Kurzinhalt:
In wenigen Tagen jährt sich die legendäre Schlacht vom Koom-Tal, wo einst Zwerge und Trolle aufeinandertrafen. Ein Kampf, der durch das riesige, breite und auf der ganzen Scheibenwelt bekannte Gemälde von Methodia Rascal unsterblich gemacht wurde. Die Stimmung auf den Straßen Ankh-Morporks ist angesichts des bevorstehenden Jubiläums angezeigt; immer wieder kommt es zwischen Zwergen und Trollen zu kleineren Scharmützeln. Die Situation droht schließlich zu eskalieren, als in den Minen unter der Stadt die Leiche eines Zwerges gefunden wird, neben dem eine Troll-Keule liegt. Für die Zwerge ist klar, wer – oder zumindest welches Volk – hinter der Tat steckt. Samuel Vimes, Kommandant der Stadtwache, nimmt mit seinen Männern, Frauen, Zwergen, Trollen, Werwölfen und neuerdings auch einer Vampir-Lady, die Ermittlungen auf – die ihn schließlich ins sagenumwobene Koom-Tal selbst führen, wo sich die Hintergründe der damaligen Schlacht ein für alle Mal aufklären werden…
Review:
Nach dem eher leichtfüßigen "Going Postal" kehrt Terry Pratchetts gesellschaftskritische Seite mit "Thud!" wieder in voller Stärke zurück. Wie bei den letzten Romanen rund um die Stadtwache im Allgemeinen und Commander Vimes im Besonderen, stellt er dabei – am Beispiel der Konflikte zwischen Zwergen und Trollen – die Themen Fremdenfeindlichkeit, Rassenhass und Vorurteile in den Mittelpunkt. Die Missstimmung zwischen beiden Völkern, die letztendlich auf eine Jahrzehnte (oder sogar noch länger) alte Schlacht zurückgeht, darf dabei als Analogie auf viele ähnliche Konflikte in der Realität verstanden werden, denen Pratchett hier einen verurteilenden Spiegel vorhält. Nirgends wird das so deutlich wie am Ende. Seit Ewigkeiten fragen sich beide Seiten, wer denn eigentlich den Kampf begonnen hat, und werden im Namen der Schlacht vom Koom-Tal in regelmäßigen Abständen neue Bluttaten begangen. Stattdessen findet man am Ende heraus, dass der Troll- und der Zwergkönig vielmehr Frieden schließen wollten, und sich die kriegstreibenden Elemente gegen sie gewandt haben. Statt Trolle gegen Zwerge kämpfen als vielmehr Trolle und Zwerge gemeinsam gegen andere Trolle und Zwerge. So schafft es Pratchett, die Sinnlosigkeit solcher, auf historische Begebenheiten beruhenden Streitigkeiten zu offenbaren, und dieser Denke mit einem kongenialen Federstrich den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Die besagte Message ist dabei auch nicht auf Trolle und Zwerge bzw. die Schlacht von Koom Valley beschränkt; auch Werwölfin Angua lernt im Verlauf des Romans, die ihr anerzogene Ablehnung gegenüber Vampiren hinter sich zu lassen und sich mit dem jüngsten Neuzugang bei der Stadtwache, Sally, im wahrsten Sinne des Wortes anzufreunden.
Trotz aller sozialkritischer Töne vergisst Pratchett aber natürlich auch bei "Thud!" nicht auf den Unterhaltungswert. Der Roman strotz wieder nur so vor dem typischen Pratchett-Humor, der sich aus den Figuren selbst ebenso ergibt, wie aus den teils amüsanten Dialogen, lustigen Momenten, den witzigen erklärenden Fußnoten, sowie der einen oder anderen popkulturellen Anspielung (wie z.B. auf Dan Browns "The Da Vinci-Code"). Auch die Umwandlung von Schach in das titelspendende Spiel Thud (bzw. in der deutschen Fassung Klonk) fand ich sehr interessant, und gut ausgedacht. Aber auch die Geschichte an sich ist wieder einmal sehr gut ersonnen und geschrieben, angefangen von der murder mystery, über die dahintersteckende Verschwörung, bis hin zur coolen Verknüpfung zum von Rascal gezeichneten Panorama-Bild (und welche Funktion dieses letztendlich erfüllt, bzw. warum er dieses denn eigentlich gezeichnet hat). Und auch die Figuren haben mir wieder sehr gut gefallen. Neuzugänge sind diesmal zwar eher nur an der Peripherie zu beobachten, aber bei eben diesen schafft er es wieder einmal, sie auch wirklich wie neue Charaktere, und nicht einfach nur wie Kopien alter Bekannter, wirken zu lassen. Im Zentrum steht indes wieder einmal Commander Vimes, der vor allem auch durch seine familiären Verpflichtungen und den überaus netten Touch rund um das Kinderbuch "Where's my Cow", welches von ihm jeden Tag, ausnahmslos, pünktlichst um 6 Uhr abends vorgelesen werden muss, diesmal stärker von seiner menschlichen Seite gezeigt wird. Es sind genau solche Kleinigkeiten – die sich in "Thud!" wieder einmal zuhauf finden lassen – welche Pratchetts Erzählungen für mich von einem Mal aufs Neue bereichern – und sie trotz des Fantasy-Settings in einer Welt, in der wir uns bis zu einem gewissen Grad selbst wiederfinden, verankern.
Fazit:
In "Thud!" sind die gesellschaftskritischen Untertöne wieder einmal unübersehbar. Terry Pratchett zeigt dabei auf unvergleichliche Art und Weise die Sinnlosigkeit historisch bedingter Fehden zwischen Völkern, sowie generell die Unrechtmäßigkeit von Rassismus, Fremdenhass und Vorurteilen auf. Verpackt werden diese klaren und deutlichen Aussagen wieder einmal in einer sehr gut ausgeklügelten Geschichte voller unverwechselbarer Figuren, ein paar amüsanter popkultureller Anspielungen, zahlreichen originellen Einfällen und Ideen, sowie dem für Pratchett so typischen, wunderbaren Humor. Wie die meisten der letzten in erster Linie an ein erwachsenes Publikum gerichteten "Discworld"-Romane war mir "Thud!" zwar wieder eine Spur zu lang, davon abgesehen fand ich aber auch sein 34. Abenteuer von der Scheibenwelt wieder absolut lesenswert.
Bewertung:
4.5/5 Punkten
Christian Siegel
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