Kurzinhalt:
Ein junges Paar sucht mit einem gemeinsamen Urlaub in Nordafrika ihre Beziehung aufzufrischen. Als ein reicher Russe den sitzengelassenen Ehemann zum Trinken einlädt, rutschen beide in ein gefährliches Spiel zwischen Geheimdiensten und Mafia. Wem können sie trauen, und wer treibt ein falsches Spiel?
Review:
Schon nach den ersten paar Minuten bekommt man bei "Verräter wie wir" dieses Gefühl, in einem durch und durch europäischen Thriller zu sitzen, in dem nur sehr wenige Protagonisten die Geschichte schultern und dafür alles sehr viel intensiver erleben. Dabei geht es auch ruhiger zur Sache, aber auch sehr viel bewusster. Dadurch fühlt sich für mich ein europäischer Krimi/Thriller (i.A. eine europäische Produktion) auch immer realistischer an, als Hollywoodproduktionen. Wer "The International" oder "A Most Wanted Man" gesehen hat, weiß was ich meine. Das Publikum wird nicht überanstrengt, muss aber schon auch mitdenken, da nicht jede Szene am Anfang sofort selbsterklärend ist. Es wird nicht nur erst die Stimmung gesetzt, sondern auch bewusst irritiert, was sich im Laufe des Films aber auszahlt. Dass sich "Verräter wie wir" und "A Most Wanted Man" wie Geschwister anfühlen, ist auch nicht groß verwunderlich, wenn man weiß, dass beide auf gleichnamigen Büchern vom selben Autor – nämlich John le Carré – basieren. Seine Spionageromane wurden schon oft verfilmt: Sei es "Dame, König, As, Spion" (mit Gary Oldman), oder die von der Kritik umjubelte Amazon-Prime-Video-Serie "The Night Manager" (mit Tom Hiddleston und Hugh Laurie), alle Werke tragen Carrés Handschrift.
"Verräter wie wir" bringt mit Ewan McGregor, als Professor für britische Poesie namens Perry, und Stellan Skarsgård als Dima zwei gegensätzliche Typen zusammen, die sich dennoch anfreunden und einen gegenseitigen Respekt füreinander entwickeln, den sie auch dringend brauchen. Im Zweifel kann man einem völlig Fremden eben mehr trauen, als den engsten Vertrauten. Dies ist der Kern der Geschichte um einen Mafioso, der zusehen muss, wie alte Strukturen, die auch ihn reich gemacht haben, zerfetzt werden und am Ende nur seine Familie retten will. Das alles hat eine großartige Intensität und Dichte, die man nicht so häufig findet und mit Susanna White eine Regisseurin, die historisch dichte Miniserien auf ihrem Konto hat. Zur erweiterten Besetzung kommen noch Naomie Harris als Perrys Ehefrau Gail (seit "Skyfall" die neue Moneypenny in "James Bond 007"), Damian Lewis als MI6-Agent Hector (Brody in "Homeland") und Mark Gatiss als Hectors Vorgesetzter Bill Matlock (Mycroft Holmes in "Sherlock"). Skarsgård spielt den russischen Mafioso laut und oft unausstehlich - eine Fassade, die er nur selten fallen lässt, wenn es um seine Familie geht. Er strahlt immer eine gewisse Raubtierhaftigkeit aus, die unter den richtigen Umständen eine schonungslose Brutalität zu Tage fördert. McGregor ist in seiner Rolle als Durchschnittsmann recht glaubwürdig, obwohl auch der ab einem gewissen Punkt "aktiver" wird, als ein Durchschnittsmann es vor Angst höchstwahrscheinlich würde.
Das Spiel zum Höhepunkt hatte mich am Rande des Kinosessels, während es besonders in der Mitte schon einige Längen gibt, die den Film unnötig auswalzen. Ich würde nicht sagen, dass mir "Verräter wie wir" Spaß gemacht hat - es ist kein Actionklamauk - aber als solider Thriller konnte er mich für seine Geschichte und Figuren interessieren. Dima ist dabei tatsächlich am interessantesten von allen, denn man entwickelt für einen offensichtlich bösen Menschen, mindestens Mitgefühl. Naomie Harris bekam leider (wie auch als Moneypenny) viel weniger zu tun, als Ewan McGregor. Hier hätte ich mir mehr Ausgeglichenheit gewünscht. Die Kameraarbeit ist hervorragend und egal wie nebensächlich der Inhalt eines Bildes ist, es ist immer interessant. Kameramann Anthony Dod Mantles Arbeit umfasst Filme wie "Trance – Gefährliche Erinnerung", "127 Hours" oder auch "Slumdog Millionaire" und konnte mir schon immer sehr gefallen. Er dreht auch die Fortsetzung zu "Trainspotting". Die Musik von Marcelo Zarvos blieb mir leider nicht im Gedächtnis, was nur bedeutet, dass kein Teil des Scores besonders heraussticht, aber dieser dennoch den Film eloquent begleitet. Auf Experimente, wie die absichtliche Übertönung von Dialog ("Interstellar"), wird für ein eher klassisches Agentenfilm-Arrangement verzichtet.
Fazit:
"Verräter wie wir" ist für Spionagethriller-Liebhaber genau richtig. Es ist nicht unbedingt Carrés bestes Werk – worunter auch das Drehbuch etwas leidet – aber es ist solide und kein Reinfall. Es blieb nach dem Online-Erfolg von "The Night Manager" irgendwie unter dem Radar, hat aber seine eigene Zeit im Rampenlicht verdient. Vielleicht hebt man ihn sich für die kühleren Tage auf und schaut ihn eingemümmelt mit einer Tasse Kakao auf dem heimischen Sofa.