Originaltitel: The Western Book of the Dead Episodennummer: 2x01 Bewertung: Erstausstrahlung USA: 21. Juni 2015 Erstausstrahlung D: 17. September 2015 Drehbuch: Nic Pizzolatto Regie: Justin Lin Hauptdarsteller:
Colin Farrell als Ray Velcoro,
Rachel McAdams als Ani Bezzerides,
Taylor Kitsch als Paul Woodrugh,
Vince Vaughn als Frank Semyon,
Kelly Reilly als Jordan Semyon.
Gastdarsteller:
Ritchie Coster als Austin Chessani,
David Morse als Elliot Bezzerides,
Christopher James Bakes als Blake Churchman,
Chris Kerson als Nails,
Ronnie Gene Blevins als Stan,
Andy Mackenzie als Ivar,
Timothy V. Murphy als Osip Agronov,
Leven Rambin als Athena Bezzerides,
W. Earl Brown als Teague Dixon,
Afemo Omilami als William Holloway,
James Frain als Kevin Burris,
Michael Irby als Elvis Ilinca u.a.
Kurzinhalt:
Der Gangster Frank Semyon, dem zahlreiche Casinos gehören, hat große Pläne für seine Heimatstadt Vinci, die sich in der Nähe von Los Angeles befindet. So soll die Stadt mitten in einer neuen Schnellbahnschiene liegen, mit der er die Stadt – und damit auch seine Geschäfte – zu beleben hofft. In seinen Verhandlungen mit einem russischen Geschäftsmann namens Agronov dient ihm der Stadtdirektor von Vinci, Ben Caspere, als Mittelsmann. Doch am Vorabend eines wichtigen Treffens, um den Deal unter Dach und Fach zu bringen, verschwindet dieser plötzlich. Der korrupte Detective Ray Velcoro, den Frank seit über einem Jahrzehnt in der Tasche hat, nachdem er ihm Informationen über den Vergewaltiger seiner damaligen Frau zuspielte, wird auf den Fall angesetzt. Währenddessen stolpert Detective Ani Bezzerides mit ihrem Partner eher zufällig auf einen anderen Vermisstenfall, und begibt sich auf der Suche nach einer jungen Frau. Der als Straßenpolizist tätige Officer Paul Woodrugh wird indes nach Vorwürfen, eine Frau hätte ihren Strafzettel mit sexuellen Gefälligkeiten abgewendet, vorläufig vom Dienst suspendiert. Als eben dieser bei einer nächtlichen Tour auf seinem Motorrad den verschwundenen Stadtdirektor findet, führt dies die drei Polizisten zusammen…
Review:
Von der ersten "True Detective"-Staffel war ich insgesamt ja durchaus angetan, und auch die erste Folge hatte mir dort aufgrund des Serienkiller-Falls, der Besetzung, sowie des interessanten und neugierig machenden Aufbaus (mit den beiden Zeitebenen) schon sehr gut gefallen. "Das Totenbuch des Westens" erweist sich als – wohl bewusst – gänzlich anders konzipierter, und in meinen Augen auch unterlegender, Einstieg in die Nachfolgestaffel. Dabei finde ich den grundsätzlichen Gedanken, nicht einfach die Erfolgsformel der ersten Staffel zu wiederholen und nicht nur von den Figuren und inhaltlich, sondern auch konzeptionell etwas Anderes zu präsentieren, ja grundsätzlich durchaus löblich und positiv. Dennoch gelang es "Die lange strahlende Dunkelheit" weitaus rascher, mich zu packen. So brauchte ich bei "Das Totenbuch des Westens" doch eine Weile, um mich im Figurendschungel zurecht zu finden. Die kurze Rückblende nach etwa fünf Minuten, die dann letztendlich ohnehin die einzige bleiben sollte, half auch nicht gerade dabei, mich leichter zurechtfinden zu lassen – dachte ich doch kurzfristig, auch die Szenen rund um Ani seien aus der Vergangenheit. Und auch, worum es genau eigentlich bei der Geschichte rund um Frank handelt, kam für mich erst sehr langsam heraus.
Die Figuren finde ich auf den ersten Blick ebenfalls noch nicht so interessant wie Rust und Cole. Ja, ok, was diese mit ihren S1-Vorgängern und auch untereinander gemeinsam haben ist, dass jeder auf seine bzw. ihre Art und Weise kaputt ist. Ray ist korrupt und ein Trinker, Ani eine Spielerin, und Paul ist ein Adrenalinjunkie, der ebenfalls unter einigen Problemen und Traumata zu leiden scheint. Einzig Frank Seymon sticht auf den ersten Blick mal hervor, da er sich im Gegensatz zu den drei Cops auf der anderen Seite des Gesetzes befindet. Das Drehbuch fand ich leider, gerade auch wenn es darum geht, uns über die Figuren wichtige Hintergrundinformationen zu vermitteln, wenig elegant und teils sogar richtiggehend konstruiert. Dies gilt insbesondere für Antigones Handlungsstrang, die zuerst bei der Razzia zufällig über ihre Schwester stolpert, nur um kurz darauf auf der Suche nach der verschwundenen jungen Frau just zu ihrem entfremdeten Vater zu treffen. In beiden Fällen wirkten die daraus resultierenden Dialoge sehr gestelzt, da es sich die Figuren nicht nehmen ließen, alte Geschichten aufzurollen, damit der Zuschauer die nötigen Hintergrundinformationen erhält. Der Storyline von Ray ergeht es insofern besser, als hier zumindest das eine oder andere (wie z.B. rund um "seinen"? Sohn) nicht direkt ausgesprochen, sondern nur angedeutet wird, und er sich generell mehr durch Taten als Worte vorstellen darf. Paul hingegen fand ich vorerst – abseits der Frage, ob er auf das unmoralische Angebot der attraktiven jungen Frau nun eingegangen ist oder nicht (zumindest für mich kam das in der Folge nämlich nicht wirklich heraus) – noch recht uninteressant.
