Mit: David Thewlis, Jennifer Jason Leigh, Tom Noonan u.a. (englische Originalbesetzung)
Kurzinhalt:
Michael Stone fliegt nach Cincinnati, um dort einen Vortrag über Kundenbetreuung zu halten. Michael leidet unter starken Depressionen, die dazu führen, dass er die Welt um ihn herum nur verzerrt wahrnimmt. Gefangen im Alltagstrott, droht er seine Lebensfreude mehr und mehr zu verlieren. In Cincinnati angekommen, checkt er in ein Hotel ein, und ruft eine Ex-Freundin von ihm an. Das Treffen mit ihr verläuft jedoch nicht so wie gedacht, und trägt nichts dazu bei, seine Stimmung zu heben. Niedergeschlagen kehrt er auf sein Zimmer zurück – als er im Flur plötzlich eine bezaubernde Stimme hört. Diese gehört Lisa, einer jungen Seminarteilnehmerin, mit der er in weiterer Folge die Nacht verbringt. Anomalisa, wie er sie tauft, gibt ihm die Hoffnung auf ein freudvolleres Leben zurück. Doch wie lange wird ihr Glück anhalten?
Review:
Ich bin ja generell ein großer Fan von Stop-Motion-Animationsfilmen. Allerdings ist man es von diesen doch eher gewohnt, sich an Kinder zu richten. Gelegentlich gibt es zwar auch Animationsfilme, egal ob nun Zeichentrick, 3D, oder Stop Motion, die fast ausschließlich eine erwachsene Zielgruppe ansprechen, diese sind aber zweifellos eher die Ausnahme. "Anomalisa" ist nun nach längerem wieder eine eben solche "Anomalie" – und auch wenn ich die Lobeshymnen der Kritiker für einen ganz kleinen Hauch überzogen halte, so ist Charlie Kaufman mit ihm zweifellos ein phantastischer Film gelungen, des es nicht nur gelungen ist, mich sehr gut zu unterhalten, sondern vor allem auch, mich nachdenklich zu stimmen. Seine größte Stärke war dabei für mich, wie man hier das Konzept nutzt, um dem Zuschauer Michaels geistigen Zustand zu verdeutlichen, und uns in seine Haut schlüpfen zu lassen. Anfangs fand ich offen gestanden die Tatsache, dass alle außer Michael von der gleichen Person gesprochen werden, sehr irritierend (zumal ich eine persönliche Aversion dagegen habe, wenn Männer Frauenrollen sprechen; ich finde das immer bestenfalls unfreiwillig komisch und schlechtestenfalls peinlich). Hat man dann aber mal den Grund dafür überrissen, und versteht, was dies symbolisiert/verdeutlicht, offenbart es sich als wahrer Geniestreich.
Durch diesen inszenatorischen Kniff steckt man richtiggehend in Michaels Kopf drin. Wir sehen und hören die Welt so, wie er sie sieht und hört (was man übrigens auch als Erklärung dafür sehen könnte, warum es sich hier gerade um einen Stop-Motion-Animationsfilm handelt). So wie er sind wir in dieser zwar optisch beeindruckenden und gefälligen, aber ansonsten sehr langweiligen, monotonen Welt, welche die erste halbe Stunde des Films dominiert, gefangen. Dementsprechend können wir seine Begeisterung, als er Lisa kennenlernt, nicht einfach nur nachvollziehen, sondern teilen sie vielmehr. Es ist so eine clevere und überaus effektive Art und Weise, uns seine fast sofortige Anziehung zu ihr nachempfinden zu lassen – wobei sie sich auch davon abgesehen als sehr charmante (wenn auch unsichere und schüchterne) Persönlichkeit offenbart. Jennifer Jason Leighs sprachliche Performance machte es (im Original; zur Synchronisation kann ich nichts sagen) zusätzlich leicht, zu verstehen, warum sich Michael zu ihr hingezogen fühlt, und generell habe ich ihre gemeinsamen Szenen sehr genossen – wobei für mich vor allem das "Cover" von "Girls Just Want to Have Fun", die (überaus erotische, so seltsam das auch klingen mag) Puppen-Sexszene sowie ein ganz bestimmter Moment beim Frühstück hervorstachen. Neben Leigh bestechen aber auch Noonan (in vielen verschiedenen Rollen) sowie vor allem auch Thewlis (der Michaels Schwermut, Trübsinn und Verzweiflung perfekt transportiert) mit tollen Leistungen. Und auch optisch vermag "Anomalisa" zu begeistern. Die Figuren sind ausdrucksstark, die "Sets" nett gestaltet, und vor allem die Farbgebung sowie die Lichtgestaltung hatte es mir angetan. Das einzige, was ich persönlich nicht gebraucht hätte, war die Alptraum-Sequenz. Und seine Rede war dann doch etwas übertrieben dramatisch. Davon abgesehen war "Anomalisa" aber ein absolut wundervoller Film.
Fazit:
Mit "Anomalisa" hat Charlie Kaufman – Puppen zum Trotz – einen der menschlichsten Filme der letzten Zeit geschaffen. Er nutzt dabei die künstlerische Freiheiten eines Stop Motion-Animationsfilms, um den Zuschauer quasi in Michaels Rolle zu versetzen, und uns die Welt aus seiner Perspektive sehen – und vor allem hören – zu lassen. Dadurch lässt er uns sowohl dessen Depression und Verzweiflung, als auch seine Zuneigung für Lisa nachfühlen, wenn nicht gar mitempfinden. Neben dem Konzept sowie der Story an sich konnte mir vor allem auch die Stop-Motion-Animation selbst gefallen, wobei für mich dabei vor allem die Belichtung und die Farbgestaltung hervorstachen. Auch die sprachlichen Leistungen können – zumindest im Originalton – voll und ganz überzeugen. David Thewlis gelingt es ausgesprochen gut, uns Michaels Verzweiflung zu vermitteln, Jennifer Jason Leigh bringt den Charme ihrer Figur sehr gut rüber, und Tom Noonan überzeugt in einer Vielzahl verschiedener Rollen. Zwei kleinere Kritikpunkte verhindern zwar das ganz große Meisterwerk. Zudem könnte ich mir vorstellen, dass es nicht jedem gelingen wird, sich auf ihn einzulassen. Ich für meinen Teil war von "Anomalisa" aber wirklich begeistert.