct to DVD"-Empfehlungen
Die DTV-Highlights des JahresKategorie: DVD & Kino - Autor: Christian Siegel - Datum: Dienstag, 10 Januar 2017
10 "Direct to DVD/VOD"-Empfehlungen aus 2016
Während der DTV-Bereich vor 20 Jahren noch eher die Sammelstelle für billig produzierten C-Movie-Schrott und billigst-Fortsetzungen zu großen Blockbustern war, finden sich gerade auch in den letzten Jahren immer wieder so manche Perle dort, die bedauerlicherweise zuvor nicht den Weg auf die Kinoleinwand fand, weil der betreffende Verleiher den Film nicht für massentauglich genug hielt. Zudem werden auch immer mehr Filme von z.B. Netflix direkt für den Heimmarkt produziert (wobei ich von denen 2016 leider wie mir in diesem Moment bewusst wird noch keinen angesehen habe; sollte ich wohl bei Gelegenheit mal nachholen). Angesichts der Schwemme an Filmen, die nach wie vor direkt auf den Heimkinomarkt geworfen werden stellt die nachfolgende Liste jedoch nicht den Anspruch, die besten DTV-Filme des Jahres zu küren. Vielmehr möchte ich euch auf den einen oder anderen Film aufmerksam machen, den ich für empfehlenswert halte, und der hierzulande leider ohne regulären Kinostart auskommen musste:
Platz 10: The Lobster
Bei den meisten anderen Filmen auf meiner Liste wundert es mich ja nicht, dass die ins Heimkino verbannt wurden (bedauerlich finde ich es aber natürlich bei allen) – aber bei dem hier? Eine – wenn auch zugegebenermaßen sehr bizarre – Komödie mit Colin Farrell und Rachel Weisz in den Hauptrollen? Man sollte meinen, das wäre eigentlich genug Starpower, um einen Kinorelease zu rechtfertigen. Wie auch immer: "The Lobster" ist zweifelsohne ein sehr schräger Film. In seiner Parabel auf unsere Gesellschaft beschreibt Yorgos Lanthimos eine alternative Realität, in der Menschen nachdem sie verlassen wurden in ein Hotel einziehen müssen, wo sie genau 45 Tage Zeit haben um einen neuen Partner zu finden – sonst werden sie in ein Tier ihrer Wahl verwandelt. Herzstück des Films war dabei ganz klar die erste Hälfte, die sich in besagtem Hotel abspielt, und die nicht nur herrlich amüsant und absurd war, sondern der Gesellschaft auch einen netten – wenn auch natürlich völlig verzerrten – Spiegel vorhält, was unseren Fokus auf romantische Beziehungen betrifft. Die zweite Hälfte fiel zwar meines Erachtens leider recht deutlich ab – ich konnte mit der jedwede romantische Verbindung strikt untersagenden rebellischen Gegenbewegung bedeutend weniger anfangen als mit dem institutionellen Drang, einen neuen Partner zu finden – dennoch halte ich "The Lobster" für absolut sehenswert. 7/10
Platz 9: My Big Night
Meinem persönlichen Empfinden nach – aber vielleicht habe ich mir auch einfach die falschen Filme ausgesucht? – gab es 2016 im Kino ja doch eher wenig zu Lachen. Da lob ich mir diese köstliche spanische Farce rund um die mehrere Tage andauernde Aufzeichnung eines Silvester-Fernsehspecials. Überaus amüsant und unterhaltsam von Anfang bis Ende, mit einer unglaublichen Energie, die mich teilweise an "Birdman" erinnert hat (wobei dieser natürlich noch eine ganze Ecke dramatischer war, und zudem mit dem vermeintlichen "one take" glänzte), zahlreichen schrägen Ideen, und wunderbar schrulligen Figuren. Das Highlight war dabei zweifellos der selbstironische Auftritt des Schlagerstars Raphael (quasi der spanische Udo Jürgens), allerdings waren letztendlich alle Figuren so wunderbar schräg (und die Performances der DarstellerInnen allesamt erste Sahne), dass es eigentlich einem Frevel gleichkommt, jemanden hervorzuheben. Zahlreiche absurde Momente, sowie die wilde Energie, die er verströmt, machten ihn zusammen mit den köstlichen Figuren zu einer der besten Komödien, die ich im letzten Jahr gesehen habe. 8/10
Platz 8: Hentai Kamen 2: The Abnormal Crisis