Wobei auch gleich festgehalten werden muss, dass sich die Kritik rein aufs Drehbuch bezieht, und darauf, wie die Figuren geschrieben/konzipiert sind. Denn die Darsteller machen ihre Sache allesamt hervorragend. Von Rachel McAdams bin ich ja ohnehin ein großer Fan, und ich bin schon sehr gespannt, wie sie diese Rolle, die sich deutlich von dem was ihr Hollywood sonst so vorsetzt unterscheidet, schlagen wird. Bislang macht sie als Ani jedenfalls einen sehr guten Eindruck. Sehr angetan bin ich bislang – teils zu meiner eigenen Überraschung – auch von Vince Vaughn, der mich als Gangster bislang wirklich positiv überrascht. Colin Farrell macht seine Sache ebenfalls hervorragend, bei ihm fand ich es aber insofern weniger überraschend, als die Rolle eher dem entspricht, was er auch in der Vergangenheit schon des Öfteren gespielt hat. Die Intensität, die er bereits in der ersten Folge in die Rolle einbrachte, fand ich aber jedenfalls schon mal sehr positiv. Und selbst der von mir jetzt nicht unbedingt gerade vergötterte Taylor Kitsch macht seine Sache als von seiner Vergangenheit geplagter Straßenpolizist bisher ausgesprochen gut.
Während "True Detective"-Mastermind Nic Pizzolatto auch bei der zweiten Staffel wieder als Produzent und alleiniger Drehbuchautor fungiert, setzte sich der Regisseur aller Episoden aus Season 1, Cary Joji Fukunaga, leider ab. An seine Stelle treten nun vielmehr – wie bei fast allen Serien üblich – wechselnde Regisseure, wobei die ersten beiden Folgen von "Fast & Furious"- und "Star Trek Beyond"-Regisseur Justin Lin inszeniert wurde. Dieser macht seine Sache zwar grundsätzlich sehr gut und inszeniert "Das Totenbuch des Westens" in der von HBO gewohnt hohen Qualität, die Kinofilmen in nichts nachsteht… aber im Vergleich zu Fukunaga fehlte mir der letzte Funken an inszenatorischer Brillanz. Und vor allem auch, was das Erschaffen einer dichten Atmosphäre betrifft, kann Lin nicht ganz mit ihm mithalten (wobei dies teilweise natürlich auch durch die Handlung der Folge begründet ist). Sehr stylisch und gelungen war dafür wieder die – im Vergleich zur ersten Staffel deutlich farbenfrohere – Credits-Sequenz, an der ich mich trotz ihrer Länge wohl so schnell nicht sattsehen – oder hören – werde. Inhaltlich leidet "Das Totenbuch des Westens" aber halt darunter, dass die Folge in erster Linie mal dazu dient, die Rahmenbedingungen für den Rest der Staffel zu setzen. Es gilt, doppelt so viele Hauptfiguren vorzustellen wie in der ersten Staffel, und auch die Geschichte selbst wirkt auf den ersten Blick – abseits der fehlenden zeitlichen Sprünge – komplexer. Das mag auf den ersten Blick gut klingen, bedeutet aber halt auch, dass man deutlich länger braucht, um sich in der Handlung zurechtzufinden – und es nun mal auch länger dauert, um die Geschichte quasi "vorzustellen". Als Folge daraus konnte sich die Story selbst hier noch nicht so recht entfalten. Die letzte Szene rund um die versammelten drei Cops lassen mich jedoch hoffen, dass die Serie nun, da die erforderliche Vorarbeit abgeschlossen ist, rasch an Fahrt aufnimmt.
Fazit:
"Das Totenbuch des Westens" ist ein gemächlicher und noch eher unaufregender und unspektakulärer Einstieg in die zweite "True Detective"-Staffel. Ein Großteil der Laufzeit wird darauf verwendet, das Setting und die Figuren vorzustellen, wobei letzteres teilweise etwas verkrampft in ziemlich erzwungen wirkenden Dialogen von statten geht. Auch Justin Lins Regieleistung bleibt geringfügig hinter jener von Fukunaga bei Season 1 zurück. Und nicht zuletzt, da die eigentliche Geschichte hier noch kaum zur Geltung kommt, hat mich die Story bislang noch nicht so recht gepackt. Demgegenüber stehen in erster Linie die tollen schauspielerischen Leistungen, wobei ich neben Rachel McAdams und Colin Farrell – in beiden Fällen erwarteterweise – vor allem von Vince Vaughn (das hat mich schon mehr überrascht) angetan hat. Und auch der von mir nicht unbedingt hochgeschätzte Taylor Kitsch macht seine Sache bislang gut. Die Figuren selbst, die allesamt mit ihren jeweiligen Macken daherkommen, finde ich soweit ebenfalls interessant. Und auch die Story an sich offenbart vielversprechende Ansätze. Insgesamt zeigt "Das Totenbuch des Westens" durchaus Potential für eine spannende, gelungene Staffel, der es auch ansatzweise gelingen könnte, an die sehr gute Season 1 anzuknüpfen – die erste Episode lässt dieses jedoch erstmal eher nur erahnen, als es selbst schon auszuschöpfen.