Der erste war soweit ganz unterhaltsam, wobei sich die köstliche Grundidee mit der Zeit doch etwas abzunutzen begann. Mit "The Abnormal Crisis" legen die Macher nun ein ordentliches Schäuflein an neuen Ideen und amüsanten Einfällen nach. Wie schon beim ersten konnten mir auch hier die parodistischen Elemente am besten gefallen; vor allem "Spider-Man 2" (der von Sam Raimi) wird fleißig aufs Korn genommen; die betreffenden Anspielungen zählten für mich zu den lustigsten Momenten des Films. Aber auch von diesen abgesehen hat "Hentai Kamen 2: The Abnormal Crisis" zahlreiche tolle Gags und köstliche Szenen zu bieten. Eine gewisse Affinität zum verrückten japanischen Kino ist jedoch Grundvoraussetzung; am besten also erst mal in den Vorgänger reinschnuppern und schauen, ob man mit einem Superhelden im über die Schultern gezogenen Stringtanga, der Bösewichte unter anderem damit bestraft, dass er ihnen sein Gemächt vor den Latz knallt, etwas anfangen kann. Ist dies der Fall, erweist sich "The Abnormal Crisis" meines Erachtens als sehr gute Fortsetzung nach dem "schneller, höher, weiter"-Schema, das mit zahlreichen neuen amüsanten Einfällen punktet, und so den auch schon witzigen und unterhaltsamen Vorgänger noch einmal deutlich übertrifft. 8/10
Platz 7: We Are Still Here
Was als vermeintlicher 08/15-Geisterhaus-Horror beginnt, entpuppt sich in weiterer Folge als echter Geheimtipp. Ted Geoghegans Spielfilmdebüt ist ein großartiger Horrorfilm, der in erster Linie mit seiner ungemein dichten Atmosphäre, effektiven Gruselszenen sowie großartig aufgebauten und platzierten Schockeffekten punktet. Dank der Wahl der Protagonisten – keine Teenager, sondern ein schon etwas betagteres Ehepaar –, dem Setting Ende der 70er Jahre sowie dem überaus blutigen Finale hebt er sich zusätzlich von den üblichen (modernen) Filmen des Genres ab. Die eine oder andere coole Idee, denkwürdige Momente, die großartige Umsetzung der Geister, die sehr guten schauspielerischen Leistungen sowie die teils sehr gefällige Kameraarbeit zeichnen "We Are Still Here" dann zusätzlich aus. Die größte Stärke ist und bleibt aber die gruselige, teils nervenzerreißende Stimmung, die mich immer wieder in Angst und Schrecken versetzen konnte. Kleinere Schwächen verhindern den ganz großen Wurf, aber wer wieder einmal Lust hat, sich so richtig zu gruseln, und zudem vor dem blutigen Ausgang des Geschehens nicht zurückschreckt, der ist – zumindest meiner Meinung nach (amazon.de-Rezensenten sehen dies zugegebenermaßen teilweise anders) – bei "We Are Still Here" genau richtig. 8/10 >> Zum Review
Platz 6: 99 Homes
"99 Homes" ist aus meiner Sicht das perfekte Begleitstück zu "The Big Short". Während sich dieses auf der Makro-Ebene mit den Ursprüngen und Auswirkungen der US-Immobilienkrise auseinandergesetzt hat, stellt dieses mit Andrew Garfield und Michael Shannon hochkarätig besetzte Drama die daraus resultierenden menschlichen Schicksale in den Mittelpunkt des Geschehens. Beide Ansätze haben ihre Daseinsberechtigung, wobei mich persönlich "99 Homes" insgesamt eine Spur mehr angesprochen hat. Einerseits durch so schlichte, aber wunderbar anschauliche Szenen wie das sich füllende Glas mit den Hausschlüsseln, welche das menschliche Drama hinter den Zahlen spür- und greifbar machen. Und andererseits dank des interessanten Aufbaus, da mit Dennis Nash just eines der Opfer der Immobilienkrise auf die andere Seite gelockt wird – und somit genau zu dem wird, was er zuvor noch verachtete. Eben dies verleiht dem Film, neben der sehr speziellen Thematik der Immobilien-Krise, einen universelleren Charakter. In erster Linie ist "99 Homes" aber ein bestechendes Drama, dass jenen Menschen, die hinter den nackten Zahlen der Immobilienkrise stehen, ein Gesicht verleiht. 8/10
Platz 5: Dark Touch
Wenn man unbedingt will, kann man "Dark Touch" wohl als schlichte "Carrie"-Kopie abtun. Meines Erachtens ist der Film jedoch – nicht zuletzt aufgrund der berührenden, erschreckenden und nachhallenden Art und Weise, wie er sich mit dem Thema des Kindesmissbrauchs auseinandersetzt, so viel mehr. Darüber hinaus gefällt mir vor allem auch, wie Niamh langsam erkennt, dass nicht das Haus ihrer Eltern, sondern vielmehr sie selbst für die schrecklichen Ereignisse verantwortlich war. Dargestellt von einer überragenden und ungemein beeindruckenden Missy Keating, schafft es der Film, dass wir mit Niamh mindestens so sehr mitfühlen, wie wir Furcht vor ihr empfinden. "Dark Touch" verfügt über zahlreiche verstörende Szenen, die mir unter die Haut gegangen sind, und bei mir noch lange nach dem Kinobesuch nachhallten. Marie de Van erreicht hier mit vergleichsweise wenig so viel – ist mir der Film doch weitaus näher gegangen als die x-te Blut- und Splatterorgie. Einzig das Ende hat mich ein bisschen enttäuscht und kann meines Erachtens mit dem Rest des Films nicht ganz mithalten – wobei hier sicherlich auch mitspielt, dass ich einfach einen anderen Ausgang des Geschehens vorgezogen hätte. Trotz dieses Mankos sei euch "Dark Touch" – allen amazon.de-Unkenrufen zum Trotz – aber wärmstens empfohlen. 8/10 >> Zum Review
Platz 4: For the Love of Spock
"For the Love of Spock" gibt einen faszinierenden Einblick in das Leben und Wirken von Leonard Nimoy, sowie das Erbe von "Star Trek" im Allgemeinen und Spock im Besonderen – und erwies sich damit für mich als perfekte Unterhaltung, um den 50. Geburtstag der Serie zu feiern. Ursprünglich noch stärker als Betrachtung der Figur an sich gedacht, nahm Adam Nimoy den Tod seines Vaters Anfang 2015 zum Anlass, um auch genauer auf seinen Werdegang einzugehen, und generell dessen Leben näher zu beleuchten. Das Ergebnis ist einerseits ein wundervoller Nachruf auf seinen Vater, zugleich jedoch auch eine Aufarbeitung ihres oftmals angespannten Verhältnisses. Zugegeben, jene "Star Trek"-Fans die sich ausführlich mit ihrer Lieblingsserie beschäftigen, Hintergrundbücher zu ihrer Entstehung lesen, und das eine oder andere Making Of von den Blu-Rays kennen, für die werden viele der hier vermittelten Informationen jetzt nicht unbedingt neu sein. Mir persönlich gefiel es jedoch, all diese, soweit sie Spock und/oder Leonard Nimoy betreffen, hier nun kompakt und gesammelt präsentiert zu bekommen. Und selbst für mich als besser informierten Trekkie war durchaus auch noch die eine oder andere neue Information dabei. Dem bei Dokus gefürchteten "sprechende Köpfe"-Phänomen wird dabei durch unterschiedlichstes Ausgangsmaterial (von Archivaufnahmen über Convention-Auftritte bis hin zu brandneuen Interviews) sowie der Einblendung von Familien- und Promofotos sowie Szenen aus der Serie wirksam vorgebeugt. Als Purist fand ich es zwar schade, dass dabei die neu gemasterten CGI-Effekte zum Zug kamen. Und das eine oder andere Detail hat mir persönlich dann doch gefehlt (so wird z.B. auf die Episode "Implosion in der Spirale" nicht näher eingegangen). Dennoch ist "For the Love of Spock" ein Muss für jeden Trekkie! 8/10
Platz 3: Patema Inverted
Immer, wenn ich einen so schönen klassischen 2D-Zeichentrickfilm wie "Patema Inverted" sehe, der die 3D-Konkurrenz vergleichsweise billig und alt aussehen lässt, frage ich mich, warum man sich in Hollywood den gar so auf diesen 3D-Trend gestürzt hat. Ich meine, ja, eh nett und alles – aber die Anime-Filme beweisen für mich eben immer wieder, dass klassische 2D-Animation nicht nur immer noch ihre Daseinsberechtigung hat, sondern den oftmals eher generisch wirkenden CGI-3D-Plastiklook oftmals sogar klar aussticht. Nach "Die Legende der Prinzessin Kaguya", der bewusst auf altmodisch getrimmt war, ist "Patema Inverted" ein weiterer Beweis dafür, handelt es sich bei ihm doch um einen der schönsten Animationsfilme, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Neben der Optik, die neben den wunderschönen Bildern vor allem auch mit dem netten Spiel der unterschiedlichen Perspektiven überzeugt, konnte mir aber auch die Geschichte selbst sehr gut gefallen. Die Liebesgeschichte mag zwar grundsätzlich nichts Besonderes sein, erhält aber aufgrund der unterschiedlichen Gravitation beider Figuren eine gewisse Tragik. Sehr gut gefallen konnte mir auch die Gesellschaftskritik, die hier mitschwingt. Negativ stachen für mich in erster Linie der ziemlich generische, typische und klischeehafte Bösewicht sowie der letzte Twist am Ende hervor, der auf mich irgendwie keinen Sinn ergeben wollte; aber möglicherweise habe ich ihn auch einfach nicht verstanden. Davon abgesehen ist "Patema Inverted" aber ein wundervoller SF-Zeichentrickfilm, der hoffentlich Jung und Alt gleichermaßen verzaubern wird. 8/10 >> Zum Review
Platz 2: Eye in the Sky
Von allen Filmen auf dieser Liste ist mir bei "Eye in the Sky" am unbegreiflichsten, warum dieser ins Heimkino verbannt wurde. Die Besetzung ist mit u.a. Helen Mirren, Alan Rickman und Aaron Paul sehr hochkarätig, und Regisseur Gavin Hood ist im Kino ebenfalls kein Unbekannter (wenn auch zugegebenermaßen sowohl "X-Men Origins: Wolverine" und "Ender's Game" jetzt nicht unbedingt die größten Kassenschlager waren). Die Story rund um Drohnenangriffe könnte kaum aktueller sein. Und als wäre all das nicht schon Grund genug, ist der Film dann auch noch richtig gut. Ich bin kein Militärexperte, aber auf mich wirkte der hier dargestellte Ablauf eines Drohnenangriffs ungemein realistisch. Eben dadurch, das eingebaute Zeitlimit, und vor allem dann so Momente, wie wenn das Mädchen zu ihrem Brotstand zurückkommt baut der Film eine teilweise schon fast unerträgliche Spannung auf. Oder, wie es mein Kollege Björn Flügel in seinem Review ausgedrückt hat: "'Eye in the Sky' ist ein moderner Kriegsthriller und zugleich ein menschliches Drama. Die hervorragenden Darsteller, die distanzierte Herangehensweise und die Dokumentation solcher Anti-Terror-Einsätze zeichnen den Film aus. Ein überaus spannendes und sensibeles Filmerlebnis, das jedem Zuschauer eine Stellungnahme abverlangt." Dringende Seh-Empfehlung!
8/10 >> Zum Review von Björn Flügel
Platz 1: The Double
Im Gegensatz zum gerade erwähnten "Eye in the Sky" tue ich mir bei "The Double" mit einer allgemeinen Empfehlung sehr schwer. Dafür ist der Film viel zu speziell. Ich persönlich mochte ja auch schon Richard Ayoades Erstling "Submarine", der ging jedoch noch in eine ganz andere Richtung, und bot trotz aller skurrilen Elemente und Figuren letztendlich ein klassisches Coming of Age-Drama. "The Double" geht hingegen in eine ganz andere Richtung, und erinnert mit seiner (alp)traumhaften Story und die undurchsichtige Regierungsbehörde einerseits an "Brazil", und gerade auch mit seinem Doppelgänger-Grundkonzept natürlich auch stark an "Enemy" – wobei letzterer für mich, im strengen Gegensatz zu "The Double", irgendwie überhaupt nicht funktioniert hat. Dieser hier war da schon eher auf meiner Wellenlänge. Zwar sehr bizarr, und zu Beginn hat man irgendwie noch so gar keine Ahnung, was hier vor sich geht – wird man doch völlig unvorbereitet in die Geschichte geworfen – allerdings fand ich den Film eigentlich von Anfang an interessant, und mit fortschreitender Laufzeit gelang es ihm dann auch zunehmend, mich in seinen Bann zu ziehen. Vor allem mit James' Ankunft dreht der Film dann so richtig auf. Dabei half es zweifellos auch, dass ich mich mit Simon stärker identifizieren konnte, als mir das lieb ist. Zudem muss man Jesse Eisenberg aushalten (können); sonst wird man mit dem Film wohl wenig Freude haben. Ich fand ihn aber in beiden Rollen sehr überzeugend; und Wasikowska ohnehin war so toll (und chamäleonhaft) wie immer. Zudem ist der Film von Ayoade wunderschön inszeniert, und darüber hinaus mit einem tollen Score ausgestattet. "The Double" ist zweifellos sehr eigen, und daher schwer weiterzuempfehlen. Für mich hat er sich aber absolut gelohnt. 8/10
Abschließend nun die Aufstellung jener 40 "Direct to DVD/VOD"-Filme, die in dieser Auflistung berücksichtigt wurden: 99 Homes, Abattoir, Body, Bunny the Killer Thing, Clown, Dark Touch, Das Jerico-Projekt, Deathgasm, Der letzte Akt, Desierto, Excess Flesh, Eye in the Sky, For the Love of Spock, Frankenstein, Hangman, Hentai Kamen 2: The Abnormal Crisis, Holidays, Howl, In the Crosswind, Kilo Two Bravo, Lavalantula, My Big Night, Patema Inverted, Pod, R100, Rache - Bound to Vengeance, Raman Raghav 2.0, Scherzo Diabolico, Some Kind of Hate, Southbound, Synchronicity, The Double, The End of the Tour, The Invitation, The Lobster, The Survivalist, We Are Still Here - Haus des Grauens, Yakuza Apocalpyse, Z for Zachariah, Zufällig allmächtig.